Holger Aue Motomania-Comic-Zeichner Porträt

Comic-Zeichner Holger Aue im Porträt Der Motomania-Mann

Seine Seite steht in MOTORRAD weit hinten, doch viele Leser schlagen sie als erste auf. Seit Oktober 1994 bringt Holger Aue die MOTORRAD-Leser zum Schmunzeln. Das bedeutet 577 Folgen am Stück, denn ausgefallen ist Motomania nie. Und Aue hat noch einiges auf Lager.

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Natürlich wird auch Holger Aue mal krank. Wer wird das nicht? Selbst hier, in der frischen und deftigen Landluft des kleinen Dorfs irgendwo vor den Toren Hamburgs. Aber geliefert hat er trotzdem immer pünktlich, denn Aue produziert für alle Fälle vor. So rennen, rasen, stürzen, putzen und schrauben seine Helden schon für einige Hefte im Voraus an der Wand seines Arbeitszimmers in dem kleinen roten Ziegelhaus. Aue exklusiv, sozusagen.

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Seine Protagonisten – als MOTORRAD-Leser kennt man sie aus dem Effeff: Harry Quiddelbacher mit seiner orangenen, ewig kaputten 750er-Laverda, Bernd ­„Brembo“ Breitscheid mit einer Eigenbau-Rau-Kawasaki, Hinnerk „Wheelie“ Wippermann mit seiner 900er-Cagiva Elefant oder Holli Hatzenbach mit seiner Moto Guzzi Le Mans II – diese Typen muss man mögen. Hatzenbach ist unverkennbar des Zeichners Alter Ego, die Nachnamen der Helden offenbaren intime Streckenkenntnis seines Lieblingsgeläufs, der Nürburgring-Nordschleife. Seit er dort das erste Mal am Kassenhäuschen stand („damals kostete die Runde sechs Mark“), ist er der Grünen Hölle verfallen, ja süchtig. In schöner Regelmäßigkeit ist der Eifelkurs daher nicht nur Schauplatz seiner Comics, sondern auch seiner Instruktorentätigkeit beim MOTORRAD action team. Wenn’s pressiert, umrundet er den Kurs in acht Minuten. Kenner wissen, was das heißt.

Kein Wunder also, dass die oft skurrilen Erlebnisse seiner norddeutschen Jungs – und die der vielen anderen Figuren, die Aue in 22 Jahren rund um sein Thema Motorrad ersann – auch nicht irgendwelche Fantasieprodukte sind. Diese Schräglagen, Bremspunkte, aberwitzigen Manöver – das sind Aues Geschichten. Oder zumindest ist es seine pointierte Sicht der Dinge, denn der 56-Jährige hat über die Jahre einen eigenen, sehr schelmischen, philanthropischen Blick entwickelt für das Typische, Amüsante und Komische in unserer Motorrad-Welt. Das überspitzt er dann gnadenlos, bringt es auf den Punkt, mit einem bestechenden Blick für die Details. „Das muss man leben“, ist sich Aue sicher.

Wer einen Blick in seine Garage wirft, der versteht. Eine Le Mans II steht da, seine erste Guzzi, die er nie verkauft, dafür aber über die vergangenen 30 Jahre umso intensiver optimiert hat. Holger nutzt sie bei ausgiebigen Landstraßentouren. Für die Rennstrecke, neben dem Zeichnen und Partnerin Doris seine dritte große Leidenschaft, hat er mittlerweile Besseres. Zum Beispiel seine (extrem modifizierte) Renn-Guzzi, sein Einsatzgerät für die „Supertwins“ bei art motor. „Echte 120 PS, 175 Kilo ohne Sprit!“ Aues Augen strahlen, darauf ist er richtig stolz. Kann er auch, ebenso wie auf seine Rundenzeit. „1.36,5 Minuten in Oschersleben mit der Guzzi. Und mit modernem Hochleistungsmaterial gehen auch 1.33er-Zeiten.“ Das ist stramm, da kommen andere nicht einmal mit einer Mondrakete hin. Aue zieht den Strich auf seiner Guzzi so sauber wie den mit dem Zeichenstift – was ihm schon WM-Einsätze bei der Speedweek in Oschersleben einbrachte. Und einen Sieg beim Fischereihafenrennen.

Dass das Nordlicht Aue es am liebsten italienisch mag, davon kündet die südeuropäische Sammlung in seiner Garage. Eine dunkelgrüne Guzzi T3, eine Ducati 998, eine Gilera Saturno und eine Ducati 900 SS, die er derzeit mit Akribie renoviert. Von der KTM RC 8 R konnte er trotzdem nicht lassen. „Weil die mit ihrem tollen Handling und dem genial anschiebenden V2 auf der Rennstrecke so einen riesigen Spaß macht.“ Eine BMW S 1000 RR hatte er auch mal, als er deren Markteinführung für BMW zeichnerisch begleitete. „Das war echt witzig, weil man in München durchaus bereit war, sich selber auf den Arm zu nehmen“, erinnert er sich. „Nach vier Monaten wollte BMW das Mopped zurückhaben. Watt mut, datt mut! Aber ich stehe sowieso mehr auf Zweizylinder.“ Aues Erfahrungen mit der geballten Regel-Elektronik der BMW sind nicht so richtig überraschend. Seine Welt funktioniert ohnehin eher analog als digital.

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Mit Bleistift, Tusche und Farbe

Das glaubt man sofort, angesichts des Röhrenfernsehers in seinem Wohnzimmer und Hunderten Zeichenstiften an seinem Arbeitsplatz. Computer? Hat er – zum E-Mail-Schreiben. Seine Comics aber entstehen ganz traditionell mit Bleistift, Tusche und Farbe. Doris koloriert sie dann per Hand, bevor sie in MOTORRAD oder in gebundener Form beim Lappan-Verlag erscheinen. Dieser Verlag, wo man ausschließlich in Cartoons und Comics macht, verlegt Aues gesammelte Werke. „Das läuft richtig gut“, freut er sich. „Da verkaufe ich schon mal mehr als 10.000 Stück allein in Deutschland.“ Das hätte sich der Zeichner nicht träumen lassen, damals, als er nach der Schule eine Lehre als Speditionskaufmann machte. Danach wurde es spannender: kreuzbrav vier Jahre Bundeswehr bei der Panzertruppe als Kommandant auf einem M48, dem Vorgänger des Leopards. „Das traut man mir überhaupt nicht zu, oder?“, freut sich Aue. „Der M48 hatte 35 Liter Hubraum und fraß 1000 Liter Super auf 100 Kilometer. Das hat richtig Spaß gemacht, dieses 50-Tonnen-Schiff durch die Botanik zu scheuchen.“

Des Zeichners Augen glänzen – und wer da eine klitzekleine Ambivalenz entdeckt in seinem nickelbebrillten und bezopften Auftritt und seiner Leidenschaft für Verbrennungsmotoren, hat wohl recht. Vor allem wenn er hört, dass Aue danach zwei Jahre als Baumdoktor tätig war. Von dem Bundeswehr-Geld habe er sich damals die erste Guzzi gekauft, fügt er beinahe entschuldigend hinzu. „Und gezeichnet habe ich dort auch schon, unter anderem meine Vorgesetzten.“ Die Kameraden lachten sich kaputt, die Dienstgrade über ihm nicht. Immerhin: Sein Entschluss zu zeichnen, reifte. Nach dem Bund studierte er Illustrations- und Kommunikationsdesign.

„Intensiv und lange“, erinnert er sich heute. „Vor allem lange. Das war eine geile Zeit. Keine Kohle zwar – aber trotzdem.“ Um im letzten Punkt ein wenig nachzubessern, tat Aue das, was er am liebsten tat. Er war mit seiner Le Mans und den Kumpels unterwegs – und zeichnete seine Erlebnisse. Mit diesen Zeichnungen bewarb er sich beim damaligen MOTORRAD-Chefredakteur Friedhelm Fiedler. Der war damals begeistert. Wir sind es bis heute noch. Mach weiter, Holger! Für unsere Seite eins.

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