Wer nicht bis zum Frühling warten kann, sollte seine Hausstrecke einfach einmal im Winter unter die Räder nehmen. Impressionen einer Ausfahrt rund um Moritzburg bei Dresden.
Wer nicht bis zum Frühling warten kann, sollte seine Hausstrecke einfach einmal im Winter unter die Räder nehmen. Impressionen einer Ausfahrt rund um Moritzburg bei Dresden.
Schnurgrade und von alten Kastanienbäumen gesäumt führt eine Allee zum alten Fasanenschlösschen. Ich spüre die verwunderten Blicke der vielen Spaziergänger. Der Kerl ist verrückt, mögen die meisten sicherlich denken. Dabei ist Motorrad fahren kaum gefährlicher als Schlittschuhlaufen, rede ich mir ein. Der Teich, in dessen Mitte das prächtige Bauwerk mit den vier markanten Rundtürmen wie auf einer Insel steht, ist längst Zentimeter dick zugefroren, und überall sind Leute auf Kufen unterwegs.Vorbei an der historischen »Waldschänke«, in der schon Erich Honecker und andere Persönlichkeiten gerne zu Gast waren, rollt die Twin über die Allee weiter bis zu diesem wunderschönen Barockschloss. Eine kleine Mole führt von hier hinaus in den See, und an deren Ende befindet sich sogar ein Leuchtturm.Ein wenig später bin ich wieder auf der Hauptstraße in Richtung Radeburg unterwegs. Rechts zieht ein Wildgehege vorbei, welches neben einheimischen Wild auch Wölfe und Elche beherbergt. Schließlich fällt die Straße leicht ins Promnitztal hinab, und bei Berbisdorf biege ich zwischen aufgetürmten Schneebergen in Richtung Bärnsdorf ab, um schließlich auf einem nicht geräumten Weg zum Wettiner Reit- und Falknerhof zu gelangen. Hier haben Schafe, Ziegen, Schweine, Pferde und ein Kamel eine idylische Heimat.Wieder zurück in Bärnsdorf, zieht ein langgezogenes Pfeifen meine Aufmerksamkeit auf sich qualmend und zischend schnauft eine alte Dampflok heran. Auf schmaler Spur schleppt sie ein paar grüne Personenwaggons von Radebeul ins 16 Kilometer entfernte Radeburg. Wie von selbst lenkt die Honda dem Zug hinterher. Wieder streifen wir Berbisdorf, dessen verstecktes Wasserschloss anscheinend dem Verfall preisgegeben ist, queren die Gleise, kurven bis Radeburg und haben dabei immer den rauchigen Geruch der Kleinbahn in Nase und Luftfilter. Den gepflasterten Gassen folgend, gelange ich bis zum geschäftigen, von Bürgerhäusern eingerahmten Marktplatz. Wesentlich mehr Trubel herrscht dort in den ersten Februartagen, wenn die Stadt zur Hochburg der hiesigen Narren wird, bis schließlich alles in einen weithin bekannten Karnevalsumzug gipfelt. Einen noch viel größeren Bekanntheitsgrad genießt ein Radeburger Bürger, ein Herr namens Heinrich Zille. Der berühmte Ur-Berliner Milieu-Zeichner wurde hier geboren. Ja, hier, mitten in Sachsen!Inzwischen ist das Zwicken in den Fingerspitzen, das ich vor einer halben Stunde noch verdrängt hatte, stärker geworden. Ich kann es nicht mehr ignorieren. Pünktlich zum Sonnenuntergang kommt die Kälte, kriecht in die Handschuhe und lässt den Straßenbelag glitzern. Vorsichtig tuckert die Africa Twin nach Hause. Wintertage sind leider sehr kurz und ich bin einfach viel zu spät losgefahren.Am nächsten Morgen mache ich einen neuen Versuch. Eine feine Reifschicht hat das Motorrad überzogen. Die ersten Meter sind wie so oft im Leben die schwierigsten. Zuerst gehts den steilen Hof hinab, und an Bremsen ist auf dem glatten Grund nicht zu denken. Eingeschränkter Winterdienst eben. Wie auf der Straße. Ein Schild warnt vor Skifahrern. Wirklich! Wieder nehme ich die Allee in Richtung Moritzburg unter die Stollen. Herrliches Wetter. Zwischen den Bäumen strahlt die Sonne hindurch und bringt die mit Raureif überzogenen Äste zum Glitzern. Ein wunderbares Wechselspiel aus Licht und Schatten liegt über dem Land.Heute lasse ich das Moritzburger Schloss rechts liegen, parke die Honda dafür am Abfluss des Schlossteichs. Der nahe Parkplatz ist bereits belegt, und am Ufer stehen viele Spaziergänger, um für eine Weile den Eisläufern zuzusehen. Ein Imbisswagen macht schon jetzt am Vormittag guten Umsatz mit Grog und Glühwein. In dem Moment, als der Motor meiner Honda wieder anspringt, wenden sich alle in meine Richtung und hoffen sicherlich auf eine sehenswerte Eskapade. Doch ich halte mich genau an die schmale, mit Sand gestreute Spur hinüber zur Straße und bringe tatsächlich einen halbwegs geordneten Abgang hin. Schnell lasse ich das Getümmel hinter mir und wende mich den vereinsamten Straßen zu. Ein paar Kilometer weiter ziehen sich die Wälder zurück, und weite, gefrorene Felder prägen die Landschaft, die in der gleißenden Wintersonne unwirklich glänzen und sich im Dunst allmählich mit dem matten Blau des Himmels vermischen. Wie berauscht gleite ich durch immer neue Varianten von Weiß und Blau. In der Senke des Rödertals halte ich an, um für einen Moment meine eiskalten Hände an den Zylindern zu wärmen.»Na, ist wohl nicht das richtige Wetter zum Motorrad fahren?« Unbemerkt ist ein alte Bauer herangekommen. Beim Anblick seiner grauen Wattejacke, dem speckigen Hut und den Filzstiefeln fühle ich mich um Jahrzehnte zurückversetzt. Das zerfurchte Gesicht drückt Besorgnis aus. Ohne mich zu Wort kommen zu lassen, deutet er auf die kleinen, eher lieblichen Wellen der Großen Röder: »Wenn der ganze Schnee taut, gibt`s ein schlimmes Hochwasser.« Dann stiefelt er wieder davon.Ich peile das Dörfchen Schönfeld mit seinem Schloss an. Im Gegensatz zur stets gut besuchten Moritzburg schmiegt sich dieses malerische Gebäude nahezu verschlafen in den umgebenden Park. Um diese Jahreszeit wirkt es geradezu verwunschen. Ohne irgendwelche Hindernisse umrunde ich den ausgestorbenen Schlosshof, kein Einfahrt-verboten-Schild, keine Menschen ich bin der einzige Besucher und unternehme eine kurzen Spaziergang durch den Park.Ungeduldig wartet die Africa Twin, sie hat wohl das Bollern eines Einzylindermotors vernommen, das dumpf über die Parkmauer dringt. Also ist noch jemand außer mir auf zwei Rädern unterwegs. Doch bis ich die Straße erreicht habe, ist das Geräusch schon wieder verschwunden. Hinter welchen Öfen hocken eigentlich all die anderen Motorradfahrer bei diesem tollen Wetter? Leute, ihr verpasst was!Nach dieser etwas längeren Pause zerren die Pferde heftig an der Kette, und weiter geht´s Richtung Süden. Das grelle Winterlicht versetzt mich in eine Art Rausch. Bäume und Häuser fliegen vorbei, ebenso kleine, murmelnde Bäche, die sich der Kraft des Frostes widersetzen. Allerdings muss ich mehr als sonst aufpassen. Die Sonne blendet so stark, dass kleine Schneezungen, die bis auf die Straße reichen, leicht übersehen werden können. Bald quere ich wiederum den Lauf der Großen Röder, dann verschlingen mich die Moritzburger Wälder, durch deren Bäume das Sonnenlicht schon nachmittäglich schräg einfällt.Nach Einbruch der Dunkelheit stehe ich ein weiteres Mal vor dem Moritzburger Schloss. Es ist so wunderschön beleuchtet, dass ich vom Sitz der Honda klettere und vorsichtig den gefrorenen See überquere. Nichts erinnert mehr an den Trubel des Tages, keine Menschenseele gleitet mehr übers Eis. Ein paar Sterne leuchten mit den Lampen um die Wette, und es ist still. Und kalt.
Ein Wochenende Zeit? Dann auf nach Dresden. Und nach einem Stadtbummel die Gegend rund um Moritzburg erkunden. So kommen weder das kulturelle Gewissen noch der Fahrspaß zu kurz.
Anreise: Die beschriebene Tour verläuft nördlich von Dresden, wohin man von Norden über die A 13 oder aus Richtung Westen über die A 14 gelangt. An den Ausfahrten »Dresden Wilder Mann« oder »Dresden Flughafen« ist Moritzburg ausgeschildert. Die Ausfahrten Radeburg und Marsdorf führen ebenfalls in die beschriebene Region.Allgemeines: Die so genannte Moritzburger Kleinkuppen- und Teichlandschaft wird wie der Name bereits vermuten lässt von unzähligen Hügeln, Teichen und außerdem einem ganzen Arsenal winziger Strecken geprägt. Nördlich von Radeburg wird die Landschaft flacher und geht in die Großhainer Pflege über.Sehenswürdigkeiten: Allein Moritzburg bietet eine Vielzahl an historischen Bauten. Allen voran das Jagdschloss. Es beherbergt unter anderem die stärkste Rothirschtrophäe der Welt. Am Großteich gelegen, lockt das Fasanenschlösschen mit Mole und Leuchtturm. Für einen kleinen Zwischenstopp eignet sich das Zentrum von Radeburg mit seinem historischen Marktplatz und dem Heimatmuseum. Den nördlichsten Punkt der Reise bildet das Schloss Schönfeld im gleichnamigen Ort nahe der A 13. Das etwas versteckte Gebäude bietet neben seiner interessanten Außenfassade auch prachtvolle Innenräume.Aktivitäten: Wer nicht nur Motorradfahren will, findet rund um Moritzburg auch ein ideales Fahrrad- und Wanderterrain. Ebenso kommen Reitfreunde auf ihre Kosten, wenn sie zu Pferde den Moritzburger Forst erkunden. Die Reiterhöfe sind ausgeschildert. Im Sommer laden außerdem viele Freibäder zum Baden und manche Seen zum Rudern ein.Übernachten: Moritzburg bietet eine Vielzahl an Hotels, Pensionen und Privatzimmern sowie im Sommer an den Teichen einige Campingplätze. Auch abseits der genannten Touristenzentren wird man ein Bett finden, aber das Speiseangebot beschränkt sich dann auf die jeweiligen Dorfgasthöfe. Die Touristinformation Moritzburg hilft gerne bei der Zimmersuche: Telefon 035207/8540. Oder man fragt gleich direkt bei einem der folgenden Hotels nach: Hotel Deutsches Haus, Heinrich-Zille-Straße 5, 01471 Radeburg, Telefon 035208/9510; Hotel & Landgasthof Berbisdorf, Hauptstraße 38, 01471 Berbisdorf, Telefon 035208/2027; Pension Marlis, August-Bebel-Straße 86, 01468 Reichenberg, Telefon 0351/8960065, www.pension.marlis@t-online.de; Hotel und Restaurant Waldschänke, Große Fasanenstraße, 01468 Moritzburg, Telefon 035207/8600 www.churfürstliche-waldschaenke.deZeitaufwand: je nach Witterung ein oder zwei TageStreckenlänge: 150 Kilometer