
Mein peinlichstes Motorrad-Erlebnis ist eingebettet in zwei weitere Pleiten-Highlights: Der Zweirad-Virus beherrscht Kindheit und Jugend. Mit 14 überrede ich einen Freund, mir seine flammneue Herkules M5 zu leihen. In der dritten Kurve trägt es mich bei Topspeed 40 km/h weit hinaus und ich schlitze einen entgegenkommenden Ford Granada auf. 10000 Mark Schaden. Bis zum 18. Geburtstag ist elterlicherseits fortan jedes motorisierte Engagement untersagt. Endlich volljährig. Direkt am Geburtstag im kalten Februar absolviere ich die Führerscheinprüfung Klasse 1 mit Bravour. Als Anerkennung überlässt mir die Fahrschule für ein paar Stunden das Schulbike, eine Honda CM 400 T. Stolz pröttle ich mit dem Chopper zum Elternhaus, mehr als drei Kurven sind es nicht. Just in time blicken Familie und Nachbarn aus den Fenstern. Die Eisplatte vor dem Haus nehme ich nicht wahr. Meine Honda kommt quer, der folgende Highsider schleudert Mensch und Motorrad in die gläserne Eingangstür. Nach der Rekonvaleszenz halte ich es nicht mehr aus und leihe mir bei einem Suzuki-Händler eine Katana 1100 für einen Tag. Ohne Kasko. Heillos überfordert von der Leistung schaffe ich die dritte Kurve nicht und knalle geradeaus in ein Wäldchen. Ein Bordstein reißt gleich noch alle vier Krümmer ab. Tat weh und war richtig teuer. Aber ist lange her und alles wieder heil. Der Leidenschaft hats nicht geschadet.

Ich war jung und hatte Geld. 1200 Mark. Hart verdient bei einem Ferienjob, Säcke schleppen in einer Fabrik. Streng genommen noch Kinderarbeit, aber egal. Mit fünfzehn reichte das für den Führerschein 1B und eine gebrauchte 80er. Wie geil! Der harten Arbeit Lohn stand nun also in der Garage - und nur noch vier Monate bis zum 16. Geburtstag, vier Monate bis zur Gültigkeit meiner Fahrerlaubnis, bis zu meiner Freiheit. Dann endlich raus aus dem Kleinstadtmuff, rein ins pralle Leben. In meinen Träumen sah ich mich in Oldenburg, Bremen, vielleicht sogar in Hamburg die schönsten Prachtstraßen abfahren. Alle Augen auf mich gerichtet. Wähnte mich schon mit einer hübschen Sozia, aufgegabelt im Nachbarkreis, dort, wo die Mädels mich noch gar nicht kannten. Mich, den starken, neuen Burschen mit eigenem Moped. Die Dorfdisko wird jubeln, war ich mir sicher. In Vorfreude verging dementsprechend kein Tag, an dem ich nicht in der Garage um die Maschine herumschlich, meist von ein paar neidischen Kumpels umringt, die einen ähnlichen Traum hatten. Aber eben nicht das Geld. Räng-täng-täng, räääääng, täng, raääääng - na klar, eine Soundprobe im Stand war fester Teil der Vorführung. Gleich noch mal: räng-täng-täng. Nun ist ein Zweitakter zwar keine Harley, aber um die Freunde zu beeindrucken, reichte es allemal. Und die Freunde meines Bruders. Und die Nachbarskinder. Und Cousins und Cousinen. Räääääng! Play it again, Sam ... Die Spielzeit mit etwa drei Aufführungen pro Tag dauerte ein paar Wochen, in der Kleinstadt wusste mittlerweile jeder, dass der kleine Dentges bald ein motorisierter Vollwert-Mitbürger sein würde. Mit stolzgeschwellter Brust holte ich an meinem 16. Geburtstag den Führerschein vom Amt ab, kickte die 80er mit Pathos an: Räng-täng-täng. Rääääng-tääääng ... krach, würg, sprotz. Aha, so klingt also ein kapitaler Motorschaden. "Da muss was mit der Ölversorgung nicht in Ordnung gewesen sein", erklärte man mir in der Werkstatt. Ob ich im Stand mal das Gas zu weit und zu lang aufgerissen hätte? "Tut Zweitaktern nämlich gar nicht gut", erklärte mir der Meister und rechnete mir dann die Reparaturkosten vor. Die 80er stand danach erstmal still, und der kleine Dentges wieder mit beiden Füßen auf dem Boden.

Umzug von der Stadt aufs platte und eher kurvenarme norddeutsche Land. Frau Herders Motorrad ist TÜV-fällig. Ich habe ein paar Tage Urlaub und biete an, die zwei Jahre und gerade mal 2000 Kilometer alte Kawasaki GPZ 500 S zwecks Hauptuntersuchung in die 30 Kilometer entfernte Kreisstadt zu fahren. Die einzige 90-Grad-Rechtskurve auf dem Weg dorthin befindet sich im Nachbarort, praktisch in Sichtweite meines Kawasaki-Händlers. Am Ortseingang des Nachbarorts kann ich mit vollen 60 Kawa-PS einen dahintrödelnden Chopperfahrer locker aufschnupfen und entscheide mich fatalerweise dazu, ihm in besagter 90-Grad-Rechtskurve ein eindrucksvolles Beispiel meines fahrerischen Könnens zu bieten. Den handtellergroßen Bitumenflicken im Scheitelpunkt jener Kurve kennt jeder. Jeder Einheimische, wie mir mein Kawasaki-Händler später feist grinsend bestätigen wird. Ich kenne ihn noch nicht ... Die GPZ 500 S meiner Frau rutscht funkensprühend voran, ich rutsche hinterher, der Bürgersteig bremst uns beide ab, und der mittlerweile eingetroffene und feist grinsende Chopperfahrer fragt, ob er irgendwie helfen könne. Nein, danke! Mit der angeschlagenen Kawa gibt es dann beim TÜV mit "geringen Mängeln" doch noch die Plakette - vermutlich aus Mitleid. Die Sturzteile bescheren meinem Kawasaki-Händler einen Umsatz von rund 2000 Mark und mir ein Schrauberwochenende in der Garage. Den winzigen Bitumenflicken im Scheitelpunkt gibt es immer noch. Ich bin jetzt schon lange Einheimischer und warte nur darauf, dass sich der nächste frisch Zugezogene dort auf die Klappe legt.
Selbst ein Pannen-Held? Gebt's uns in den Kommentaren ...

Morgens kurz vor Abfahrt in der Tiefgarage des Hotels. Als frisch gebackener Tourguide auf meiner ersten selbstgeführten Toskana-Tour war ich 26 Jahre jung und stolz wie Oskar. Meine eigene Reise mit meiner eigenen Gruppe! Meine VFR 750 war zwar nicht das optimale Tourguide-Gerät, aber man kann ja auch langsam damit fahren, wenn es sein muss.Nun ging es aber erst einmal darum, aus der Garage raus ins Freie zu kommen. Und da meine Honda als Letzte an der Reihe war, wollten meine Teilnehmer mir das Garagentor öffnen. Da mir, wie allen anderen, die kleine Eingangstür aber reichen sollte, lehnte ich dankend ab, rief: "Nicht nötig, ich passe da schon durch!" Und gab Gas.Millisekunden später war ich auch draußen. Allerdings liegend. Meine Tour-Teilnehmer hatten Recht behalten. Denn ich hatte völlig vergessen, dass ich mir eigens für diese Reise einen Gepäckträger ans Motorrad hatte bauen lassen. Und an das Gestänge passten die großen Krauser-Koffer hervorragend. Nur leider nicht durch die Eingangstür ...

Es passierte irgendwann im Sommer 2001: Jungredakteur Lohse pfeilt mit der brandneuen Kawasaki ZX-12R über die Autobahn. Das giftgrüne Powerbike musste nach erfolgreichem Test zurück zum Importeur. Ein minimales Zucken in der rechten Hand reichte, um die Blechkäfige in den Spiegeln ins Nirwana zu beamen. Vor den Nüstern der Kawa spannt sich die freie Bahn auf. Selbst große Siebener, Achter und die S-Klassen dieser Welt verharren respektvoll ganz weit rechts. Im Kopf dröhnt David Bowies Major Tom und Born to Run vom Boss. Der dröhnende Fahrtwind zerfetzt jeden Gedanken: Egal, heute ein König, und seine 180 feurigen Pferde haben mal so richtig Auslauf! Die Reserveleuchte katapultiert in die Realität zurück. Die rettende Tankstelle naht, jetzt ein perfekter Boxenstopp und nur schnell zurück in den irrsinnigen Rausch jenseits der 250! Major Tom schwingt sich vom Sattel, an der Zapfsäule glotzt eine kleine Großfamilie aus ihrem TDI. Sieht, wie die Ninja zu Boden kracht. Und auch ich bin geerdet. Warum? Habe vergessen, den Seitenständer auszuklappen ...

Naja, da hat sich im Laufe der Jahre doch einiges an Peinlichkeiten angesammelt. Am allerpeinlichsten war aber ganz klar eine Verwechslung. Hamburg, Elbtunnel, Stau, ich muss da durch. Gekonnt schlängele ich mich durch die Fahrzeugkolonnen und atme richtig durch, als Hamburg endlich hinter mir liegt. Vor mir die leere dreispurige Autobahn - und ein gammeliger Opel Omega auf der linken Spur. Konsequent fährt der 80 Sachen, ich hinterher. Nach drei Kilometern - der Fahrer des Opel verstößt knallhart gegen das Rechtsfahrgebot - überhole ich ihn einfach. Rechts halt. Wie von der Tarantel gestochen,
hängt sich die Popelkarre an mich ran.
Na - dämmerts? Mir natürlich nicht. Dem zeige ich, was in meiner 1000er steckt, und distanziere ihn gnadenlos. Bei 230 Sachen muss er abreißen lassen, die Aprilia rennt tapfer 270. Dumm nur, dass hier die Geschwindigkeit begrenzt war, noch dümmer, dass ich so schnell war, dass ich es nicht einmal lesen konnte. Am allerdümmsten, dass mich der Omega wieder einholte, dann allerdings mit einem blau blinkenden Lämpchen auf dem Dach. Die Jungs im getarnten Polizei-Omega hatten einen brillanten Film gedreht, den ich mir ausführlich ansehen durfte. Sichtlich gerührt stammelte ich ihnen meine große Dankbarkeit in den Strafmandatsblock. Schließlich bewahrten sie mich drei Monate davor, mit weiteren Motorrädern Blödsinn zu fabrizieren. Mein neues Auto stellte ich auch gleich in die Garage. Und drei Monate Radfahren und Laufen haben ja auch noch niemanden geschadet.

Es war 1996. Mein erster Einsatz als Fotofahrer, damals noch für "motorrad reisen und sport". Beinahe wäre er mein letzter geworden. BMW-Boxer-Vergleichstest. Irgendwo in den französischen Alpen. Der Testchef, viel Gelände-Erfahrung, wollte ein spektakuläres Foto von der R 1100 GS. Also schnappte er sich an einem Gebirgsfluss die dicke Kuh und stieb mit Anlauf durchs reißende türkisfarbene Wasser. Es spritzte nach allen Seiten. Sah wild aus. Fotograf Frank Ratering war zufrieden. Aber das Unheil kam auf leisen Sohlen. "Mach auch mal", forderten die Kollegen mich Greenhorn auf. Mutprobe oder Riesenspaß? Ich schwankte, wollte aber kein Feigling sein. Instinktiv nahm ich noch die Koffer ab, könnte ja nass werden. Dann Motor starten, tief durchatmen. Los!
Das Letzte, was ich hörte, war die Stimme des Fotografen. "Fahr mehr rechts ..." Ich stellte mich in die Rasten, Knie am bauchigen Tank, gab dem Motor die Sporen. Gischt, tausend Tropfen zerplatzten auf dem Visier, nahmen mir die Sicht. Trotzdem, fühlte sich gut an, die Kuh fliegen zu lassen. Aber irgendwie war mir entgangen, dass die Farbe des Wassers sich dramatisch änderte. Aus dem hellen Grün wurde ein tiefes Blau. Haben alle am Ufer gesehen. Nur ich nicht. Und dass sie hinter mir her riefen, habe ich auch nicht gehört. Aber ich merkte: Irgendwas stimmt nicht. Die Front tauchte plötzlich immer weiter ab. Meine Beine wurden nass. Jetzt bloß am Gas bleiben, keinen Schwung verlieren, nur noch drei Meter zum Ufer, noch zwei, einer.Ich weiß nicht mehr, ob der Boxer gurgelte, bevor er schlagartig ausging. Ab da verlief alles wie in Zeitlupe. Ganz langsam neigte sich das Bike, entglitt mir. Die Strömung übernahm, legte die 1100er quer, wenige Zentimeter vorm Ufer. Ich sprang ab, war kurz vorm Heulen. Von der BMW schauten nur noch ihr rechter Zylinder und die rechte Lenkerhälfte aus dem Wasser. Allein wieder aufrichten? Unmöglich.
Mit vereinten Kräften zogen wir die GS an Land. Kaum zu glauben, wie viel Wasser so ein Motorrad ziehen kann. Der Bosch-Block-Scheinwerfer war ein Aquarium, in den Instrumenten schwappte es. Beim Rausdrehen der Zündkerzen kam uns je ein strammer Wasserstrahl entgegen. Auch der Auspuff war komplett geflutet. Wir stellten die Karre am Hang senkrecht, sogar über 90 Grad, bis alles raus war. Aber die BMW war vollgestopft mit Elektronik, Einspritzung und ABS. Wie die den Tauchgang wohl verkraftet haben?
Es dauerte zwei Stunden, bis wir alles demontiert, ausgekippt und wieder montiert hatten. Dann der Druck aufs Knöpfchen. Die Batterie hatte noch Saft. Wir spülten das letzte Wasser aus den Zylindern, schraubten die Kerzen wieder rein. Niemand hatte bis dahin gemeckert. Aber die Stimmung war angespannt. Was, wenn der Motor hin war? Die Fotos waren noch nicht im Kasten, wir hatten noch nicht genügend Test-Eindrücke. Und keinen Plan B.
Aber: Leicht sprotzelnd nahm der Boxer die Arbeit auf. Die GS lief! Okay, das Öl war über Maximum und schön kakao-braun, eben verdünnt. Der nasse Drehzahlmesser zeigte permanent im roten Bereich an, und das ABS war tot. Aber die Maschine lief. Erst mal nur ganz vorsichtig bis zum nächsten Ort, wo wir gleich das Öl wechselten. War wohl etwas spät. Denn den Rest der Tour lief der Boxer deutlich rauer als in den anderen Maschinen.Irgendwann gesellten sich auch das ABS und der Drehzahlmesser wieder dazu. Ich habe mich tausendmal bei den Kollegen entschuldigt, und mit ein paar von mir bezahlten Getränken war abends für sie die Sache erledigt. Vergesse ich ihnen nie.

Trotz rechtzeitigem Eintrudelns am Flughafen aus purer Blödheit verpasster Flieger, die Yamaha SR 500 mit Diesel betankt, die LC4 nicht angekriegt, vielversprechende Dates versemmelt, alles peinlich. Aber thats life. Vom Gefühl her viel peinlicher war das damals in Bremen, obwohl's in voller Absicht geschah, und sogar stocknüchtern. Nur bei der Idee dazu war Alkohol im Spiel: Wir machen den Wallraff, ziehen Frauenklamotten an, schleichen uns unerkannt beim jährlichen Ladies of Harley-Treffen ein! Eine knallharte Undercover-Reportage sollte es werden. Schonungsloser Enthüllungsjournalismus: "So feiern Frauen ..." Sogar die Überschrift wussten wir gleich: Born to be Weib! Was haben wir gelacht, damals, an dem Abend auf der Fighterama, im November 2004.
An jenem bewussten Samstagmorgen im Juli 2005 war mir das Lachen dann aber vergangen. Noch am Abend zuvor waren wir fünf harte Jungs gewesen, auf Harleys von Stuttgart nach Bremen gebrettert. Cool. Jetzt trugen wir nuttigen Lippenstift, billige Perücken, enge schwarze Lederminis, lila Lidschatten und blasse, entsetzlich unrasierte Beine. So in die Öffentlichkeit? Wenn wenigstens Karneval wäre. Der Kloß in meinem Hals fühlte sich gar nicht cool an. Aber es war zu spät für einen Rückzieher. Was sollte ich sagen? Migräne? Oder dass ich ganz überraschend meine Tage gekriegt hätte?
Klaus, Gerd und Manuel ging es wohl nicht viel besser. Nur Manni durfte wenigstens seine speckige, braune Lederhose anlassen. Sein Hintern war für den Minirock einfach zu dick. Also taten wir es. Für Volk und Vaterland. Raus aus dem Zimmer, runter in den Frühstücksraum der Bremer Jugendherberge. Sie war an jenem Samstag Dreh-, Angel- und Treffpunkt des jährlichen Treffens der "Ladies of Harley" (www.mary-moelder.de). Und da saßen sie alle: gemütlich vor Marmeladenbroten und Müslischalen.
Bei unserem Anblick fiel den arglos frühstückenden Harley-Treiberinnen fast der Teebeutel aus der Hand: Männer!?! Wir waren sofort enttarnt ... Doch überraschenderweise nahmen die Damen unsere Invasion mit Humor, gaben uns wertvolle Schminktipps, zupften schief sitzende BHs zurecht und erklärten schließlich, dass wir beim Korso mitfahren dürften. Für die falschen Ladies wurde das Ladies of Harley-Treffen dann doch noch ein sehr entspannter Tag. Und fürs Heft gab es eine prima Geschichte. Es war übrigens die Zeitschrift "mopped", wofür die Truppe damals gearbeitet hat. Was bis heute keinem peinlich ist.
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