Frauen im Rennsport - über frühe Rennfahrerinnen und Sozias

Frauen im Rennsport Über frühe Rennfahrerinnen und Sozias

Flott unterwegs ist die belgische Journalistin Marianne Weber auf einer BMW R 68 im Jahr 1952. Wer waren ihre Vorgängerinnen? Und wie fuhren sie Anfang des 20. Jahrhunderts Motorrad?

Über frühe Rennfahrerinnen und Sozias BMW

Mit Frauen begann die Mobilität: Bertha Benz steuerte 1888 den dreirädrigen Benz-Patent-Motorwagen 106 Kilometer von Pforzheim nach Mannheim und verhalf so der Erfindung ihres Mannes Carl zum Durchbruch.

Wer als erste Frau ein Zweirad pilotierte, ist nicht bekannt. Dass die Herren den Frauen auf zwei Rädern keineswegs vorurteilsfrei begegneten, hingegen schon. Zum Beispiel Richard Koehlich, der im April 1904 in „Das MOTORRAD“ eine ideale „Damenmaschine“ entwarf: 50 Kilo schwer, mit Durchstieg fürs elegante Aufsteigen sowie 1,2-PS-Zweitaktmotor, der das Vorderrad antreibt, damit die Röcke der Damen nicht ankokeln. „Es kommt dazu, dass die Frau in technischen Dingen meist eine­ krasse Ignorantin ist, für die eine Motorstörung ein Buch mit sieben Siegeln sein wird“, giftete Koehlich. Daraufhin führt Marie Reuschel in einen Leserbrief an „Das MOTORRAD“ gewitzt den Vorschlag der Damenmaschinen ad absurdum, indem sie statt technischer Lösungen eine andere Bekleidung vorschlägt. „Ich erkläre es mir nur mit der Antipathie, Damen in Beinkleidern zu sehen.“

Schließlich gibt sie noch Tipps, wie Reparaturen an einer Maschine der Marke Cyklos zu vermeiden sind. „Nachdem ich meinen Motor mit Benzin versehen, geölt, nach Kompression und Zündung gesehen und sonst alles in Ordnung gefunden habe, nehme ich meinen Treibriemen, ziehe damit den Motor an und lasse ihn leerlaufen. Geht derselbe nun, wie er muss, was man ja im Gehör hat, bringe ich ihn wieder mittels des Auspuffhebels zum Stehen, lege meinen Riemen auf, und fort geht es.“ Marie Reuschel wollte bei den „deutschen Damen die Lust am Motorradfahren wecken“.

Die Meisterin des Motorrads

Gertrude Eisenmann war bereits infiziert. „Die vielen Lobspenden, mit denen ich überschüttet werde, sind nicht berechtigt“, schreibt Gertrude Eisenmann 1905 in „Das MOTORRAD“. Für sie war selbstverständlich, dass Frauen zügig Motorrad fahren. „Es wundert sich doch niemand darüber, wenn eine Ente schwimmt“, setzt die gebürtige Engländerin bescheiden hinzu. „Die Meisterin des Motorrads“, wie sie „Das MOTORRAD“ nennt, gewinnt erste Preise für Fernfahrten. Diese Zuverlässigkeitsprüfungen waren kein Zuckerschlecken. Die Fahrer fluteten Schwimmerkammern, pumpten Öl vor und zogen Dekompressionshebel, damit die Motorräder überhaupt ansprangen – per Kickstarter. Starke Vibrationen am Lenker und Stöße durch ungefederte Hinterräder schüttelten die Piloten durch.

Schon ihre erste Fahrt Stuttgart – Kiel beendete Gertrude Eisenmann mit der zweitbesten Durchschnittsgeschwindigkeit aller Teilnehmer. „Obwohl ich wegen Nichtfunktionierens der Pumpe dreimal während der Fahrt das Öl aus dem Ölbehälter heraussaugen und in den Motor hineinpusten musste“, gibt sie zu Bedenken. Auch die Fernfahrt Eisenach – Berlin – Eisenach im Jahr 1905 mit einer NSU verlief nicht ganz nach Plan. „Ich hatte am ersten Tage zwei Stunden Aufenthalt mit Riemendefekten und trotzdem, ohne diese und die Aufenthalte auf den Kontrollstationen abzuziehen, auf der 660-km-Fahrt über schwieriges Gelände und schlechte Straßen ein Durchschnittstempo von 42 Kilometern. Bei einem 2-PS-Motor mit dem regulären Tourenrahmen alles, was man billigerweise verlangen kann“, kommentiert Gertrude Eisenmann.

Die Spur verlor sich

Das MOTORRAD/Schneider
Belegte bereits 1905 erste Plätze bei Fernfahrten: die „Meisterin des Motorrads“ Gertrude Eisenmann.

Leider verliert sich die Spur der schnellen Frau Eisenmann vor dem Ersten Weltkrieg. Furore als Sportlerin machte in Deutschland in den 1920er-Jahren Hanni Köhler, die vor allem Tourenfahrten absolvierte. Diese Wettbewerbe würden immer von demjenigen gewonnen, der „mit dem Kopfe fahre“, kommentierte Hanni Köhler. Bei der Nachtfahrt von Leipzig ins 420 Kilometer entfernte Frankfurt am Main, an der sie 1924 teilnahm, starten sieben Teilnehmer, darunter sechs Männer. Hanni Köhler erreichte als Einzige das Ziel, nachdem sie viele Strapazen überwand, sich verirrte, ihr Motorrad stundenlang schob, von Betrunkenen angegriffen wurde: „Als ich ankam, war ich ­selig. Ganz Frankfurt empfing mich. Es regnete Blumen.“

Die damalige Rennsportorganisation F. I. C. M. erkannte 1928 zehn Weltrekorde der Klasse bis 125 cm³ an, die Hanni Köhler auf einer Stock mit 119 cm³ erreichte – die Berliner Firma Stock baute in Lizenz US-amerikanische Evans-Leichtmotorräder mit Zweitaktmotor nach. Hanni Köhlers auf der Opelbahn in Rüsselsheim erzielte Rekorde betrafen allesamt Langstrecken über sieben, acht, neun, zehn, elf, zwölf und 24 Stunden sowie über 500 und 1000 Kilometer sowie 500 Meilen. „Mit diesem schönen Erfolge hat nicht nur die deutsche Sport treibende Damenwelt, sondern Deutschlands Motorradsport überhaupt einen seiner größten Erfolge zu verbuchen, denn er erscheint zum ers­ten Male nach dem Kriege wieder auf der Liste der Welt­rekorde“, verkündet die Zeitschrift „Das MOTORRAD“ 1928 stolz.

Ist Motorradfahren für Frauen schädlich?

dpa
Beste Rennfahrerin der 1920er-Jahre: Hanni Köhler auf Mabeco.

Die Zeit dafür war reif: „Das MOTORRAD“ stellte 1928 die Frage aller Fragen: „Ist Motorradfahren den Frauen schädlich?“ Ein Arzt antwortete: „Die Medizin kennt keine Krankheit, die nur vom Motorradfahren verursacht wäre. Für eine organisch gesunde Frau ist Soziusfahren nicht schädlich.“ Darauf folgt die Einschränkung, die auf Freudsche Lektüre hinweist: „Frauen, die zu Hysterie jeder Art neigen, sollten nicht Motorrad fahren.“ Eine Sozia kommt zu Wort, die auf die Gefahr der Erkältungen hinweist: „Für große Touren bevorzuge ich Knickerbockers und eine Lederjacke. So sind Sie für jede Wetterunbill geschützt.“

Dass die Mitfahrt auf dem Motorrad Engagement erforderte, bewies Fanny Wollenberg in Ihrem Essay „Meine erste Fahrt als Sozia“, der 1929 erschien. Das hinten ungefederte Motorrad entpuppt sich als „Marterkasten“: „Hopp, hopp, immer über Kopfsteinpflaster und Schlaglöcher. Zuerst biss ich mich mal auf die Zunge, dass mir die Tränen herunterkollerten.“ Nachdem ihr alles wehtat, fing sie an „wie hypnotisiert auf die Chaussee zu starren“. Und schließlich hatte sie den Bogen raus: „Bei Schlag­löchern rückte ich ein bisschen nach hinten, bei Höckern wippte ich elastisch in die Höhe, meine Zunge presste ich gegen den Gaumen, die Zähne ließ ich halb offen,, und nichts Schöne­res gab es als Motorradfahren.“

"den unwahrscheinlichen Rausch der Geschwindigkeit genießen"

Leidensfähig war auch Ilse Thouret, die in den 1930er-Jahren zu Deutschlands bester Motorradrennfahrerin avancierte. Über 100 Pokale, Medaillen und Auszeichnungen sammelte sie in ihrer Laufbahn. Nach ihrer ersten Ausfahrt auf einer 750er-Mabeco im Jahr 1927 wurde sie bereits 1933 zur Werksfahrerin für Puch. Ab 1934 pilotierte Ilse Thouret eine DKW 250. Allerdings bewährte sie sich nur bei Geländefahrten und Langstreckenrennen, denn sie durfte nicht an Straßenrennen auf Rundstrecken teilnehmen. Die Six Days 1936 schloss sie mit ­einer Bronzemedaille ab. Thouret: „Warum ich Rennen fahre? Ich sehne mich danach, den Naturgewalten nahe zu sein, die Entwicklung der Technik unmittelbar zu erleben, den unwahrscheinlichen Rausch der Geschwindigkeit zu genießen, den Wind im Gesicht zu spüren und zu wissen, was es bedeutet, zu siegen und zu verlieren.“

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