Die Superbike-IDM-Saison 2016 begann unter schwierigen Vorzeichen. Die deutsche Motorsport-Föderation DMSB schien sich nicht sonderlich für die nationale Motorrad-Straßenmeisterschaft zu interessieren. Das erschwerte die Arbeit für den Promoter MotorEvents ebenso wie der Rückzug des ADAC aus der IDM. MOTORRAD fragte nach, welche Vorstellungen der ADAC zu Funktion und Format der Spitzenserie im nationalen Motorradsport hat.
Herr Tomczyk, wie beurteilen Sie die aktuelle Situation des Motorrad-Straßensports in Deutschland?
Die Situation ist schwierig, da es offenbar in den vergangenen beiden Jahren nicht gelungen ist, die Superbike-IDM als deutsche Motorrad-Straßenmeisterschaft auf eine Plattform zu stellen, wie sie sich die an der IDM Beteiligten wünschen. Das gilt auch für den ADAC, der mit seinem Junior-Cup in der IDM vertreten war.
Halten Sie es für wichtig, dass wir in Deutschland eine gut funktionierende nationale Straßenmeisterschaft haben?
Ich bin überzeugt davon, dass es sehr wichtig ist, eine vernünftige Plattform zu haben, um Nachwuchs ausbilden zu können. Wo hätte ein Markus Reiterberger sonst die Bühne gefunden, von der aus er jetzt in die Superbike-WM aufgestiegen ist? Oder ein Matthias Meggle, der es jetzt in den Red Bull Rookies-Cup geschafft hat?
Die nationale Meisterschaft sollte als Sprungbrett für die Talente aus dem eigenen Land in internationale Meisterschaften dienen?
Grundsätzlich ja. Mit der Einsicht, dass wir jetzt mit der Moto3-Klasse etwas machen müssen. Und dass der deutsche Markt für so ein Moto3-Projekt offenbar zu klein ist und deshalb europäisiert werden muss. Mit dem vom ADAC aufgelegten Northern Europe Cup versuchen wir, Moto3 zu einem Nachwuchsthema zu machen, das mit möglichst vielen Grand Prix-Strecken für junge Starter interessant ist.
Vergangenes Jahr liefen der Northern Europe Cup und der ADAC-Junior-Cup im Rahmen der IDM, für dieses Jahr ist der ADAC ausgestiegen. Was war der Grund für den Ausstieg? Zu hohe finanzielle Forderungen des IDM-Promoters MotorEvents oder Unzufriedenheit mit der aktuellen Form der IDM?
Ich werde niemanden kritisieren, der sein Bestes tut, um die IDM ins Laufen zu kriegen. Wir haben bei manchen Themen grundsätzlich unterschiedliche Vorstellungen. Die Bewertung, ob ein IDM-Pool-Partner eine bestimmte Leistung zu teuer bezahlt oder nicht, ist eher nebensächlich. Wir haben uns der Moto3-Serie angenommen, als die Klasse nicht mehr ausgeschrieben war und auch nach Anlaufschwierigkeiten an ihr festgehalten – das wäre in der IDM nicht möglich gewesen. Aber es geht letztendlich nicht darum, in allen Klassen möglichst hohe Starterzahlen zu haben.
Dadurch, dass der ADAC seinen Junior-Cup und den Northern Europe Cup aus der IDM abzieht, fehlen dem Promoter der IDM gut besetzte Rennklassen und damit die Einnahmen aus deren Startgeldern. Das trägt also nicht zur Stabilisierung der IDM bei. Wie kann dieses Problem gelöst werden?
Gute Frage. Aber in der Zeit, in der ich sowohl beim ADAC als auch beim DMSB für den Motorradrennsport zuständig war, gab es mehrere Entscheidungen, die zunächst unvernünftig oder unpopulär ausgesehen haben, sich später aber doch als der richtige Weg herausstellten. Wo stand der Motocross-Sport vor elf Jahren in Deutschland? Es war damals nicht populär, dass wir die Internationale Deutsche Motocross-Meisterschaft zum ADAC genommen, die Klasseneinteilung neu gemacht und die Junioren als Unterbau installiert haben. Das funktioniere alles nicht, hieß es. Es funktioniert aber doch recht gut. Vielleicht muss man mit dem Lauf der Zeit neue Wege gehen, ob sie populär sind oder nicht.
Müsste unter diesem Aspekt aktuell ein neues Format für die nationale Meisterschaft, die Superbike-IDM, gefunden werden? Um wieder mehr Leute für den Sport zu interessieren und an die Rennstrecken zu locken?
Man muss grundsätzlich – und das gilt für den gesamten Motorsport in Deutschland – alles ständig auf den Prüfstand stellen und fragen, ob das alles, was wir da anbieten, noch das Richtige ist. Ich maße mir nicht an, zu sagen: Macht es im Motorradsport so und so, dann funktioniert’s. Die durchschnittlichen Starterzahlen bei Motorradrennen sind problematisch. Wenn ich auf schönen Rennstrecken wie dem Nürburgring oder dem Hockenheimring fahre, sind die Kosten dafür heute wesentlich höher als vor einigen Jahren – ob das die Streckenmiete ist, Kosten für Sicherheit oder Versicherungen. Eine IDM-Veranstaltung nach jetzigem Format auf dem Nürburgring ist für einen normalen Veranstalter gar nicht mehr refinanzierbar. Deshalb müssen sich die Motorradspezialisten über neue Wege Gedanken machen. Wie es die DTM mit den IDM-Superbikes versucht hat – vielleicht gibt es da günstigere Zeitpläne für so ein Wochenende, mit denen sich die Kosten etwas eindämmen lassen. Die Rennen selbst sind meiner Meinung nach gerade im Motorradsport extrem interessant. Deshalb kann es nicht nur an der Qualität der Show oder der Fahrer liegen. Trotzdem muss man sich die Frage stellen, ob etwas anders gemacht werden kann, damit es besser läuft.
Passiert da Ihrer Meinung nach bei der Superbike-IDM zu wenig? Vielleicht, weil MotorEvents alle Hände voll damit zu tun hat, finanziell überhaupt über die Runden zu kommen?
Das glaube ich ehrlich gesagt nicht. Niemand sollte glauben, dass es gleich läuft, wenn man alles macht, was gut und schön ist. Ich erinnere mich noch an die Zeit, als der DMSB die IDM gemacht hat. Da hieß es: Wir brauchen Fernsehen, wir brauchen im Fahrerlager dieses und jenes, wir brauchen große Hospitalities. Ich glaube, dass der Sport selbst das alles nicht braucht. Der braucht eine Plattform, die so attraktiv ist, dass Zuschauer kommen – ob das nun die reinen Rennfans sind oder ob das künftig Familien-Events sein werden.
Hat der Motorradsport in Deutschland das Problem, dass im Vergleich zum Automobilsport eine wesentlich kleinere Industrie hinter ihm steht, mit geringeren Budgets für die Unterstützung des Motorsports?
Das ist sicher ein Grundproblem des Motorradsports, da ist das Geld wesentlich knapper. Deshalb muss auch die Frage erlaubt sein, ob man die IDM ganz neu aufstellt und erst einmal wieder aufbaut, bis man erneut auf einem hohen Niveau angekommen ist.
Sie und der ADAC sind grundsätzlich der Meinung, dass eine nationale Meisterschaft dafür da sein soll, dass deutsche Talente sich dort für eine Zukunft auf internationalem Niveau vorbereiten können. Die Hersteller und Importeure, die in der Superbike-IDM derzeit sagen, wo es langgeht, haben jedoch wenig Interesse an so einer Jugendarbeit. Ist es störend, dass die Industrie einen so großen Einfluss hat?
Wie viel Platz haben Sie in Ihrem Heft? Das ist ein Riesenthema, über das man sich separat nochmals unterhalten müsste. Wenn junge Leute bei uns nicht auf einem Wettbewerbslevel Rennen fahren können, auf dem erkennbar ist, wie ihre Leistung im internationalen Vergleich aussieht, macht das auch für die Jungs keinen Sinn. Bisher war es so, dass einer, der hier dreimal die IDM 125 gewann und das erste Mal in Spanien startete, dann im hinteren Drittel fuhr. Wir müssen eine sportlich starke nationale Auswahl in einem vernünftigen Wettbewerb haben. Da könnten eventuell weniger und dafür größere Klassen oder einfachere Reglements auch ein Weg sein.
Prinzipiell ist die IDM bei MotorEvents gut aufgehoben. Aber es gibt auch so große Probleme, dass MotorEvents für die Zukunft der IDM nicht mehr als Promoter zur Verfügung stehen könnte. Wäre der ADAC bereit, als Veranstalter einzuspringen?
Wir werden erst einmal die Saison beobachten. Zunächst hoffe ich jedoch, dass auch unsere beiden Serien weiterlaufen. Man muss ja keinen Hehl daraus machen, dass der ADAC Junior-Cup stärker besetzt sein könnte. Daran arbeiten wir, aber wir können die möglichen Teilnehmer ja nicht aufs Motorrad tragen. Jedem den kompletten Einsatz zu bezahlen, wäre die falsche Entwicklung. Wir müssen also bei uns selbst schauen, wie wir den Junior-Cup wieder besser besetzt kriegen. Wenn der ADAC Northern Europe Cup so läuft, wie sich das jetzt abzeichnet, wäre das ein guter Anfang. Und wenn die IDM, die ja dieses Jahr auch extrem starke Klassen mit guten Fahrern und Teams hat, sich einigermaßen auf dem bisherigen Niveau hält, spricht nichts dagegen, für 2017 darüber nachzudenken, wieder das eine oder andere gemeinsam zu machen.
Eventuell mit dem ADAC als Promoter, wenn für 2017 einer gesucht werden sollte?
Aktuell haben wir nicht den Eindruck, dass es gewünscht ist, dass wir die Promoter-Rolle übernehmen. Es gibt einen Promoter – insofern stellt sich für uns diese Frage nicht.