Ruhig und gelassen gehts her zwischen Karpaten und Schwarzmeer-Küste. Draculas Heimat besticht mit faszinierenden Berg- und Flusslandschaften.
Ruhig und gelassen gehts her zwischen Karpaten und Schwarzmeer-Küste. Draculas Heimat besticht mit faszinierenden Berg- und Flusslandschaften.
Äußerst gründlich werden unsere Pässe von den rumänischen Grenzposten kontrolliert. Rita und ich reisen aus Bulgarien ein, wo wir die vergangenen drei Wochen verbracht haben anscheinend Grund genug, um uns auf der beladenen Honda als Schmuggler für Waffen, Zigaretten, Kokain und Alkohol zu verdächtigen. Wir schütteln die Köpfe, nein, mit so was können wir nicht dienen. Der offensichtlich ranghöchste Beamte gibt sich mit dieser Antwort zufrieden, händigt uns schließlich die Pässe aus.
Der Weg nach Constanta führt direkt am Schwarzen Meer entlang. Aber es hält uns nicht lange an der Küste, der Urlaubstrubel läuft auf Hochtouren. Nach zwei Tagen lassen wir die ganze Hektik hinter uns, werfen einen letzten Blick auf die teuren Hotels und gepflegten Strände von Mamaia und biegen hinter Năvodari auf kleinere Sträßchen ab. Plötzlich kaum noch Verkehr, und die Entfernungen zwischen den Orten werden größer. Die Hitze, die über dem Land liegt, ist in Motorradklamotten kaum noch zu ertragen wir messen 40 Grad. Und weit und breit kein Schatten. In Babadag peilen wir das erstbeste Hotel an. Wir haben Durst, brauchen eine Dusche und sind nur noch müde.
Zwei Tage später flüchten wir vor der glühenden Hitze in die Berge weiter nördlich. Dabei halten wir uns dicht an der moldawischen Grenze und streifen die ärmste Gegend Rumäniens, den stets vernachlässigten Osten. Stundenlang fahren wir vorbei an dürren Feldern, passieren gelegentlich triste Dörfer. Irgendwann tauchen die ersten, noch niedrigen Berge auf, es kühlt auf erträgliche 32 Grad ab. Und unser Stimmungsbarometer steigt wieder erheblich. Lediglich die Zimmersuche gestaltet sich in diesem touristisch kaum erschlossenen Landstrich recht schwierig.
Eine herrliche Bergstraße führt zum Lacul Izvoru Muntelui, dem Bicazer Meer, wie dieser Stausee auch genannt wird. Die etwa 40 Kilometer weite Strecke um den See schweift in jedes Seitental ab und bietet stets aufs Neue traumhafte Ausblicke auf die türkisfarbene Wasserfläche und die umliegenden Berge, deren Gipfel sich in den Wolken verstecken. Ein kurzer Abstecher bringt uns durch die Bicaz-Klamm hinauf zum Lacul Roşu. Dieser kleine See entstand aufgrund eines Unwetters, das eine Bergspitze abrutschen ließ und so den Bach anstaute. Äste abgestorbener Bäume ragen gespenstisch aus dem Wasser.
Eine Reise durch die Wälder und Gebirge Rumäniens bis hin zur Schwarzmeer-Küste mag einem vielerorts wie ein Trip in die Vergangenheit vorkommen. Das Beste: In Rumänien freut man sich über Besuch die Gastfreundschaft ist riesig.
Anreise
Für Rumänien muss man eine längere Anreise einplanen: Über die österreichischen Autobahnen über Salzburg nach Wien und weiter durch Ungarn via Budapest über Debrecen oder Szeged zur rumänischen Grenze. Rund 1000 Kilometer sinds ab München bis dorthin. An größeren Grenzübergängen muss mit längeren Wartezeiten gerechnet werden. In Rumänien gelten als Höchstgeschwindigkeiten für Motorräder innerorts 50 km/h und außerorts 80 km/h. Außerdem herrscht striktes Alkoholverbot. Das Tankstellennetz ist erstaunlich dicht; bleifreies Benzin ist durch »fara plumb« gekennzeichnet.
Dokumente
Für Rumänien wird kein Visum mehr benötigt, ein gültiger Reisepass reicht aus. Außerdem sind Führerschein, Grüne Versicherungskarte und Fahrzeugschein mitzuführen. Dringend empfohlen: eine private Auslandskrankenversicherung, eine Reisegepäckversicherung sowie eine Vollkasko fürs Motorrad.
Reisezeit
Rumänien liegt im Bereich der gemäßigten kontinentalen Klimazone. Dies bedeutet sehr heiße Sommer und entsprechend kalte Winter. Die besten Monate für einen Motorradurlaub sind Mai und Juni sowie September.
Unterkunft
In größeren Städten sowie an den Badeorten der Schwarzmeer-Küste finden sich Hotels und Pensionen in verschiedenen Preisklassen. Abseits dieser Orte muss man schon mal nach einem Quartier für die Nacht fragen. Privatunterkünfte sind oft mit handgemalten Schildern versehen. Übernachtungen kosteten zwischen zehn und 50 Euro für zwei Personen im Doppelzimmer mit Frühstück, wobei der obere Bereich für ein ausgesprochen gutes Hotel gilt.
Geld
Am besten tauscht man gleich an der Grenze einen größeren Betrag in rumänische Leu um: Für einen Euro erhält man rund 29000 Leu. Weitere Wechselstuben finden sich in allen touristisch orientierten Orten. Mit der EC-Karte kann in größeren Städten Geld abgehoben werden.
Sicherheit
Rumänien ist weitaus besser als sein Ruf die Autoren dieser Reportage fühlten sich niemals unsicher. In Großstädten sollte man, wie überall, sein Fahrzeug in einer Garage oder auf einem bewachten Parkplatz abstellen.
Adressen
Der Reiseveranstalter Fischtours bietet in Zusammarbeit mit dem ADAC eine 16-tägige, geführte Motorradtour durch Rumänien an. Die nächste Gruppe noch sind einige Plätze frei startet am 14. September 2003, der Reisepreis beträgt 799 Euro. Weitere Infos und Buchung unter Telefon 0351/8628500, im Internet unter www.fischtours.de.
Literatur
Für Touristen, die auf eigene Faust durch das Land reisen, empfiehlt sich besonders der handliche Rumänien-Führer aus dem Conrad-Stein-Verlag für 14,90 Euro.Auf der sehr guten Rumänien-Karte von Freytag & Berndt im Maßstab von 1:700000 ist bereits die neue Schreibweise verschiedener Ortsnamen zu finden. Aus dem Buchstaben Î wurde Â. Dagegen finden sich in Rumänien noch viele Ortsschilder und Wegweiser mit alter Schreibweise.
Als wir die Klamm wieder hinunterfahren, öffnet sich der Himmel, und ein heftiger Regenguss prasselt nieder. Die unzähligen Souvenirhändler unterhalb der Felswände schützen panikartig ihre Schätze mit Planen oder Schirmen. Wanderer zwängen sich unter vorspringendes Gestein. Wir pflügen dagegen recht gelassen durch die Pfützen, genießen die Dusche von oben. Nass wie wir sind, checken wir ins nahe gelegene Castel Dracula ein, ein komfortables Hotel mitten im Gebirge. Nicht gerade billig, aber das gute Essen, die Badewanne und die wunderbare Aussicht über das Reich des berüchtigten Grafen rechtfertigt den Preis.
Nach dieser Luxusübernachtung schlagen wir den Weg in die Tiefen der Maramures ein, das hügelige, stark bewaldete Gebiet an der Grenze zur Ukraine und erleben einer Zeitreise in die Vergangenheit. Noch heute werden die Häuser und gehöfte wie seit Generationen aus Holz gebaut und mit kunstvollen Schnitzerin verziert. Pferdefuhrwerke sind das vorherrschende Verkehrsmittel, zumeist beladen mit Holz aus den dichten Wäldern. In einem der Dörfer in der Nähe von Viseu de Sus halten wir schließlich auf einem großen Hof, der von zwei alten Frauen bewirtschaftet wird, die uns gleich mit allerlei Spezialitäten versorgen. Eingelegte Gurken für Rita, sehr lecker, für mich einen selbst gebrannten Þuika, ebenfalls sehr lecker. Wir beschließen, bei den freundlichen Damen die Nacht zu verbringen.
Unser nächstes Ziel ist Siebenbürgen, sozusagen das Herz des Landes. Eine weite, aber traumhaft schöne Etappe. Endlose Wälder und Kurven ohne Ende. Gegen Nachmittag erreichen wir Sighişoara, ein mittelalterliches Kleinod mit verblichenen Fassaden, unzähligen Türmen und kopfsteingepflasterten Gassen. Rita und ich erklimmen den berühmten Stundenturm, von dem man einen tollen Blick über die verwinkelten Häuser der Altstadt und hinüber zur orthodoxen Kathedrale hat.
Drei Tage erkunden wir die Stadt, dann zieht uns die Neugier weiter. Und zwar weiter südwärts, wo sich nach kurzer Zeit durch den flimmernden Dunst vage die Konturen des Făgăraş-Gebirges am Horizont abzeichnen, bis wir Sibiu, die ehemalige Hauptstadt Siebenbürgens, erreichen. Doch uns steht der Sinn nicht nach großstädtischem Gewühl, wir peilen lieber die Karpaten an und halten uns von nun an nur noch auf Nebenstrecken auf. Zum Beispiel die Nr. 76c. Der letzte größere Ort an dieser Straße heißt Şugag, dann folgen 60 Kilometer unbefestigter Weg. Absolute Einsamkeit. Abgesehen von der relativ großen Chance, hier einem Bär zu begegnen. Die Nacht verbringen wir in völliger Abgeschiedenheit in einer Holzhütte, die einzigen Menschen, die wir treffen, sind Waldarbeiter.