Bleibt Troy?
Ein ganzes Jahr lang hatte er es laut und deutlich verkündet: Diese Superbike-WM-Saison würde ganz sicher die letzte des Troy Bayliss sein. Genauso sicher würde der australische Ducati-Werksfahrer den Titel holen und damit als dreifacher Weltmeister (2001, 2006 und 2008) nach Taree zurückkehren – in ein, wie es der große Meister selbst bezeichnet, „wirklich kleines Nest“ in New South Wales. Unmittelbar nach seinem letzten Rennen beim Saisonfinale in Portimão, das er standesgemäß mit einem krass überlegenen Doppelsieg beendet hatte, redete der 39-Jährige, noch in der Lederkombi, schon von den wesentlichen Dingen seines auf ihn zukommenden neuen Lebens: „Meine Frau Kim und ich sind uns schon länger einig, dass vor allem auch für unsere drei Kinder Ende dieses Jahres der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um nach Australien zurückzukehren. Damit werden wir in der nächsten Zukunft jede Menge zu tun haben. Der große Umzug will vernünftig organisiert sein und wird uns ganz schön auf Trab halten.“
Auf Fragen nach dem eher actiongeladenen Teil seiner näheren Zukunft wiegelte der gute Troy ab. „Ich werde ganz sicher nicht, wie vielfach berichtet, schon 2009 direkt in die australische V8-Super-Tourenwagen-Meisterschaft einsteigen. Ich kann mir zwar vorstellen, mit diesen großen Autos unheimlich viel Spaß zu haben. Aber erst einmal muss ich in Ruhe in meinem neuen Leben und auch wieder in meiner Heimat ankommen“, erklärte der Familienvater und fügte hinzu: „Meine Kinder sollen künftig sehr viel mehr von ihrem Vater haben.“ Mitch (13 Jahre alt), Abbey (11) und Ollie (4) werden also, so lautet der Plan, für die nächsten Jahre Troy Bayliss’ Lebensmittelpunkt darstellen. Mitten in diesem vorgezeichneten Idyll eines glücklichen Ex-Rennfahrers, der auf perfekte Weise genau den richtigen Zeitpunkt gefunden zu haben schien, seine Laufbahn zu beenden, – ein Unterfangen, an dem nicht wenige große Sportler gescheitert sind – landete nun ein fröhlich-bunter Fehdehandschuh aus Norditalien. Dorthin geworfen hatte ihn kein Geringerer als Valentino Rossi. Ausgerechnet der sechsfache Weltmeister in der Königsklasse des Motorradrennsports bekundete plötzlich massives Interesse an den Superbikes: „Die Superbike-Weltmeisterschaft hat sich zu einer hervorragenden Rennserie entwickelt“, lobte der Doktor. „Es wäre für mich sehr reizvoll, dort vielleicht gelegentlich mal anzutreten. Leider ist jedoch mit Troy Bayliss der absolute Top-Fahrer gerade zurückgetreten. Aber vielleicht könnten wir ihn ja zu einem Comeback für das eine oder andere Duell der Champions überreden – er mit seiner Werks-Ducati und ich mit einer Yamaha YZF-R1.“
Eine völlig verrückte, aber eben keine weltfremde Idee. Denn das Ducati-Corse-Team hätte wohl jederzeit eine einsatzfähige 1098 F09 für seinen Superhelden parat. Valentino Rossis Fiat-Yamaha-Grand-Prix-Team und die Yamaha-Italia-Superbike-Werksmannschaft arbeiten im Hause des italienischen Yamaha-Importeurs ohnehin Tür an Tür. Das Frührentner-Paradies des Troy Bayliss down under im australischen Outback ist also erschüttert, noch bevor er überhaupt richtig dort angekommen war. Der Superbike-Champ zeigte mehr als oberflächliches Interesse: „Eigentlich eine sehr witzige Idee; so ein Duell mit Valentino würde sicherlich die Fans begeistern.“ Und dabei hätte der alte Fuchs auch die besseren Karten, denn Troy Bayliss besiegte den großen Valentino beim letzten Aufeinandertreffen deutlich und schriebim MotoGP-Finale 2006 in Valencia Rennsport-Geschichte: Mit einem überzeugenden Sieg schaffte es der damals zweifache Superbike-Weltmeister als bislang einziger Rennfahrer überhaupt, innerhalb derselben Saison sowohl ein MotoGP-Rennen als auch einen Lauf zur Superbike-Weltmeisterschaft zu gewinnen, während Rossi mit einem Sturz den schon sicher geglaubten Königsklassen-Titel noch an den US-Amerikaner Nicky Hayden in Diensten von Honda verlor. Vielleicht hat Rossi genau dieses Alleinstellungsmerkmal des Australiers im Visier, und möchte mit einem Superbike-WM-Rennsieg, am besten vor einem zweitplatzierten Troy Bayliss, gleich- und vorbeiziehen. Aber Valentino, Troy und die Fans sollten die Rechung nicht ohne Familie Bayliss machen, die nach den Rennen in Portugal 2008 ein neues Motto hat: Seit Sonntag gehört der Papi uns.
Troy Bayliss - Steckbrief

Geboren: 30. April 1969 in Taree/New South Wales, Australien, verheiratet mit Kim, drei Kinder, Mitchell, Abbey und Ollie.
Wohnort: Monaco, demnächst wieder Taree
Autogrammadresse: Troy Bayliss c/o Ducati Xerox Team, Via Provinciale 35/c, 40056 Crespellano (BO), Italien
Homepage: www.troybayliss.com
Rennkarriere
1992 erste Rennen
1993 Teilnahme an der nationalen australischen Supersport-Meisterschaft (entspricht unserer B-Lizenz)
1994 Sechster der australischen Supersport-Meisterschaft
1995 Australischer Supersport-Vizemeister
1996 Dritter der australischen Superbike-Meisterschaft auf
Suzuki
1997 Australischer Superbike-Vizemeister, als Wildcard-Fahrer zweimal Fünfter beim Superbike-WM-Rennen in Phillip Island und damit 20. der Superbike-WM auf Suzuki GSX-R 750, als Wildcard-Fahrer Sechster beim 250-cm³-Grand-Prix Australien in Phillip Island und damit 27. der 250er-WM auf Suzuki RGV 250
1998 Achter der Britischen Superbike-Meisterschaft und 40. der Superbike-WM auf GSE-Ducati
1999 Britischer Superbike-Meister auf GSE-Ducati
2000 Sechster der Superbike-WM auf Ducati
2001 Superbike-Weltmeister auf Ducati
2002 Superbike-Vizeweltmeister auf Ducati
2003 Sechster der MotoGP-WM auf Ducati
2004 14. der MotoGP-WM auf Ducati
2005 15. der MotoGP-WM auf Camel-Honda
2006 Superbike-Weltmeister und MotoGP-Sieger in Valencia, damit auch 19. der MotoGP-WM auf Ducati
2007 Vierter der Superbike-WM auf Ducati
2008 Superbike-Weltmeister auf Ducati
2009 Superbike-Duell mit Rossi?