Wer seinen Namen ohne einen Bezug zum ersten Mal hört, denkt unwillkürlich an einen Pornodarsteller: Gianni Potenza.
Der 36-Jährige lehnt lässig an der Wand seiner Werkstatt, lächelt in sich hinein und sagt: „Darüber hab ich nie nachgedacht, aber ich melde mich am Telefon meist mit ‚Gianni hier‘ oder ‚Potenza Performance Parts‘.“ Bei dem sympathischen Hamburger, der mit bürgerlichem Namen eigentlich Wittschier heißt, dreht sich alles um Tuning. Aber Wittschier-Tuning oder Wittschier Performance Parts… Irgendwie klingt das nach nichts.
„Potenza war nahe liegend“, resümiert Gianni, „denn es ist der italienische Ausdruck für PS.“ Nahe liegend deshalb, weil ihm die Liebe zu Italien praktisch in die Wiege gelegt wurde. Sein Vater, ein Professor für Romanistik, der schon etliche Fachbücher veröffentlichte, gab seinen zwei Kindern nicht nur italienische Vornamen, sondern auch das Faible fürs italienische Lebensgefühl mit auf den Weg - Temperament, Gelassenheit und Amore. Und es ist die Liebe zu kleinen Dingen, die Gianni in seinem Job vollends auslebt. In der Motorradszene gilt er als Geheimtipp für Honda Monkeys, nebenbei produziert er auch Tuning-Parts für den Mini Cooper. Gianni entwickelt und vertreibt Spezialteile für die kleinen Japanbikes und baut alte Maschinen neu auf (www.potenza.cc). Dabei geht er einen anderen Weg als die meisten, die sich mit Monkeys beschäftigen - er cus-tomizt: „Ich hab mir die Cruiser- und Chopperszene angeschaut und gedacht: Was die machen, kann ich auch.“
Und so funktioniert sein System: Er kauft originale alte Honda Monkeys auf und zerlegt sie bis auf die letzte Schraube.
Kauf-interessenten können sich ihr Bike indi-viduell zusammenstellen lassen, denn vom Bremssattel über die Schwinge bis zum Lenker - natürlich alles Neuteile - ist alles frei wählbar. Der eigentliche Clou: Auch die Antriebe sind frei wählbar. Gianni hat heiße Drähte nach Thailand und Japan und -bezieht dort neue Einzylinder in Teilen.
In Deutschland werden aus Hunderten von in kleinen Tütchen verpackten Teilen ganze Motoren. „Vor allem die Aggregate der Honda Cub-Serie eignen sich hervorragend zum Einbau in die Monkey“, sagt Gianni.
Die Honda Cub ist mit rund 63 Millionen Fahrzeugen das meistverkaufte Motorfahrzeug weltweit und läuft entweder mit 110 (Modelle Wave/Nice) oder in der neuen Variante mit 125 Kubik (Modellbezeichnung in Deutschland: Innova) vom Band. Mit aufwendigen Änderungen baut Gianni diese Motoren auch in die Monkey. Dafür müssen nicht nur neue Motorhalter konstruiert werden, vom Kabelbaum bis zum Ansaugstutzen muss alles angepasst werden. Da beide Antriebe schon ab Werk knapp zehn PS haben, sind sie bereits von Haus aus potent genug. Aber sie taugen auch als Tuning-Basis. Der 125er-Innova-Motor bietet beispielsweise große Stehbolzenabstände, sodass man 69er- oder gar 72er-Kolben verbauen kann, die in Verbindung mit einer anderen Kurbelwelle bis 232 Kubik ermöglichen. Ein weiterer Master-Motor, mit dem bei überschaubarem Kostenaufwand bis über 180 Kubik und mit japanischen Vierventilkopf sogar locker 23 PS drin sind, kommt jedoch nicht von Honda, sondern von Kawasaki. „Der KSR 110 ist ein Glücksfall für die Monkey-Szene“, meint Gianni. Der 110 Kubik starke Motor wurde ursprünglich für den Einsatz in Kleinrad - Motocrossbikes entwickelt. „Es hat mich drei Jahre Schweiß und Kopf-zerbrechen gekostet, bis ich dieses Kraftwerk legal und mit TÜV in die Monkey pflanzen durfte“ sagt Gianni.
Es ist ein regendurchtränkter Tag im August. Gianni steht in seiner Werkstatt in Hamburg-Hamm, idyllisch an einem Seitenarm der Elbe gelegen. Ein paar frisch aufgebaute Monkeys stehen hinter ihm. Vom verchromten Budget-Modell für rund 4000 Euro, das von einem 125er-Motor der chinesischen Firma Skyteam angetrieben wird, bis zur edlen, leicht getunten Martini-Version, für die man rund 11000 Euro auf den Tisch blättern muss. Gianni überreicht den Zündschlüssel, seine Hand zeigt aufs teure Topmodell. „Hier“, sagt er, „aber bitte nicht stürzen.“

Es sitzt sich perfekt. Der Klapplenker ist etwas zierlicher als das Original, Sitzbank und Fußrasten arretieren die Körperteile wie von selbst. Die Martini-Version wird von einem 125er-Honda Wave-Motor angetrieben, mit Vierganggetriebe und halbautomatischer Fliehkraftkupplung. Gang rein und einfach Gas geben. 216 Kubik mit 25 PS in Verbindung mit 65 Kilogramm vollgetankt und einem ultrakurzen Radstand - diese Zahlen versprechen Spaß.
Und halten das Versprechen: Wer an der Ampel den Gaszug zu abrupt spannt, liegt trotz der verlängerten Alu-Schwinge sofort auf der Nase. Dass die Martini-Monkey nichts für Fahranfänger ist, merkt man auch beim Bremsen. In fast allen Potenza-Aufbauten verbeißen sich Nissin-Doppelkolben-Schwimmsättel aus der CBR in 155 Millimeter große Braking-Scheiben im Wave-Design. Hinten einfach und -vorne sogar als Doppelscheibe. In Verbindung mit einer guten Bremspumpe verzögert diese Konstruktion wie eine Hauswand. Gebaut fürs Fahren auf der letzten Rille, optisch eine Augenweide, technisch das derzeitige Nonplusultra. Der Motor hängt super am Gas, und in der Potenza-Edelstahlauspuffanlage verbirgt sich eine Überraschung: Über eine von Hand gesteuerte Klappe kann der Sound von Anschleichen bis Prollen variiert werden. Das Lenkverhalten ist ultraleicht, und die montierten Semi-Slicks von Duro vermitteln schon im wenig angefahrenen Zustand ordentlich Grip. So hockt man auf dem Bike und fühlt sich als Erwachsener sofort ins Kindesalter versetzt, denn wegen der Abmessungen der Monkeys denkt man permanent an Spielzeug.
11000 Euro - ein nicht grad billiges Spielzeug. Wer kauft das? „Wer sich etwas derart exklusives gönnt, stellt es nicht selten zwischen ein Custombike und einen Luxusschlitten“, sagt Gianni, teilt seine Kundschaft jedoch in zwei Kategorien ein. In diejenigen, die schon fast alles haben, und die anderen, die sich einen Jugendtraum erfüllen. „In einer Zeit, in der sich alles nur noch um Superlative dreht, erweckt die kleine Monkey erst recht Sympathien, weil sie stets nett, unschuldig und freundlich rüberkommt. Dieser Bonus überträgt sich auf den Fahrer. Man ist pausenlos im Mittelpunkt und wird von der Hausfrau bis zum Rocker ritterlich empfangen. Dafür, dass sich Potenza-Topmodelle auch optisch von der Masse abheben und unterscheiden, vor allem aber Einzelstücke bleiben, sorgt sein Lackierer Stefan Zimmermann (www.zarr-airbrush.de), der selbst filigranste Designs und ausgefallenste Wünsche perfekt umsetzt. Und Giannis Mutter, die in Sachen Stil und Farbgebung auch bei den Bikes stets den richtigen Riecher hat und bei diversen Projekten als zweite Meinung unterstützend hinzugezogen wird.
Wer Gianni „Potenza“ Wittschier inmitten oder auf einer seiner Monkeys erlebt, spürt, dass dieser Mann für seine Leidenschaft lebt. Die Falten seiner 36 Jahre sucht man vergeblich. Es scheint, als halte ihn die Monkey-Mania für immer jung. Und es scheint, als seien alle Schwierigkeiten bezüglich Tuning oder Veredelung für ihn nur Herausforderungen statt Hindernisse. So ist es für ihn ebenso selbstverständlich, einem Übergewichtigen seinen Monkey-Traum mit Rahmenverstärkungen, opulenten Gabelstandrohren und überdimensionierten Federbeinen zu erfüllen, wie einem unentschlossenen Kunden ohne Zeitdruck die Welt zu erklären. Und wenn der Hamburger mit Inbrunst an seiner Drehbank oder Fräsmaschine werkelt und tüftelt, glaubt man ihm neben seinem Alter ebenso wenig, dass der studierte BWLer fast 15 Jahre lang als DJ auf dem Hamburger Kiez aufgelegt hat. Denn Gianni lebt das Thema Mini, Monkey und Motoren wie kein Zweiter. Und das ist gut so. Für ihn. Und für all die vielen anderen, die er mit seinem Wissen und seinen Produkten beglückt.