Zentralamerika lockt mit Superlativen: Panamakanal, Vulkane, Mayastätten, Kaffee und Bananen, wohin das Auge schweift. Wer das alles wie unsere Autorin mit dem Motorrad auf abenteuerlichen Straßen miteinander zu verbinden weiß, hat viel zu erzählen.
Zentralamerika lockt mit Superlativen: Panamakanal, Vulkane, Mayastätten, Kaffee und Bananen, wohin das Auge schweift. Wer das alles wie unsere Autorin mit dem Motorrad auf abenteuerlichen Straßen miteinander zu verbinden weiß, hat viel zu erzählen.
Am Wochenende werden nur verderbliche Güter abgewickelt", knurrt der Zollbeamte im Hafen von Panama-Stadt. Unsere Motorräder gehören eindeutig nicht in diese Kategorie. Ich lege die tiefstmögliche Melancholie in meine Blicke, und der Typ taut tatsächlich auf. Nach einer kleinen Ewigkeit kramt er verfilzte Formulare hervor. Plötzlich zum Latino-Gentleman mutiert, hilft er uns sogar beim Ausfüllen. In Windeseile flitzen wir, soweit das Endurostiefel und Sonnenhitze zulassen, mit den Unterlagen in die Lagerhalle, schrauben unsere Zweizylinder zusammen und rollen fünf Minuten vor Toresschluss mit den Maschinen bei unserem Zöllner vor. Der drückt den letzten Stempel in die Papiere und lässt das Extrasalär für seine Tat in der Hosentasche verschwinden. Zentralamerika kann kommen!
Gleich der erste Weg führt zum Panamakanal, dem größten technischen Wunderwerk, das Mittelamerika zu bieten hat. Seit 1880 haben sich hier Investoren verspekuliert, haben Zigtausende Menschen im Kampf gegen den Dschungel ihr Leben gelassen, bis 1914 der erste US-amerikanische Frachter den 82 Kilometer langen Kanal durchfuhr. Wir beobachten das heutige Treiben von den Miraflores-Docks aus. Rund zehn Stunden manövriert ein Cargoschiff durch die drei Stufenanlagen, wo es von großen Loks durch die Schleusen gezogen wird. Für die Kanalarbeiter ist das Zentimeterarbeit. 13000 Schiffe aus 70 Ländern durchfahren den Kanal jährlich, durchschnittlich 50000 US-Dollar kostet eine Passage, nirgendwo nimmt der Staat mehr ein. Ein irres Spektakel, doch irgendwann reicht es, und wir verkrümeln uns in das ruhigere Landesinnere Panamas.
Kaffeepflanzen und Bananenstauden stimulieren die Sinne entlang der Route. Weitläufige Plantagen ziehen sich auch an Costa Ricas Karibikküste entlang. Doles, Chiquitas und Del Montes wachsen dort. Pestizide verhindern Insektenbefall, dafür müssen die Bewohner mit verschmutztem Grundwasser klarkommen. Seit Anfang des letzten Jahrhunderts bestimmen die großen Konzerne, wo es langgeht. Die Wirtschaft muss boomen, wenige gewinnen, die meisten werden ärmer.
Wir folgen einer neu geteerten Küstenstraße am Pazifik, bis eine kaputte Brücke uns abrupt ausbremst. Tief ist das Wasser nicht, aber voll glitschiger Steine. Mit viel Glück und Gas schlingern wir durch den Fluss. Dann eine Schotterpiste. Die Stoßdämpfer sind überfordert, das Rütteln geht voll in Arme und Beine. Schweißnass erreichen wir den Nationalpark Manuel Antonio, ein Naturparadies. Hier haben wir einen Auftrag zu erfüllen: Wir müssen die Familie von Marcelo finden. Marcelo ist ein Maler, der uns vor ein paar Monaten in Brasilien Zeichnungen für seine Kinder mitgegeben hatte, die mit ihrer Mutter hier irgendwo leben sollen. Tausende von Kilometern haben wir die Zeichnungen wohl behütet. Die Frau soll am Strand einen kleinen Stand haben. Tatsächlich machen wir sie nach kurzem Suchen ausfindig. "Was für eine Geschichte, Ihr seid verrückt", ruft sie begeistert. Sie lädt uns zu sich nach Hause ein, und die Kinder sind ganz aus dem Häuschen, als wir ihnen die Zeichnungen geben.
In Nicaragua wird das Fahren zum Abenteuer. In manchen Asphaltkrater passt ein ganzes 21-Zoll-Vorderrad. Wir holpern über Wellblechpisten, entkommen Flammen, die von brennenden Feldern auf die Straße schlagen, und durchqueren Gräben, die sich mit Asphaltresten abwechseln. Mehr als einmal schlägt die Gabel meines Motorrads durch, das Schutzblech bricht. Erschütterte Erde im Land der tausend Vulkane. Nicht nur geologisch, sondern auch politisch. Nach einer Jahrzehnte dauernden Gewaltherrschaft des Somoza-Regimes, Bürgerkrieg und Wirtschaftsboykott durch die USA gewöhnten sich die Nicas nur langsam an demokratische und soziale Reformen. Alphabetisierung und eine breite Gesundheitsversorgung verbesserten die Lebensbedingungen, doch Korruption und Vetternwirtschaft geben nach wie vor vielerorts den Ton an. All das ändert nichts an der Herzlichkeit und dem Lebensmut der Menschen, denen wir begegnen.
Über Copán in Honduras folgen wir der Mayaroute nach Guatemala. Motorradfahrer zählen in diesem Land wenig. Stinkende Lkw erschweren die Fahrt auf den Fernstraßen. Rücksichtslos drängen uns die Fahrer von der Piste. Die zieht sich vorbei am Amatitlánsee bis ins Panchoytal nach Antigua, das idyllisch von drei hohen Vulkanen umschlossen wird. In der alten Hauptstadt treffen wir Darryl. Der Nordamerikaner eröffnet zufällig heute mit seiner guatemaltekischen Frau Carmen ein Hotel. Einchecken und raus aus den verschwitzten Klamotten, das muss jetzt sein. Darryls koloniale Villa entpuppt sich als Oase mit Dachterrasse, in Antigua selber dreht sich alles um den Tourismus. Zwischen irischem Pub, Wiener Café und dem guten Italiener versteckt sich das guatemaltekische Alltagsleben. Die Vorbereitungen für die semana santa, die Karwoche, laufen auf vollen Touren. Pilger bewegen sich in ganztägigen Prozessionen durch die engen Gassen, es ist das höchste Fest für die Gläubigen.
Das verschlafene Nest Chichicastenango liegt am Ende einer kurvigen Landstraße. Zweimal in der Woche verwandelt sich der Ort in einen großen Marktplatz. Morgens früh, wenn der Nebel sich langsam lichtet, kommen die Maya-Nachfahren mit kleinen Bussen aus den umliegenden Bergdörfern herunter gefahren. Ihre bunten Tücher sind prall gefüllt mit selbst gefertigtem Kunsthandwerk und Lebensmitteln. Beides bieten sie an einfachen Holzständen zum Kauf an. Guatemala ist das größte Färber- und Webzentrum der westlichen Hemisphäre. Ein Spektakel, das Scharen von Touristen anreisen lässt. Auch ich kann nicht umhin: Eine Hängematte wandert in meine Alubox, die aus allen Schweißnähten zu platzen droht.
Hinauf in die dicht bewaldeten Berge holpern wir auf Erdpisten. Vorbei am See Petén Itzá erreichen wir am Nachmittag den legendären Nationalpark Tikal. Mit viel Glück finden wir unweit der Maya-Ruinen einen Platz zum Zelten, Schlangen und Vogelspinnen gehören hier zur Nachbarschaft.
Durch das Brüllen der Affen werden wir in aller Herrgottsfrühe geweckt. Nach einer Tasse Tee und einer Handvoll Kekse machen wir uns auf den Weg, bevor die großen Busse mit den Tagestouristen eintreffen. In der riesigen Anlage sind viele Tempel, Paläste und Wohnkomplexe freigelegt, unzählige Bauten schlummern jedoch noch unentdeckt unter der Erdoberfläche. Irgendwann verlagerten die Maya ihr wirtschaftliches und politisches Zentrum in das angrenzende Tieflandgebiet des heutigen Mexiko. Den Spuren der Maya folgen wir durch die ehemalige britische Kronkolonie Belize bis nach Yucatán. In der Hitze der Karibik werden unsere Tagesetappen immer kürzer, wir sind schon beim Aufpacken morgens schweißgebadet. Eine Mayastätte jagt die nächste, es ist, als riefen die alten Götter: Uxmal, Chichén Itzá, Ek Balam, Tulúm - sagenumwobene Namen, Zeichen- und Zahlensysteme, ein mythologisches Kalendersystem, in dem die Götter das Schicksal der Menschen bestimmten. Schätze voller Rätsel haben die Maya der Nachwelt hinterlassen. Selbst wir fühlen uns von ihnen beschenkt, müssen hier nochmal hin. Die Götter wollen es so.
Ein Trip durch die Länder Zentralamerikas ist kein Zuckerschlecken. Der Reisende wird aber von tropischer Natur, warmherzigen Menschen und geheimnisvollen Maya-Göttern belohnt.
Anreise:
Verschiedene Fluggesellschaften fliegen mehrmals pro Woche nach Panama-Stadt. Unsere Autorin und der Fotograf haben ihre Motorräder per Luftfracht aus Südamerika kommend von Ecuador aus verfrachtet. Am Ende der Reise wurden die Maschinen dann von Cancún aus nach Düsseldorf geflogen. Luftfrachtgesellschaften wie LTU in Düsseldorf oder Transportunternehmen wie Eculine in Hamburg kalkulieren die Transportkosten je nach Ziel und aktueller Wirtschaftslage immer wieder neu. So muss man pro Motorrad und Weg zwischen 500 und 1000 Euro rechnen.
Reisezeit:
Die Staaten Zentralamerikas bieten sich das ganze Jahr über als Reiseziel an. Jede Region hat aufgrund der Regenzeit (November bis April) und Trockenzeit (Mai bis Oktober) unterschiedliche klimatische Bedingungen. Sehr warm ist es im pazifischen Tiefland und an der Karibikküste mit Durchschnittstemperaturen von 25 bis 40 Grad Celsius.
Papiere:
Mit einem mindestens noch sechs Monate gültigen Reisepass erhalten Touristen in den Ländern Zentralamerikas eine Aufenthaltsgenehmigung für 90 Tage. Für die temporäre Einfuhr eines Motorrades (in der Regel gegen eine geringe Gebühr) werden internationaler Führerschein und internationaler Fahrzeugschein benötigt. Ein Carnet de Passage ist nicht erforderlich. Der Zeitraum der temporären Einfuhrgenehmigung des Fahrzeugs (in der Regel ebenfalls 90 Tage) wird zusätzlich zum ausgehändigten Dokument in den Reisepass gestempelt. Eine Haftpflichtversicherung für die Motorräder kann (außer für Mexiko und Costa Rica) bereits in Deutschland abgeschlossen werden. An der Grenze von Costa Rica muss man eine staatliche Pflicht-Versicherung abschließen.
Gesundheit:
Neben den obligatorischen Impfungen wie Tetanus, Polio und Diphterie sind Impfungen gegen Hepatitis und Tollwut ratsam. Eine kleine Notapotheke mit Mitteln gegen Schmerzen, Fieber, Durchfall, Stiche sollte im Gepäck ebenso wie ein wirksamer Mückenschutz nicht fehlen. Die ärztliche Versorgung ist vor allem in ländlichen Gebieten unzureichend.
Motorradfahren:
Das Tankstellennetz in den einzelnen Ländern Zentralamerikas ist in der Regel auch für Motorräder mit kleinen Tanks ausreichend, der Sprit hat meistens über 90 Oktan. Aufgrund der zum Teil schlechten Straßenverhältnisse empfiehlt sich zum Reisen eine Enduro.
Literatur/Karten:
Von der Autorin ist folgender Reisebildband zum Thema im Buchhandel erhältlich: Lateinamerika im Visier. Teil 2 - Zentralamerika, Angela Schmitz, NZVP-Verlag, 25,80 Euro. Central America on a Shoestring, Lonely Planet, 21,50 Euro. Karte: Central America, 1:1100000, ITMB Publishing, 8,95 Euro.