MotoGP-Neujahr in Valencia

MotoGP-Neujahr in Valencia Neues Jahr, neues Glück

„Die Saison beginnt am Tag nach dem letzten Rennen und endet am Tag des letzten Rennens des Jahres.“ So steht es im Grand-Prix-Regelwerk. Demnach wurde gestern nach dem MotoGP-Saisonfinale Silvester gefeiert.

Neues Jahr, neues Glück Toni Börner
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Der heutige Montag, 19. November 2018, ist der offizielle, im Reglement definierte erste Tag der Saison 2019. Nach den gestrigen letzten Rennen sind die Abschlusspartys gestiegen, die auch heute Morgen in Valencia noch einigen ins Gesicht geschrieben stehen. Das neue Jahr ist trotzdem in vollem Gange. Bei Tech3 wurden bereits die Teamkleider getauscht. Noch ohne Sponsoren versehen, sind hier schwarz-orangene KTM-Jacken und Shirts verteilt worden, sodass das neue Satelliten-Team der Österreicher bereits jetzt die neue Ära auch nach außen einleiten kann. Am Montagvormittag haben nun schon erste Testfahrten mit dem Moto2-Triumph-Motor fürs kommende Jahr stattgefunden. Auch hier ist der frische Wind zu spüren: Der neue Sound macht Lust auf mehr. Am Dienstag werden dann die ersten MotoGP-Tests für 2019 gefahren. Mit Spannung wird Johann Zarco im KTM-Werksteam erwartet, aber auch Tech3 freut sich auf die neuen RC-Maschinen aus Mattighofen und den Debütanten Miguel Oliveira. Noch aufmerksamer aber wird morgen sicher die Box von Repsol Honda beobachtet, wenn Jorge Lorenzo erstmals an der Seite von Marc Marquez ausrücken wird. 

Folger Comeback

Mit Petronas-Yamaha gibt es im Lager der Stimmgabler ebenfalls ein völlig neues Projekt. Noch „neuer“ aber ist das Yamaha-Testteam, welches morgen erstmals die Arbeit aufnehmen wird. Mit Jonas Folger hat man den zweiten vom letztjährigen Sachsenring-Grand-Prix aufgeboten. Yamaha folgt damit dem Vorbild von Ducati und Honda, die sich bereits seit einigen Jahren den Luxus eines Testteams leisten.

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Jonas Folger kehrt 2019 in die MotoGP zurück.

„Yamaha hat eine schwierige Saison hinter sich“, so Yamaha-Rennsport-Chef Lin Jarvis, „und auch wenn wir am Ende der Saison Fortschritte sehen konnten, sind wir davon überzeugt, dass uns ein europäisches Testteam vorantreiben wird. Das wird für die Entwicklung der YZR-M1 ausschlaggebend sein. Jonas Folger wird unser neuer Europa-MotoGP-Tester und wird hier in Valencia seinen Einstand geben. Wir freuen uns, dass er zurück bei uns ist, denn er hat als Satelliten-Fahrer 2017 schon gezeigt, was er kann.“

Erinnerungen genießen

Was auch immer bei den Tests morgen passiert: Sie sorgen dafür, dass nahezu alle Beteiligten bereits in den Neujahr-Modus verfallen und dann die vielen, vielen Geschichten der Saison 2018 ins Hintertreffen rücken. Schon morgen wird keiner mehr über die Leistungen vom gestrigen Sonntag sprechen.

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Franco Morbidelli war 2018 der beste Rookie.

Und die gilt es derweil eigentlich zu honorieren. Johann Zarco holte den Independent-Team-WM-Titel und Franco Morbidelli den Titel des Rookie of the Year. Dabei war Morbidelli vor dem Abbruch gestürzt und musste dann bangen, wo Hafizh Syharin ins Ziel kommt. Der Malaysier holte im Finale noch sechs WM-Punkte – aber damit vier zu wenig für Punktgleichstand mit dem Italiener. So konnte das Marc-VDS-Team beim MotoGP-Abschied dann doch noch einen Erfolg feiern. Insgesamt sah man in dieser Mannschaft dann traurige Gesichter, denn das Königsklasse-Abenteuer von Marc-VDS ging am gestrigen Sonntag zu Ende. Positiv aber: Viele von ihnen sind im neuen Petronas-Yamaha-Satelliten-Team untergekommen und bereits am Montagvormittag dort gesichtet worden. 2015 hatten einige von ihnen bereits mit Marc-VDS ein MotoGP-Team aufgebaut, welches am Ende aber nur drei Saisons überdauerte. Trotzdem war natürlich Petronas-Yamaha auf der Suche nach erfahrenen Leuten, denn Tech3 hat einen Großteil der Belegschaft auch im KTM-Projekt behalten.

Lob an die Fans

Das Valencia-Wochenende war einer der vergnetesten Grands-Prix seit einigen Jahren. Besonders in Valencia gab es in der Vergangenheit selten solch schlechtes Wetter bei einem GP-Event. Ein Grund dafür könnte aber auch sein, dass das Finale eben aufgrund der zusätzlichen Aufnahme von Thailand in den Kalender in diesem Jahr um noch eine Woche nach hinten geschoben worden war. Auf jeden Fall konnten so Reifen gespart werden: Lediglich Samstagnachmittag waren ein paar Slick-Sätze zum Einsatz gekommen. Und trotzdem präsentierte sich der Circuito Ricardo Tormo am Sonntag ausverkauft, die Stimmung war einmal mehr gigantisch. Bei der traditionellen Laola-Welle flogen aber eben nicht die Arme in die Höhe, sondern die Regenschirme. Eingemummelt in alle möglichen Arten an wasserabweisenden Materialien, blieben die Tribünen des Stadions bis zum Schluss proppenvoll.

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Trotz Regenwetter: Valencia war ausverkauft.

Man kann zum Abbruch im MotoGP-Rennen stehen, wie man will: Das einzige Ziel aller beteiligten musste gestern Ankommen heißen. Und trotzdem pfeilten die Cracks im strömenden Regen mit unglaublichen Schräglagen um die Piste. Je näher dran man kam, desto mehr sagte man sich: „Junge, hast du schon mitgekriegt, dass es regnet?“ Die schnellste Rennrunden fuhren Andrea Dovizioso mit 1:41,863 und Valentino Rossi, der nur 0,001 Sekunden langsamer war. Das sind – bei stehendem Wasser, strömenden Regen – die meisten Rennstreckenfahrer noch nicht einmal im Trockenen erreichen. Nicht einmal, wenn ihre Maschinen für hunderttausende Euro getunt worden oder in der Basis-Version schon über 80.000 Euro kosten.

Der Überflieger fährt nicht auf ankommen

Allergrößter Respekt geht an Marc Marquez, der in Valencia unglaublicher Weise in diesem Jahr nur seinen dritten Nuller und die zweite Nichtankunft holte. Beim Rennen in Argentinien schrieb er nach zwei Durchfahrtsstrafen null Punkte, in Australien musste er nach der Kollision mit Zarco aufgeben. Beim Finale verbuchte Marquez damit seinen einzigen Rennsturz des Jahres – und das obwohl er dieses Jahr insgesamt trotzdem 23 Mal auf der Nase lag. Aber eben die meisten davon in den Trainings. Bedenkt man dabei noch, wie oft Marquez mit seinen Rettungsaktionen eben nicht hin fiel, dennoch aber die Highlight-Sendungen bestimmte, lässt einen diesen Fakt von nur einer Sturverschuldeten Nicht-Zielankunft im Rennen kaum glauben.

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Der Weltmeistertitel ging erneut an Marc Marquez.

Übrigens: Über alle drei Klassen hinweg stürzten nur Marco Bezzecchi (24 Mal, Moto3), Sam Lowes (27, Moto2) und Stefano Manzi (31, Moto2) mehr als der siebenfache Weltmeister. Marquez verdiente sich beim Finale einmal mehr Respekt, den er schon lange hat. Er hätte sich locker auch mit Rang fünf, sechs oder sieben zufrieden geben können, stattdessen suchte er in einem Rennen, wo längst alles entschieden war, wieder das Limit. Dieses Mal bleib er dabei unbelohnt. Schon allein der Samstag war wieder eine Meisterleistung: Marquez stürzte im Qualifying, kugelte sich zum wiederholten Mal die Schulter aus, drückte sie rein – und schliff dann auf der Outlap bereits wieder Ellbogen. Muss man sich so mal auf der Zunge zergehen lassen.

Valentino Rossi: Schlechte Saison – die keine ist

Aus 23 Saisons ist Valentino Rossi nur aus deren drei ohne Sieg hervorgegangen. Ansonsten hat der 39-jährige Italiener jedes Jahr wenigstens ein Mal oben auf dem Podest gestanden. Seine beiden Ducati-Jahre 2011 und 2012 ließen diese Serie erstmals reißen. 2018 nun liegt das erste sieglose Yamaha-Jahr hinter Rossi. Dabei hatte er es jetzt in Malaysia und Valencia gleich zwei Mal in der Hand und beide Male stürzte er im Kampf um den Sieg, in Sepang gar in Führung liegend. Natürlich hätte es ihm in Valencia wohl jeder gegönnt, diesen Sieg zu holen, aber es hatte eben nicht sollen sein.

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Rossi schloss die Saison auf einem starken dritten Platz in der Gesamtwertung ab.

Wer nun aber behauptet, dass Rossi zu alt und langsam sei und eine schlechte Saison gehabt hätte, der sollte mal genauer hinschauen: Er ist WM-Dritter geworden, geschlagen nur von Marquez und Andrea Dovizioso. Nur zwei Nuller hat er geholt, selbst in Valencia gab es noch drei Punkte – weil der Superstar seine Yamaha wieder aus dem Schlamm zog und noch weiter fuhr. Und das obwohl ihm WM-Rang drei schon sicher war, denn Teamkollege Vinales war vor dem Re-Start schon gestürzt und aus dem Rennen darum. Die Saison 2018 war bei den Titelentscheidungen am Ende sicher nicht die spannendste, denn in Valencia war nahezu alles entschieden, trotzdem war es ein Jahr der besten Werbung für den Motorradrennsport und die MotoGP.

Nun beginnt die neue Saison, wie sich auch daran zeigt, dass am Tech3-LKW so eben die „Abkratzarbeiten“ eines nun alten Hauptsponsors fertiggestellt und die Auflieger im Fahrerlager ein paar Boxen weiter runter geparkt worden sind. An deren vorheriger Stelle steht nun ein Türkies-Blauer Auflieger mit der Aufschrift Petronas – der ist doppelt so hoch, wie alle anderen im Fahrerlager.

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