Best of Chris Pfeiffer
Scheinbar schwerelos …

Seine akrobatische Beherrschung von Körper und Motorrad begeisterte Menschen weltweit. Ein Jahr nach seinem offiziellen Abschied aus dem aktiven Stunt Riding hat MOTORRAD den mehrfachen Weltmeister besucht, mit ihm auf die Highlights zurück- und in die Zukunft vorausgeschaut.

Scheinbar schwerelos …
Foto: Red Bull

Motorrad fahren konnte er schon, noch bevor er begann das Lesen und Schreiben zu lernen – Christian Pfeiffer, ein Kind aus dem Allgäu. Und ein Ausnahmetalent, das seine Bestimmung gefunden hat im Austricksen (er selbst sagt „Nutzen“) der Schwerkraft mithilfe von Ausdauer, Willen, Konzentration, perfekter Koordination, Gelenkigkeit und einem sagenhaften Gefühl für Motorräder. 20 Jahre lang war Christian Pfeiffer, heute 46, als Profi-Fahrer unterwegs, seit 2001 international. Er begeisterte mit seinen Stuntshows Menschen in 94 Ländern auf allen Erdteilen, war in den USA umjubelter Star vor einer Viertelmillion Zuschauer im Rahmenprogramm eines Nascar-Rennens, wurde von Valentino Rossi am Sachsenring gesehen, anschließend zur Privatparty des Rennsport-Idols nach Italien eingeladen und ist selbst je vierfacher Stunt-Welt- und Europameister. „Ich habe das Stunt Riding salonfähig gemacht“, sagt er über sich.

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Und „ich wollte Sport zeigen, unterhaltsamen Sport. Ich glaube, das habe ich geschafft.“ Profis wie Chris Pfeiffer gibt es nur eine Handvoll weltweit. „20 in Europa, je zehn in Asien und Amerika“, schätzt er. Vier seiner fünf Show-BMWs waren per Luftfracht ständig irgendwo auf der Welt unterwegs. Eine hatte er immer daheim im Allgäu stehen. Zum täglichen Trainieren. Dazu kamen Hard Enduro-Rennen, etwa am berühmten Erzberg, oder das Gilles Lalay Classic, das als härtestes Enduro-Rennen der Welt gilt, sowie diverse Weltrekorde in Freestyle-Motorrad-Akrobatik. Vor einem Jahr hat Christian Pfeiffer, der früher eigentlich Biologie- und Sportlehrer werden wollte, überraschend seine Profi-Karriere für beendet erklärt und sich komplett aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Er hat die Zeit genutzt, um nachzudenken, sein Leben neu zu planen. Das Ergebnis: Motorräder und was man Einzigartiges damit anstellen kann, sollen auch künftig darin vorkommen, hat er jetzt erklärt – mehr dazu im Interview unten. Nur Stunt-Shows, mit denen er regelmäßig etwa im Rahmen der BMW Motorrad Days begeistert hat, wird er nicht mehr fahren. Grund genug für MOTORRAD, hier ein Best of des Extremsportlers zu zeigen.

Interview mit Chris Pfeiffer

Christian Pfeiffer. Der Allgäuer über sein Leben am Limit, die Familie, wie das alles zusammenpasst.

MOTORRAD: Na, heute schon auf dem Hinterrad gefahren?

Christian Pfeiffer: Nein, aber um halb sieben in der Früh mit meiner Tochter in einem Bergbach schwimmen gewesen. Und danach hab ich mit dem Mountainbike Semmeln geholt. Wheelies gibt es erst heute Abend.

MOTORRAD: Wheelies? Vor ziemlich genau einem Jahr hast du deine Karriere für beendet erklärt.

Christian Pfeiffer: Das ist richtig. Ich fahre keine Shows mehr, da war einfach ein gewisses Limit erreicht. Aber ich werde heute Abend mit Aras trainieren, einem äußerst talentierten Fahrer aus Vilnius, Litauen, der mit 26 genau 20 Jahre jünger ist als ich.

MOTORRAD: Limit, Alter? Ist da etwa ein Zusammenhang?

Christian Pfeiffer: Na logisch (grinst breit). Ich bin eben jetzt so weit, von der aktiven in die Trainer-Liga aufzusteigen. Und das macht mir wahnsinnig Spaß.

MOTORRAD: Das heißt, du bist so was wie ein Mentor für einen jungen Fahrer? Was zeichnet ihn aus?

Christian Pfeiffer: Ja, Mentor, Trainer, kann man schon so sagen. Ich habe im Lauf der Jahre ja viele andere Fahrer gesehen. Und bei Aras sage ich: Der Junge hat Potenzial, eine unglaubliche Körperbeherrschung, und er will etwas bewegen.

MOTORRAD: Ein potenzieller Nachfolger für deine Shows?

Christian Pfeiffer: Wenn du so willst.
 
MOTORRAD: Lass uns über deine internationalen Auftritte reden. Dein Leben auf Achse. Fehlt dir das?

Christian Pfeiffer: Nein, gar nicht. Auch nicht das Im-Mittelpunkt-Stehen, der Trubel um die eigene Person. Nein, das habe ich jahrelang gehabt, habe es auch genossen, war auf der ganzen Welt unterwegs, habe mich aber auch selbst dabei ausgebeutet.

MOTORRAD: Beschreib das doch bitte mal näher.

Christian Pfeiffer: Nimm 2013, mein aktivstes Jahr. Da hatte ich 95 Show-Tage. Tage, wohlgemerkt, mit im Schnitt 2,5 Shows irgendwo auf der Welt. Macht knapp 240 gefahrene Shows – plus die Reisen, Organisation und Projekte, jedes Wochenende weg …

MOTORRAD: Und dein Familienleben? Du hast drei Kinder.

Christian Pfeiffer: Du sagst es. Davon hatte ich nicht viel. Umso mehr genieße ich meine Zeit jetzt. Meine Frau ist heute unterwegs. Zu Mittag habe ich für die Kinder Pasta Bolognese gemacht, wir haben im Garten gegessen, haben uns unterhalten, es war herrlich. Das lädt einem die Batterie wieder auf.

MOTORRAD: Dass die je leer ist, kann man sich bei einem Energiebündel wie dir gar nicht vorstellen.

Christian Pfeiffer: Was heißt leer? Ich habe mir halt die Frage gestellt: Wie geht’s weiter? Hab viel nachgedacht. Auch darüber, ob ich mir einen Wald und einen Traktor kaufen soll.

MOTORRAD: Und, hast du?

Christian Pfeiffer: Nein! Ich genieße es, jeden Tag in der Natur Sport zu treiben. Und wie mein neunjähriger Sohn mit seinem Kinder-Trial-Motorrad hier herumpest, seine ersten Wheelies probiert. Übrigens genau auf der Wiese, auf der ich auch damit angefangen habe. Das ist toll, durch nichts zu ersetzen.

MOTORRAD: Mal abgesehen von Trainer und Mentor, was sind deine weiteren Pläne?

Christian Pfeiffer: Aus dem Schuppen voller Oldtimer, die mein Vater seit den 60ern gesammelt hat, haben wir über den Winter eine Ardie BZ 350 restauriert. Ich trainiere auch wieder regelmäßig auf meinen Stuntbikes, fünf BMW F 800 R, und sporadisch auch Motocross und Trial, um fit zu sein für Film- und Fotoaufnahmen und spezielle Projekte.

MOTORRAD: Was für Projekte meinst du da konkret?

Christian Pfeiffer: Ähm, wie soll ich das beschreiben? Eigene Ideen verwirklichen, an ungewöhnlichen Orten Motorrad fahren. Zum Beispiel hab ich versucht, den Großglockner nur auf dem Hinterrad hochzufahren. Das wäre mir um ein Haar gelungen. Red Bull hat alles aus dem Heli gefilmt. In der letzten Kehre hat mich dann eine Windböe umgeblasen. Oder auf dem Dach des BMW-Vierzylinders mitten in München fahren. Das hat vor mir noch nie jemand gemacht, und ich hatte einen irren Spaß dabei. Den Film findet man im Internet, einfach Pfeiffer und Vierzylinder googeln. Was ich sonst noch so treibe, steht auf meiner Facebook-Seite*.

*fb.me/chris.pfeiffer.stuntriding

Titel und Siege von Chris Pfeiffer

1985 Deutscher Jugend-Meister im Trial
1988 Deutscher OMK-Pokalsieger Trial
1996

Sieger der Eurosport-Offroad Challenge

Sieger des Erzbergrennens, Österreich

1997 Sieger des Erzbergrennens, Österreich
2000 Sieger des Erzbergrennens, Österreich
2003 Sieger der Stunt Riding-WM, Tschechien
2004

Sieger der Stunt Riding-EM, Schweiz

Sieger des Erzbergrennens, Österreich

2006

Sieger der Stunt Riding-EM, Finnland

Sieger der Stuntwars, Florida/USA

2007

Sieger der Indoor Streetbike Freestyle-WM, Schweiz

Sieger der Stunt Riding-EM, Niederlande

2008

Sieger des Stunt Riding-WM, Schweiz

Sieger der Stunt Riding-EM, Österreich

2009

Sieger des Stunt Riding-WM, Schweiz

Sieger der Stunt Riding German Open, Hockenheim

2010

Sieger der Stunt Riding German Open, Hockenheim

Sieger der Stunt Riding German Championships, Ho­ckenheim

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MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023