Dirt-Track-Trainingsranch Colin Edwards

Dirt-Track-Trainingsranch in Texas Colin Edwards Tornado Boot Camp

Schon immer mal von intensiven Dirt-Track-Erlebnissen geträumt? Kein Problem. Dann aber bitte stilecht auf echtem texanischen Boden. Ein Besuch bei Ex-Racer Colin „Texas Tornado“ Edwards und seiner Trainingsranch.

Colin Edwards Tornado Boot Camp markus-jahn.com
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Jake Johnson streckt erst streng den linken Zeigefinger in die Höhe, um dann immer breiter grinsend ein „Safety first!“ rauszuprusten. Eine Antwort erwartet der mehrfache US-Dirt-Track-Champ aber gar nicht von seinen 22 Lehrgangsschülern. Der Motor seiner Yamaha heult kurz auf, dann rutscht der Meister auch schon komplett quer in die nächste Haarnadelecke rechts. Das kleine Moped gleitet praktisch flach liegend über den ultrarutschigen Naturboden der Halle. 22 Beobachter fragen sich nun, wie er in der Haltung überhaupt noch mit seinem rechten Bein zurechtkommt.

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Safety first mit Helm und Sonnenbrille!

Zeit für Staunen und Studien bleibt aber nicht. Uns Schülern sollte die wild vorgeführte Streckenführung einfach im Gedächtnis bleiben, denn gleich gilt wieder für alle Superpole auf Zeit.

Ach ja, ein besonderes Schmankerl war sie dann aber schon, die heute von Mister Johnson absolvierte Runde. Ausnahmsweise fuhr er nämlich in Shorts, T-Shirt und Flipflops – aber Hauptsache „Safety first“: Helm und Sonnenbrille! Bevor die Anspannung bei der anstehenden Superpole aber das Denken verdrängt, vielleicht zuerst ein kleiner Rundgang übers Gelände und Geschehen.

Werkstatt, Strecke, Saloon, Schlafplätze, Schießplatz

Colin Edwards, der „Texas Tornado“, vielen sicher noch ein Begriff als erfolgreicher Rennfahrer: zweifacher Superbike-Weltmeister, langjähriger MotoGP-Fahrer, Teamkollege von Valentino Rossi im Yamaha Werksteam. Dieser Colin Edwards gibt hier, im Duett mit Freund Mike Meyers, den Chef über Haus und Events.

Wie so viele US-Rennfahrer, verfügt auch Edwards über ein breites Fundament an Offroad-Ausbildung und Training in seiner Karriere. Vom Motocross bis hin zu Tausenden Runden Dirt Track auf der Ranch von Kenny Roberts.

Was also lag näher, als nach der aktiven Zeit ein Bootcamp zu eröffnen? Der ausgeprägte Familienmensch Edwards ging gegenüber des puristischen Roberts aber einen Schritt weiter und baute mit seinen Kumpels gleich den kompletten Spielplatz. Er kaufte nahe seiner Heimatstadt Houston ordentlich Land, errichtete Werkstätten, eine überdachte Trainingsstrecke mit Licht, Saloon, Küche, Schlafplätzen, Dusch-, Waschräumen usw. Netter Nebeneffekt für Waffennarr Edwards: Das alles ergibt gleichzeitig auch noch einen schicken eigenen Schießübungsplatz.

Bierdose auf heißt Feierabend

Wer für den Viertageslehrgang anreist, erhält eine Tasche mit Ausrüstung und sucht sich eine der geparkten 125er-Yamahas aus. Ab jetzt heißt es für die nächsten Tage, die Sache ganz locker anzugehen: Alles kann, nichts muss. Schnell entschlossene Nachwuchsdrifter bekommen kein patentiertes Lernprogramm oder die Garantie, nach ein paar Tagen in der Lage zu sein, auf der Fußraste daherzurutschen.

Doch die Bandbreite der Möglichkeiten ist riesig. Während dieses Bridgestone-Incentive-Lehrgangs lernte die Französin Marine ohne Vorkenntnisse, überhaupt Motorrad zu fahren, andere übten des abends unter Hallenlicht stundenlang Wheelies oder purzelten wie ein Italiener übermotiviert alle fünf Sekunden über den Lenker. Wer sich, wie die deutschen Reifenhändler, mitsamt eiskaltem Bier in der Hand, den Bauch bräunen lässt, darf dies gerne, aber da sind die Regeln strikt und klar: Bierdose auf heißt Feierabend für Gasgriff und Abzug.

Hinschauen, nachdenken, überwinden

Ach ja, der Abzug! Sind bis zur Mittagspause die Fahrtrainings samt Sektionen, gibt es zur Auflockerung des doch extrem schnell müde werdenden Körpers nun ordentlich „Kawumm“. „Wer hat schon mal geschossen?“, fragt Colin Edwards, der sich über Europäer eh nicht wundert. Dann gibt es die Blitzeinweisung in den amerikanischen Kosmos. Pistole, Pumpgun, bis hin zum angstmachenden Riesenkaliber Bushmaster BA50. Aber natürlich gibt es bei den Rennfahrern nichts ohne Spaß und Wettbewerb. Schon am zweiten Tag steht ein Parcours mit Stoppuhr an. Tontauben schießen, Metallfiguren, liegend schießen und Spurt zwischen den einzelnen Stationen. Auch der ganzheitliche Waldorfschüler könnte es vielleicht einmal im Leben ausprobieren, die Einordnung dieser Erfahrung bleibt ja jedem selbst überlassen.

Überhaupt ist der Unterschied zwischen einem europäisch geprägten Lehrgang und des „American way of life“ eine spannende Beobachtung. „Europäisch“ heißt mehr Struktur, viel Ernst und möglichst den Teilnehmer in Wohlfühlwatte packen. Bei Ami Colin dagegen kauen sie Tabak, verbreiten gute Laune und halten dir die Stoppuhr unter die Nase. Dieses sanfte „Druckaufbauen“ ist so was wie der rote Faden und die eigentliche Trainingsphilosophie. Ob Flipflop-Runde oder furchterregende Bremspunkte, wenn die Cracks auf den Streckenschleifen mal wirklich Ernst machen. Du schaust hin, denkst nach, überwindest dich. Dann versucht plötzlich jeder, seine Startnummer auf der Zeitenliste nach oben zu schieben. Dazwischen gibt es kurzerhand Ausscheidungsrennen, Mannschaftsrennen oder gegeneinander den Bremspunkt ausfahren.

Info zum Texas Boot Camp

Dann aber wieder Gas raus: Der Smokergrill qualmt beruhigend auf der Wiese, relaxter Lunch, Mittagsruhe. Jeder hat die Möglichkeit, frei abzuhängen oder mit Colin und den Instruktoren über Rennsport oder die Welt zu diskutieren.

Nur nicht jetzt, denn jetzt ist Superpole, und das Herz puckert schon wieder schneller. Chefinstruktor Joe Prussiano schaut dir dabei an der Startlinie tief in die Augen: „Ready?  Gooo!“

Texaner sind lässig. Strenge Planung liegt ihnen nicht. Je nach Bedarf betreut das Bootcamp-Team blutige Motorradanfänger oder MotoGP-Fahrer vom Kaliber eines Valentino Rossi. Voraussetzung sind aber passable Englischkenntnisse und die Bereitschaft, es mit ein paar Schnarchern im Mehrbettzimmer auszuhalten. Die Ranch liegt eine knappe Autostunde nördlich von Houston. Der Paketpreis (auf Anfrage) beinhaltet vier Tage Lehrgang, Trainer, Motorrad, leihweise Schutzkleidung, Vollverpflegung, Getränke, Erinnerungsbilder, Video, Übernachtung, Schießstand, etc. Für die An- und Abreise sowie den Flug ist der Teilnehmer verantwortlich. Am sinnvollsten direkt mit einer USA-Reise kombinieren. www.texastornadobootcamp.com

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