Als Schreiber bei PS lautet dein erster Job, ein Heft zu machen. Natürlich ist es kein Fehler, selbst zu erfühlen, was im Rennsport so abgeht. Tobi hielt im R6-Cup die linke Wange hin und bekam prompt auch die rechte gewatscht.
Als Schreiber bei PS lautet dein erster Job, ein Heft zu machen. Natürlich ist es kein Fehler, selbst zu erfühlen, was im Rennsport so abgeht. Tobi hielt im R6-Cup die linke Wange hin und bekam prompt auch die rechte gewatscht.
Ich sitze auf einer Yamaha YZF-R6 und lasse es in Hockenheim von rechts außen voll in die Sachskurve reinlaufen. Plötzlich ballert jemand links an mir quer vorbei und es schlüpfen sogar noch zwei andere hindurch. Schnell hinterher! Das Motorrad kreischt bei 15.300/min schrill in die Welt hinaus, und ich werde am nächsten Kurvenausgang schier aus dem Sattel gehoben. Mit allem, was der drehzahlgeile Bock hergibt, geht es dann die Parabolika zur Queranbindung hinunter. Stehen lassen, lass bloß das Gas stehen! Ich will punktgenau bremsen, aber mein rechter Arm verkrampft so stark, dass ich kaum mehr genügend Kraft habe, den Hebel zu ziehen. Oh, oh. Das wird knapp.
Wochen zuvor war vielleicht meine geringe Hemmschwelle bei Risikoaktivitäten der Auslöser dafür, dass PS-Kapo Uwe Seitz zu mir sagte: „R6-Cup! Du solltest mal R6-Cup fahren!“ Meine bisherige Rennfahrervita weist lediglich einen Gaststart beim Triumph Street Triple-Cup und zwei bei der Trofeo Italiano auf. Ist das ein Manöver, um mir Demut beizubringen? Egal. Man wächst mit seinen Aufgaben, und kneifen gilt in meinen Augen nicht.
Ein Anruf bei R6-Cup-Chef Thomas Kohler machte die Sache perfekt. In Hockenheim sollte es Ende September so weit sein. Im Rahmen des IDM-Saisonfinales würde ich beim Abschlussrennen des R6-Cups mit der Pressemaschine ausrücken. Ich war begeistert, sah der Sache jedoch auch mit etwas mulmigen Gefühlen entgegen: „Die werden mich dort ganz brutal verprügeln.“ Dass ich am Ende recht behalten sollte, schmeckt selbst jetzt noch wirklich bitter. Aber der Reihe nach.
Vor Ort lerne ich Christian kennen, neben Norbert der zweite Technik-Guru im Yamaha-Team und in Cup-Fragen äußerst sattelfest. „Wo ist denn dein Team?“, fragt er mich. Während ich mich wundere, wozu ich denn ein Team brauche, stellt Christian mir schon Sven und Laura vor.
Sven, aufgrund seiner norddeutschen Herkunft und langen Haare Seeräuber genannt, kann auf zehn Saisons R6-Cup zurückblicken und weiß, wie der Hase läuft. Laura kommt von 2D-Datarecording und kann mir anhand der Aufzeichnungen erklären, was dort draußen auf der Strecke passiert, das ich gar nicht mitbekomme.
Wir beginnen mit der Anpassung meiner Yamaha YZF-R6, stellen Hebeleien und Fußrasten für mich ein. Dann geht‘s vor zum Öhlins-Servicemann Laszlo, der sich um das Fahrwerks-Setup der Yamaha kümmert. Alles ist bis ins Detail organisiert und alle hier, außer vielleicht mir, haben einen echten Plan, wie Racing so richtig läuft.
Zum IDM-Saisonfinale überzieht eine riesige Zeltstadt das Fahrerlager, und die Atmosphäre trichtert mir langsam ein, dass ich mich nicht auf einer harmlosen Hobby-Veranstaltung befinde. Spätestens jetzt steigt die Nervosität, und es wird Zeit für das erste Training. Ich rücke zur Kontaktaufnahme mit Motorrad, Reifen und Strecke aus.
Beeindruckend, wie scharf die 600er fährt. Obwohl nur das Fahrwerk und die Peripherie wie Hebel, Rasten und Verkleidung gemacht sind, benimmt sich die Maschine völlig anders als in Serie. Diese Yamaha YZF-R6 ist hart, direkt und ehrlich. Mir kommen Svens Worte in den Sinn: „Die R6 will geritten werden, du musst sie richtig anpacken!“ Und tatsächlich funktioniert ein hackiger Tausender-Fahrstil überhaupt nicht. Die Cuppis fliegen nur so an mir vorbei, prügeln die 600er präzise in die Sachskurve und überholen mich sogar in der Parabolika.
„Wie kann das sein, ich fahre doch Vollgas!“, frage ich mich. Laura wirft dazu später mit mir einen Blick auf das Datarecording und verpasst mir eine so simple wie ernüchternde Antwort: „Du bremst zu früh und gehst zu spät ans Gas. Sieh zu, dass du die Abstände zwischen Bremsen und Gasgeben verkürzt, dann wirst du schneller.“ Christian schiebt noch hinterher: „Beim Schalten sind die Abstände zwischen Gas zu und wieder auf ebenfalls zu groß, siehst du das?“ Er deutet auf eine von weit gespreizten Zacken gespickte Linie auf dem Bildschirm. „Es ist ja schön, dass du unser Motorrad so schonst. Schnell macht dich das allerdings nicht.“ Im zweiten Training läuft es besser und ich finde 1,5 Sekunden. Dafür habe ich das Heck beim Anbremsen dauernd in der Luft, und beim Rausbeschleunigen schmiert das Hinterrad teilweise stark weg.
Ständig fürchte ich Highsider. Laszlo bestückt das Öhlins-Federbein mit einer härteren Feder, und wir stecken die Gabel für das erste Qualifying etwas durch. Jetzt weiß ich, warum man ein Team braucht. Der Fahrer kann unmöglich alleine das Motorrad fit machen, den Zeitplan im Auge behalten und dann draußen auf der Piste noch Nägel einschlagen. Leute, ich bin euch ausgeliefert – und unendlich dankbar!
Das erste Qualifying steht an, und das Motorrad funktioniert für mich wirklich gut. Ich gewöhne mich daran, die 600er permanent zu prügeln und sie in die Kurven hineinzudriften. Nur niemals die Drehzahl absinken lassen, sonst hast du verloren! In der Parabolika überholt mich jetzt keiner mehr, was dafür spricht, dass ich aus der Einfahrt viel besser herauskomme. Als schnellste Zeit stehen 1.38,0 min auf der Uhr (wir fahren den IDM-Kurs), und ich komme an den Punkt, an dem ich nicht mehr weiß, wie ich jetzt noch schneller werden soll. Dazu kämpfe ich mit verkrampften Unterarmen und kann die Bremse nicht mehr so stark ziehen, wie ich gerne möchte. „Alles Kopfsache“, sagt Norbert. „Du musst dich entspannen und atmen.“ Er hat sicher recht, aber im zweiten Qualifying geht nichts mehr.
Mit noch zwei Verfolgern im Nacken stehe ich also in der Startaufstellung zum Rennen, das komplette Feld befindet sich vor mir. Das habe ich mir schon anders vorgestellt. Seltsamerweise bin ich ziemlich ruhig und ich glaube, dass mich genau das langsam macht. Schnell bist du doch nur mit ein bisschen Schaum vor dem Mund und gesunder Risikobereitschaft. Am Start komme ich gut weg und überhole zwei, wenn nicht sogar drei Fahrer. Leider schnupfen sie mich innerhalb der nächsten zwei Runden wieder auf. Die Cuppis fahren einfach schneller in die Kurve rein und wieder raus. Das summiert sich über die Renndistanz ganz schön, und das Feld zieht immer weiter aus meinem Blickfeld. Mit konstanten 1.37er-Zeiten spule ich die Runden ab und bin fahrerisch an meinem persönlichen Limit. Der eine oder andere Beinahe-Highsider geht gut, aber wenn ich noch mehr pushe, werfe ich die Yamaha YZF-R6 ganz sicher weg. Gegen Ende lässt dann noch die Konzentration nach 13 Runden extrem nach, und ich gehe in der Nordkurve weit über den Grünstreifen raus. Verdammt, mein letzter echter Verfolger schlüpft tatsächlich auch noch durch. Die Zielflagge senkt sich wie ein erlösendes Henkersbeil, völlig platt lasse ich die R6 in die Auslaufrunde rollen. Vorletzter. Herrgott noch mal, das darf nicht wahr sein!
Später fragt mich jemand, was nun schwieriger gewesen sei: Backflip springen (siehe PS 10/2015) oder R6-Cup fahren. Um ehrlich zu sein, sagt der Realitätscheck, dass ich wohl beim Backflippen bleiben sollte. Ein sauberes Ergebnis beim Yamaha-Cup zu erzielen, stellt mich jedenfalls vor die deutlich größere Herausforderung. Mit mehr Training und Plan sollte was zu machen sein. Warten wir 2016 ab. Ein Mal ist kein Mal, dafür macht dieser Sport zu süchtig!