Panamericana 2012: Unterwegs von Alaska nach Feuerland

Panamericana 2012: Unterwegs von Alaska nach Feuerland Abschied und Gewitter

Sehr selten – auch in Deutschland – habe ich zwei Leute getroffen, die mir derart sympathisch waren, wie Sara und Dave. Ihre völlig unkomplizierte, offene Art, ihre Ansichten, Meinungen und Einstellungen haben mich wirklich beeindruckt.

Abschied und Gewitter Heerwagen

Der Abschied

Bereits am Morgen habe ich meine Sachen gepackt und aufs Motorrad geschnallt, ich bin also abfahrbereit – wenn auch ziemlich spät. Beide wollen mich überreden, doch noch eine oder zwei Nächte zu bleiben; am Mittwoch ist in Calgary ein riesiges Konzert, bei dem Dave im wahrsten Sinne des Wortes den Ton angibt. Es klingt verlockend und ich bin hin und her gerissen. Ich fühle mich sehr wohl bei den beiden, Calgary ist eine tolle Stadt, aber ich muss, nein, ich möchte weiter. Außerdem hat Dave in den letzten vier Tagen keine acht Stunden geschlafen, weil er ständig arbeiten oder mit uns in die Stadt/Kneipe gehen muss.

Heerwagen
Der Kater bei Sara und Dave – Twitch – fand es toll, auf meinen Schlafsack zu pinkeln. Wir konnten ihn aber waschen – den Schlafsack.

Als ich morgens in der Tiefgarage mein Zeug zusammen gepackt habe, habe ich eine Weste mit „BMW-Motorrad“-Aufdruck auf dem Rücken in den Tankrucksack von Daves F650GS gelegt. Von Anfang an fahre ich sie mit mir rum und hatte sie noch nicht einmal an – und dabei wäre es wahrscheinlich auch geblieben. Dave ist absoluter BMW-Fan und ich bin mir sicher, dass er sich freuen wird (Wehe nicht, mein Freund! J). Als ich aufbreche begleitet er mich, er muss noch mal zur Arbeit. „Du darfst aber noch nicht in deinen Tankrucksack gucken! Ich hab da was für dich reingepackt…“  Kurze Zeit später an der Ampel: „Es ist gerade wie Weihnachten, ich bin total gespannt, was drin ist!“

Draußen hat es 30 Grad, die Sonne brennt, wir stehen im Stau – Durchschlängeln mit den Koffern? Lieber nicht. 200 Meter vor der Ausfahrt reicht es uns dann doch und wir nehmen die Abkürzung über den Grünstreifen rechts neben der Fahrbahn.

Heerwagen

Fünf Wochen auf Tour scheinen mich weich gekocht zu haben. Denn als wir nebeneinander an der Ampel stehen, uns die Hände schütteln, ich gleich rechts und Dave links abbiegen muss, habe ich einen Kloß im Hals und bin froh, dass mein Sonnenvisier unten ist. Sonst hätte Dave meine roten Augen gesehen. Sara and Dave, thank you for everything!

Während der folgenden zwei Stunden bleiben die Kopfhörer im Tankrucksack; ich fahre mit Ohrenstöpseln, lasse die vergangenen Tage Revue passieren und stelle fest: „Ich hatte ne richtig tolle Zeit in Calgary…“

-- 20 Sekunden Stilpause --

Das Gewitter

Heerwagen
Da muss ich durch!

Ständig zucken Blitze horizontal und vertikal direkt vor und über mir durch die rabenschwarze Wolkendecke, in gefühlt nur 500 Meter Höhe, in echt wahrscheinlich deutlich höher.

Instinktiv aber völlig sinnlos spiele ich Schildkröte und ziehe den Hals ein, soweit ich kann – nur schön klein machen. Keine Ahnung, wie viele Motorradfahrer jährlich vom Blitz getroffen werden, aber hier in dieser Situation – unterwegs auf 280 Kilogramm Metall, rundherum nur flache Hügel, über mir die Hölle – habe ich echt ein wenig Angst, von einem Blitz den Schädel gespalten zu bekommen. Die Tatsache, dass ihr den Text lesen könnt, beweist das Gegenteil.

Halblinks von mir ist das Licht, da will ich hin. Und zwar schnell. Mit einer Geschwindigkeit, die mich in einer Kontrolle sicher zwei Wochen Reisebudget und 30 Tage das Motorrad kosten würde, entfliehe ich dem Gewitter. Die Temperatur fällt rasant, innerhalb von vielleicht zehn Kilometern von 29 auf 19 Grad. Komischerweise regnet es kaum. Glück gehabt. Vor mir wird es heller, aber wäre ich in den USA würde ich erwarten, dass sich in den nächsten Minuten aus der dichten, dunklen Wolkendecke rechts neben mir der Saugrüssel eines Tornados bildet.

Heerwagen
Schon besser...

Zehn Kilometer weiter ist das schlimmste überstanden, die Sonne scheint an manchen Stellen flach über die Wiesen, erzeugt einen Regenbogen.

Auf den Feldern liegt frisches Heu, ich liebe diesen Duft, der über den langsam trocknenden Asphalt weht. Im nächsten Wal-Mart besorge ich ein paar Lebensmittel, fahre noch einige Kilometer und schlage mein Zelt auf einem kleinen Campingplatz auf. Die Rezeption ist schon zu, ich suche mir trotzdem ein Plätzchen. Bis zur amerikanischen Grenze ist es nicht mehr weit.

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