Pffffffft. Ein Kompressor drückt Luft in einen Transporterreifen. Ruhig und gelassen hantiert Edgar Kindsvogel mit dem Manometer in seiner Werkstatthalle. Hektik gehört nicht zu den Wesenszügen des 64-Jährigen. Vielleicht auch normal für jemanden, der an Silvester geboren wurde und ein Feuerwerk als Startsignal kennenlernte. In der Trialszene nennen sie ihn nur den „Kivo“. Was man aber schon immer pluralisieren konnte. Denn den Kivo gibt es auf dem Rennplatz nur mit Ehefrau Ilse. Lässt man nun den kivoschen Zirkel kreisen, geht es munter weiter. Auch Tochter Sabine, Sohn Andreas, sowie Schwiegertochter nebst Schwiegersohn plus Enkel verbindet ein Thema an allen Tagen der Woche. Besonders intensiv leben die Kivos dieses Thema an den Wochenenden aus: Trial, Trial und nochmals Trial.
Das Pffffft ist schon wieder Vergangenheit, der eine Kivo-Renntransporter fast schon wieder startklar, um aus dem badischen Kraichtal-Münzesheim heraus über eine Autobahn ein Trialgelände anzusteuern. Privat, beruflich - da gibt es bei den Kivos wenig Trennung. Am Osterwochenende möchte Kivo I nach Belgien in die Ardennen zum Klassiktrial. Sohn Andy, Kivo II, der zur aktiven Zeit in Deutscher, Europa- und Weltmeisterschaft unterwegs war, gibt einen Triallehrgang. Schon 1968 begann Edgar Kivo mit der Geländefahrerei. Damals gab es noch nicht so eine klare Trennung wie heute. Enduro? Motocross? Trial? Da donnerte der jugendliche Edgar eben mit Zündapp und Maico in Odenheim umher. Als die Entwicklung im Offroadsport begann, die Trennlinien schärfer abzuzeichnen, entschied sich Kivo - auch in Absprache mit Gattin Ilse - für den Trialsport. „Ruhiger und familiärer geht es da zu“, meint Edgar.

Gar nicht ruhig meint es dagegen der Staubsauger, der aus dem Transporter herausbrummt. Der Patron arbeitet höchstpersönlich und energisch an der Sauberkeit im Rennfahrzeug. Auch wenn jetzt der Einsatz im belgischen Aywaille mehr der persönlichen Erbauung dient, muss das Servicemobil erstklassig dastehen. Ehrensache. Genauso wie sein aktuelles Einsatzfahrzeug im Klassiktrial - eine luftgekühlte Viertakt-Twinshock-Honda. Denn egal, wo der Kivo eben auftaucht, in dieser kleinen Szene kennt eh jeder jeden. Und noch mehr als jeden kennen die Leute den Kivo. Technischer Ausfall, schlappe sportliche Leistung oder gammeliger Auftritt: Das kann, aber vor allem will der Edgar sich nicht leisten. Also heißt es ranklotzen und Zeit zu finden.
Zeit, die er eigentlich nicht schnitzen kann. Morgens um acht hundert eben frisch angelieferte Reifen ausladen, bei einer GasGas das Getriebe reparieren, Probefahrt machen, Teile für eine Sherco bereitstellen, eine neue Beta fahrfertig machen, mit den Kunden Schwätzchen halten. Das Hobby zum Beruf machen, den Beruf zum Hobby machen. 1980 begann der gelernte Automechaniker, der einen Baumaschinen-Service leitete, im Nebenerwerb mit einem Fahrzeughandel. Damals Fantic-Trialmotorräder. Im Trial kommen und gehen die Hersteller. Kivo blieb. Baute 1996 eine große Halle, die bis heute aktuellen Räumlichkeiten des Familienbetriebes. Mutter Ilse macht das Büro, fährt zur Post, kocht, Andy Kindsvogel ist das lebende Lexikon für Ersatzteile, Tochter Sabine kümmert sich um Buchhaltung, ihr Mann fräst und biegt die Alu-Zubehörteile.

Wer in dieser überschaubaren Szene dabeibleiben möchte, muss raus, muss zum Kunden. Bis auf wenige Ausnahmen sind beide Transporter von März bis November jedes Wochenende auf Trialmission. Jugendlehrgang, Landesmeisterschaften, Klassik- und Seniorentrial. Zerstürzte Kühler, fehlende Handschuhe, Rat und Tat in allen Lagen.
Tüüülülülüüüüt. Das Firmentelefon randaliert durch die Kivo-Hallen. So ruhig und verbindlich der Edgar äußerlich erscheint, die Augen sind immer hellwach, seine Umgebung entgeht ihm nie. Nach zweimaligem Läuten nimmt schon jemand ab, dann kann er sich wieder um etwas anderes kümmern. Disziplin und Ehrgeiz sind seine Primärtugenden. Vor allem bei der Fahrerei lässt er nicht locker. Vor Jahren bugsierte ihn die Familie freundlich, aber bestimmt in eine niedrigere Klasse - und das ihn, den Seriensieger.
Aber egal wo und wie, das Aktivsein beim Trial ist sein Lebenselixier, gibt die Freude und die Kraft für den Alltag. Rummmms. Über eine Alu-Schiene schiebt der Meister flink eine der beiden Hondas in den Laderaum. So langsam drängt die Zeit, er muss noch die Bremse an einer seiner Hondas richten. Und dann geht es Karfreitag gemeinsam mit der Ehefrau früh auf die Bahn. Wie viele Wochenenden er schon in seinem Leben unterwegs war? Er denkt kurz nach und schmunzelt dann zufrieden: „Keine Ahnung, jede Menge. Bei 45 Jahren Trialsport kommt so einiges zusammen.“