Porträt Jan Leek - der Motorrad-Kosmopolit
Alter Schwede

Jan Leek ist ein Charakterkopf der internationalen Motorradszene. Journalist, Fachbuchautor, Romancier, Rennleiter, Nordschleifen-Instruktor, Tourguide, Motorradflüsterer. Ohne ihne wäre vieles anders. Eine Hommage zum Siebzigsten.

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Foto: Schmieder

Woher kenne ich den Kerl?“ Viele Menschen fragen sich das, wenn sie Jan Leek das erste Mal begegnen. Aus Fernsehen oder Kino? Unwahrscheinlich, denn Jan lebt seinen eigenen Film und der dreht sich so intensiv um Motorräder wie nur wenige Biografien. Das Leben des Herrn Leek beginnt 1946 in einer armen, aber großherzigen Familie in einer Kleinstadt nahe Göteborg. Bereits 1961 tritt das erste Moped auf, eine Zündapp KS 50 Sport. Ein Jahr später folgt eine Husqvarna 175 Silverpil. Spätestens 1964 entwickelt Jan dann jene Leidenschaft, die ihn bis heute prägt und verwandelt eine BSA 650 Golden Flash mit Super Rocket Kopf, Amal TT-Vergaser, Thruxton-Krümmer, Renntank und Stummellenker in einen Café-Racer.

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Parallel zur Motorradliebe wächst Jans Liebe zur Literatur, die ihn von vielen anderen reinen Motorrad-Enthusiasten unterscheidet. Alle großen Schriftsteller verschlingt er, eine Sympathie für skurrile Romane lässt sich nicht verleugnen. 1965 erwirbt er eine AJS 500 als Scrambler, 1966 eine Matchless G 12 CSR 650, „das schlechteste Motorrad, das ich je hatte“. Immerhin besucht er damit seinen ersten GP in Assen. 1966, grade 20 Jahre alt. Der Motorrad-Rennsport erwischt ihn wie die Liebe zu einer Frau. Noch ein großes Thema in Jans Leben: Frauen. Intensiv erlebt er seine Lieben, ähnlich innig seine Maschinen: 1968 die Honda 450 mit Halbschale, Stummellenker, Hoske-Tüten. Jan ist von der Matchless erlöst, schuftet für seine Magister-Arbeit und fährt zur Abkühlung Honda. Gleichzeitig kommt die zweite AJS („baute ich auf Scrambler um“) und 1970 die Moto Guzzi V7 Special. Auf ihr startet Jans Tourer-Leben. Er führt die Italienerin bis in den Iran. Nach 70.000 Kilometern tauscht er sie gegen eine V7 Sport und experimentiert nebenher mit einer Ex-Werksmaschine von Husqvarna.

Mit der XL 250 fährt Jan sein erstes Enduro-Rennen

Motorräder machen sich nun auch im Berufsleben des Motorrad-Gourmets breit. Er verbringt die frühen Siebziger im Qualitätsmanagement von Honda Schweden. Klar, dass ihn dabei eine umgebaute CB 750 und eine frisierte XL 250 begleiten. Mit der XL fährt Jan sein erstes Enduro-Rennen: „Nie wieder“. Um 1978 verlässt Jan Honda und fasst Fuß als Motorrad-Journalist. Seine oft philosophisch angehauchten Beiträge erscheinen in zahlreichen Motorrad-Zeitschriften. Sind geprägt von Hintergrundwissen, Fachkompetenz und Charme. Selbstdarstellung, Sendungsbewusstsein und Ellenbogengehabe überlässt der Schwede anderen. Er selbst bleibt bescheiden, bewahrt Contenance, Rückgrat und eine fast zärtliche Hingabe zum Thema Motorrad in all seinen Facetten.

Gleichzeitig ist er Rennleiter in mehreren schwedischen Langstrecken-Teams und holt 1982 mit den Fahrern Vesa Kultalahti und Peter Linden den fünften Platz in Le Mans. Zu Peter Linden, einem der erfolgreichsten schwedischen Rennfahrer, entwickelt sich eine lebenslange Freundschaft. Irgendwann wagt Jan den Sprung in die deutsche Eifel und erwirbt ein Haus in Leimbach nahe seines geliebten Nürburgrings. Hier bekommt er mit seiner dritten Ehefrau zwei Söhne: Björn und Malte. Er baut im Wohnzimmer des Hauses, das wie der Nürburgring aus dem Jahr 1927 stammt, eine SR 500 im Scrambler-Look auf („hätte ich weiterentwickeln sollen“), sodass die Jungen mit der Muttermilch den Bike-Bazillus aufnehmen. Der für alle Marken offene Jan wagt auch Beziehungen mit diversen BMWs. Eine R 100 RS begleitet ihn 53000 Kilometer, eine R 90 S bewahrt er sich zum späteren Aufbau. Dann kauft Jan eine R 100 GS. Nach vier Getrieben und vier Kardanwellen ist der Journalist froh, dass die zweitschlechteste Maschine, die ich je hatte“, endlich verkauft werden kann.

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1971 auf großer Fahrt mit der Guzzi V7 Special.

Mittlerweile ist Jan international vernetzt, hat unzählige Artikel in diversen Zeitschriften verfasst, etliche Bücher über Motorräder und Menschen geschrieben, sich an Romane gewagt und Bilder gemalt. Zudem hat er viele Motorsport-Enthusiasten aus ganz Skandinavien, aber auch aus England, an den Nürburgring geholt und miteinander verbunden. Selbst größere Wirtschaftsdeals beruhen auf Jans Vermittlungskünsten. So kauften zwei Schweden zwei traditionsreiche Hotels am Ring.

Neben seiner journalistischen Tätigkeit übersetzt Jan Texte auf Deutsch, Schwedisch und Englisch. Für MOTORRAD-Schweden übersetzt er bis heute Inhalte der deutschen Mutterzeitschrift. Zudem war er lange Instruktor auf der Nordschleife. Weit mehr als tausend Runden fuhr er. Am Schluss „war ich so alt, dass ich nur noch Krabbelgruppen leiten wollte“. Ein echtes Geschenk ist es, mit Jan auf Reisen zu gehen. Fast jede Gegend entlockt dem nunmehr 70 Jahre alten Schweden Geschichten aus einem schier unglaublich reichen Fundus.

"Die unkomplizierteste war die F 650 Dakar"

Mit seiner vierten Frau Gunda ist Jan endlich genauso glücklich wie mit seiner modifizierten Ducati GT 1000. Seine wichtigsten Motorräder im Leben? „V7 Sport, R 100 RS und meine aktuelle GT 1000. Die unkomplizierteste war meine F 650 Dakar“ (hatte er sich 2004 infolge von Bandscheibenproblemen gekauft).

Es ist schier unmöglich, die ganze Vielfalt und Tiefe von Jans Persönlichkeit wiederzugeben, doch last but not least noch dieses Eingeständnis: „Ich bin bekennender Helm-Freak: Die ersten Wochen mit einem neuen Helm kann es vorkommen, dass ich ihn mit aufs Klo nehme, nur um ihn zu bewundern … Therapie unbekannt. Außerdem mag ich die Gebrauchsspuren, die ihn fortan zeichnen: Insekten, Kratzer, matt werdender Lack.“ Jans eigener Lack ist noch lange nicht ab. Nach wie vor führt er Gruppen durch seine Wahlheimat Eifel, besucht Rennen, schraubt, schreibt, liebt und lebt. Wenn er auch nicht als Racer berühmt wurde, so hinterlässt er doch bis heute gewaltige Spuren in der Motorradwelt. Kein Wunder, dass man ihn irgendwoher kennt.

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MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023