Für Pramac Ducati Pilot Jack Miller hielt die erste MotoGP Saisonhälfte Höhen und Tiefen bereit. Nach einigen guten Ergebnissen zu Saisonbeginn und der Pole Position beim Argentinien Grand Prix folgten in Mugello und Barcelona zwei Stürze und Nullnummern. Wir baten den sympathischen Australier vor der Sommerpause zum Interview.
MOTORRAD: Jack, für einen australischen MotoGP-Piloten bist Du erstaunlich eng mit Deutschland verbunden. 2011 hast Du hier die 125er IDM gewonnen, 2013 bist Du in der 125er WM für das Racing Team Germany angetreten. Ist der Deutschland-GP für dich sowas wie ein kleiner Heim-Grand Prix?

Jack Miller: Ja, aber nicht nur das. Mein erstes Rennen in der IDM war 2010 hier in Deutschland, was ein ziemlich cooles Erlebnis war. Und auch mein erster Grand Prix war hier. Während ich damals in der Deutsche Meisterschaft fuhr, bekam ich eine Wildcard für den Grand Prix am Sachsenring.
Deshalb ist es natürlich etwas Besonderes für mich und ich finde es schade, dass wir vielleicht nicht mehr hierher zurückkommen. Aber durch die IDM kenne ich einige gute deutsche Strecken, auf denen die MotoGP Rennen ausgetragen werden könnten.
MOTORRAD: Den Sachsenring kennst Du ja schon aus der Zeit in der IDM. Wie ist es um den Sachsenring an sich bestellt? Liegt Dir die Strecke? Valentino Rossi macht ja unter anderem keinen Hehl daraus, dass er den Kurs nicht besonders mag. Und welche Strecke könntest Du Dir als Alternative vorstellen?
Jack Miller: Sicherlich ist die Strecke für die MotoGP sehr eng, aber es gibt viele Strecken, auf denen man vielleicht einen Abschnitt nicht mag. Das macht es schwierig, aber das ist der Grand Prix. Nicht alle Strecken haben eine Gerade von einem Kilometer Länge. Aber der Sachsenring hat Charakter, was definitiv cool ist. Es ist eng, aber es macht Spaß. Die Stimmung hier ist großartig, denn im Fahrerlager ist alles so nah beieinander. Und in Ostdeutschland lieben die Leute Motorradrennen. Ich habe einige Zeit mit Dirk (Anmerk.d. Red.: Dirk Heidolf, ehem. Team-Chef des Racing Team Germany) hier in Hohenstein gelebt und die Menschen hier leben für Ihren Grand Prix - sie lieben es so sehr und es wäre eine Schande, wenn es das Rennen nicht mehr gäbe. Aber wie erwähnt, es gibt noch viele andere tolle Strecken in Deutschland. Ich bin hier schon lange nicht mehr gefahren und sicherlich sind einige Umbaumaßnahmen nötig, aber der Nürburgring und auch der Hockenheimring gefallen mir sehr gut. Hockenheim wäre spannend, da die MotoGP dort eine gewisse Historie hat.
MOTORRAD: Du würdest also den Hockenheimring dem Nürburgring vorziehen?
Jack Miller: Nicht unbedingt. Der Nürburgring ist gut und ich finde den Hockenheimring cool. Ich weiß nicht, warum ich Hockenkeim so mag. Vielleicht, weil da das IDM-Finale war. Aber auch der Nürburgring wäre gut, zumal er bereits über eine gute Infrastruktur verfügt. Die Boxen und das Fahrerlager sind schön, alles ist groß angelegt und auch dort hat der Rennsport eine große Vergangenheit. Unter Umständen könnte es dort ein Problem mit Hotels und Unterkünften geben, aber wenn das am Red Bull Ring klappt, sollte das auch am Nürburgring funktionieren.
MOTORRAD: Lass uns kurz zum Argentinien-GP zurückspringen. Deine letzte fliegende Runde im Qualifying ist schon jetzt legendär, jeder, der zugeschaut hat, hat dich mehr als einmal im Kies gesehen und doch hast Du dein Motorrad auf die Pole gestellt. Auch in der Startaufstellung hast Du als Einziger die richtige Reifenwahl getroffen und man kann sehr wahrscheinlich sagen, dass dich die Entscheidung der Rennleitung, alle Fahrer, die die Startaufstellung verlassen haben, um auf Slicks zu wechseln, doch aus der Startaufstellung starten zu lassen, anschließend zumindest die Podiums-Platzierung gekostet hat. Hast Du Dich damals ungerecht behandelt gefühlt?

Jack Miller: Das Podium, wenn nicht sogar den Sieg! Ich war am Ende nur ein paar Sekunden vom Podium entfernt und ich habe das Gefühl, dass ich dort definitiv hätte gewinnen können. Eigentlich hätten die anderen nach dem Start in die Box fahren müssen, um die Reifen wechseln, was mir einen großen Vorsprung beschert hätte.
Aber es ist, wie es ist. Das war die Entscheidung für das Rennen und ich muss mich damit abfinden. Ich kann nicht wegen Entscheidung oder der Leute heulend rumsitzen. Ich muss weiterarbeiten und versuchen, in Zukunft noch häufiger ganz vorne zu sein.
MOTORRAD: Für die Saison 2015 hattest Du Angebote für die Moto2 und MotoGP und hast dich für den Sprung in die MotoGP entschieden. Was es rückblickend richtig, auf die Lehrjahre in der Moto2 zu verzichten und direkt in die MotoGP zu wechseln? Und würdest Du anderen Piloten empfehlen, es dir gleich zu tun, die die Möglichkeit bekommen?

Jack Miller: Hundertprozentig. Ich weiß nicht, ob ich es empfehlen würde, aber ich würde es genau so wieder machen. Ich habe 2014 mit meinem Management die Optionen diskutiert und das war meine Entscheidung. Hätte ich mich damals nicht so entschieden, hätte meinen ersten Grand Prix-Sieg verpasst.
Diese Erfahrung kann mir niemand mehr nehmen. Schau Dir Jungs wie Alex Rins oder Maverick Vinales an. Mit denen habe ich in der Moto3 gekämpft, inzwischen sind sie auch in der MotoGP angekommen und wir kämpfen wieder gegeneinander. Natürlich war mein Weg ein anderer, aber auch beim Material gab es Unterschiede. Ich habe mit der Marc VdS Honda angefangen, die bei weitem nicht die beste Maschine im Fahrerlager war. Aber da waren Nicky Hayden oder auch Eugene Laverty, zwei gute Jungs mit dem gleichen Material wie ich und ich konnte beide in meiner ersten Saison schlagen. Beide hatten viel Erfahrung auf den großen Motorrädern, Hayden war sogar Weltmeister und ich konnte beide in der Meisterschaft schlagen. Für mich war es also ein toller Schritt. Aber es war nicht einfach und ss gab viele schwierige Momente. Es braucht viel Einsatz und Entschlossenheit, aber es geht Schritt für Schritt voran.
MOTORRAD: Unglücklicherweise wurden Deine MotoGP-Jahre bisher auch von Verletzungen mitgeprägt. 2016 hast Du insgesamt 5 Rennen verpasst. In diesem Jahr hast Du in einen Haarriss im Schlüsselbein verheimlicht, um in Austin überhaupt starten zu können. Bist Du aktuell hundertprozentig fit, oder hat der Sturz in Mugello Spuren hinterlassen?

Jack Miller: Nein, nein, ich bin hundertprozentig fit. Ich hatte einen heftigeren Abflug während des vierten freien Training in Mugello, aber das war kein Problem. Ich habe im Moment wirklich Glück mit allem. Ich fühle mich gut und freue mich auf den Rest der Saison.
Jetzt steht aber erst einmal eine kleine Sommerpause an, die ich versuchen werde zu genießen. Ich werde ein wenig an meiner Fitness arbeiten und dann geht es in die zweite Saisonhälfte.
MOTORRAD: Den Haarriss hast Du Dir beim Mountainbike Training zugezogen, Du trainierst aber auch mit dem Motorcross-Motorrad, unter anderem mit Marcel Schrötter und Jonas Folger. Triffst Du dich häufiger mit anderen Fahrern zum Training?
Jack Miller: Ich habe im Winter einen Monat mit Marcel in Kalifornien verbracht. Er war letztes Jahr schon dabei und hat mich auch in diesem Jahr begleitet. Wir haben vier Wochen gemeinsam trainiert, vor allem mit dem Mountainbike. Wir haben unsere Ergebnisse seit dieser Saison deutlich verbessert und ich denke, dass es für beide Seiten gut war, einen Trainingspartner als Ansporn zu haben. Ich verstehe mich gut mit Marcel und wir trainieren tatsächlich viel zusammen. In der Zeit zwischen dem Rennen in Barcelona und dem Grand Prix in Assen hat er bei mir gewohnt und auch nach Assen war er noch mal eine Woche zum Fahrrad- und Motocross-Training da. Es ist schön, wenn man Leute um sich hat, die so motiviert sind wie man selbst und wenn man sich gegenseitig Pushen kann. Man hat immer mal einen Tag, an dem man etwas durchhängt. Dann ist es gut, wenn einen der andere mitzieht und dadurch motiviert.
MOTORRAD: Das Team und Du haben bereits vor ein paar Wochen bekanntgegeben, dass Du deinen Vertrag für 2019 verlängert hast und dann auch das werksunterstützte Motorrad bekommst. Aktuell hat ja nur Danilo diesen Mehrwert. Wo bestehen denn die großen Unterschiede bei Euren Motorrädern?
Jack Miller: Meine Version ist das Motorrad aus der letzten Saison, es verfügt also über keinerlei Updates. Ich bekomme das Material aus dem Vorjahr – das war´s. Das ist auf gewisse Weise gut, weil man sich nicht durch Neuerungen abgelenkt wird und man etwas weniger Druck hat. Aber natürlich ist das neue Motorrad schneller und funktioniert besser, da bekannte Probleme ausgemerzt wurden. Aber natürlich freue ich mich darauf, einer der Entwicklungsfahrer des neuen Bikes zu sein und meinen Beitrag für die Zukunft leisten zu können.
MOTORRAD: Ab 2019 gibt es auch einen Moto-e Weltmeisterschaft und auch Pramac wird – wie alle privaten MotoGP-Teams – dabei sein. Bist Du schon mal ein e-Bike gefahren?
Jack Miller: E-Bike ja, aber ich noch nie Elektro-Motorrad gefahren.
MOTORRAD: Du bist jetzt 23 Jahre und Deine Karriere wird hoffentlich noch zehn, fünfzehn Jahr weitergehen. Falls Verbrennungsmotoren in dieser Zeit abgeschafft werden, würdest Du auch in einer Elektro-Motorrad-Meisterschaft fahren?
Jack Miller: Auf jeden Fall. Ich bin Rennfahrer und wenn es irgendwann keine normalen Motorräder mehr gibt und ich dann noch da bin, werde ich damit Rennen fahren. Das ist mein Job und ich will meinen Lebensunterhalt bei den besten Jungs der Welt verdienen. Aber ich glaube nicht, dass das in meiner Karriere passieren wird. Wenn ich es schaffe, eines Tages vielleicht Kinder zu haben und sie in 20 Jahren Motorrad fahren wollen, kann ich es mir für sie aber vorstellen. Es gibt so große Schritte bei den Batterien und in Puncto Leistung von Elektrofahrrädern, dass ich annehme, dass die Möglichkeiten endlos sind und hier die Zukunft liegt. Aber ich hoffe, dass uns die regulären Motoren noch etwas länger erhalten bleiben. Ich mag den Klang, den Geruch und den Lärm. Ich denke, die Fans würden das auch vermissen. Wenn man sich die Formel 1 ansieht, beschweren sich schon heute viele Zuschauer darüber, dass es im Gegensatz zu früher viel leiser geworden ist. Die Klangkulisse und das drumherum - das ist der Grund, warum die Leute zu den Rennen kommen.
MOTORRAD: Vielen Dank für das Interview.