Yamaha-Cup Vorwärtsdrang

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Ehrgeizige Speed-Fanatiker schwören auf den Intensivkurs Yamaha-R6-Dunlop-Cup, der sich jetzt in der zweiten Saisonhälfte befindet. Mittendrin: PS-Redakteur Tobi auf der Suche nach schnellen Rundenzeiten. Geschenkt gibt es die nicht, wie die Läufe in Zolder und Schleiz beweisen.

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Geschenkt gibt es höchstens mal Dinge wie ein Eis. Ich sitze im belgischen Zolder im Medical Center und esse ein Cornetto Haselnuss. Der freundliche Sani hat es mir lächelnd in die Hand gedrückt, als er mit der Familienpackung unterm Arm an mir vorbei in Richtung seiner Kollegen läuft. Es schmeckt nicht so richtig, weil ich nicht genau weiß, wie stark meine Maschine beschädigt ist, von der ich etwa fünf Minuten zuvor abgeflogen bin – Highsider auf Start/Ziel. Quasi ein Klassiker. Das Hinterrad verlässt wie in Zeitlupe den Zustand eines für mich noch kontrollierbaren Rutschers und ich weiß: den fängst du nicht mehr. Augenblicke später liege ich rücklings auf den Curbs und warte, bis mein System wieder hochfährt. Einundzwanzig, zweiundzwanzig…na also, der Datensatz meiner Festplatte scheint unbeschädigt. Die Hardware müsste bis auf starke Prellungen an der linken Hand und noch viel stärkere im Bereich der rechten Gesäßhälfte auch okay sein. Bevor ich ins Safety Car bugsiert werde, erhasche ich einen Blick auf meine R6. Die Streckenposten lehnen sie gerade an die Leitplanke. Oh Baby, hoffentlich geht es dir gut! Mir fällt ein schlauer Satz meines Kumpels Aaron ein. In weiser Voraussicht meinte er bereits Wochen vor dem heutigen Tag: „Du wirst im Cup am Limit fahren, und irgendwann findest du es halt auch.“

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Daran habe ich nie gezweifelt. So ist das eben in diesem Sport. Trotzdem könnte ich mich schwarz ärgern. Der Plan, mich mit einer schnellen Rundenzeit im zweiten Qualifying auf eine gute Startposition zu stellen, ging gründlich daneben. Yamaha-Cup fahren ist einfach eine irre Nummer. Wenn eine ordentliche Zeit im ersten Qualifying gelingt, kann man Gift darauf nehmen, dass das gesamte Feld im zweiten Qualifying nochmals einen drauflegt. Jetzt stehe ich auf Startplatz 26, weit weg von meinen eigenen Erwartungen und den ersehnten ersten Punkten.

Mit der Brechstange klappt´s halt nicht

Früher hat es mich beim Downhill fahren oder beim Skaten öfters auf die Klappe gelegt. Die Frage ist immer, wie geht man mit einem Crash um? Ich finde einen Sturz nicht schlimm, solange ich weiß, warum ich abgestiegen bin. Da fällt es leichter, direkt danach weiterzumachen. In diesem Fall kenne ich den Grund genau. Die Linie war falsch und ich hätte dem neuen Reifen noch eine weitere Runde geben sollen, anstatt gleich drauflos zu ballern. Mit der Brechstange klappt´s halt nicht.

Vor unserem Zelt kommt Joachim mit meiner R6 angefahren. Für einen kapitalen Highsider sieht die Yamaha erstaunlich gut aus. Ein neuer Gaszug wird fällig. Außerdem müssen der Lenkerstummel rechts, der Bremshebel und die Fußraste ausgetauscht werden. Ansonsten hat das Bike nur ein paar Kratzer abbekommen – dem Crashpad sei Dank. Teamchef Uli besorgt die nötigen Ersatzteile aus dem Cup-Truck, während Manni bereits technische Zeichnungen wälzt, um herauszufinden, wie genau der neue Gaszug verlegt werden muss. Kurz darauf gelingt es André, den Gaszug unterhalb der Airbox durchzufummeln. Die R6 steht wieder einsatzbereit da, und ich kann meinem Team Schüller-Racing nur ein riesengroßes Dankeschön aussprechen. So ein Einsatz und Zusammenhalt ist unbezahlbar.

Hinfallen ist prinzipiell überhaupt keine gute Idee.

In Zolder fahren wir ausnahmsweise zwei Rennen an einem Wochenende, da Oschersleben in diesem Jahr nicht im Kalender steht. Einige Stellen des Kurses sind verdammt knifflig. Mehrmals muss aus hoher Geschwindigkeit stark abgebremst und dann scharf abgewinkelt werden. Über den sogenannten Sakramente-Hügel hebt das Vorderrad ab, und gleich dahinter kommt eine gemeine Schikane. Wer hier nicht beherzt über die Curbs ballert, verliert bestimmt eine Sekunde. Hinfallen ist prinzipiell überhaupt keine gute Idee. In Zolder kommt an einigen Stellen rasch die Mauer.

Den Start des ersten Rennens erwische ich so mittelprächtig, aber in der ersten Kurve staut sich sowieso alles. Nach der ersten Runde habe ich ein paar Plätze gutgemacht und hänge mich an eine Vierergruppe dran, die sich einige Meter vor mir heftig bekriegt. Das Anbremsduell in der Spitzkehre vor dem Medical Center endet in einer großen Staubwolke, zwei oder drei Fahrer liegen im Dreck. Gegen Ende des Rennens wird es bei den heißen Temperaturen richtig anstrengend, und es gibt noch ein paar weitere Ausfälle. Meine Prellungen an Arm und Hüfte stören mich kaum, aber die Konzentration lässt stark nach. Wie lange geht es denn noch? Die schwarz-weiß karierte Zielflagge will einfach nicht kommen! Plötzlich verdreht sich mein rechter Lenkerstummel nach innen und steht völlig schief. Verdammt, haben wir das Ding etwa nicht richtig festgezogen? Ich kann nicht mehr aggressiv bremsen und die Maschine kaum in Rechtskurven drücken. Was nun, rausfahren? Auf gar keinen Fall! Ich rechne jeden Moment mit einer Attacke der Piloten hinter mir, doch die kommt nicht mehr. Am Ende des Rennens stehe ich im eigenen Saft, bin völlig platt und mit einem 19. Platz echt zufrieden.

"Ich hab eine Ibu eingeworfen, es geht schon.“

Alle Fahrer, die im ersten Rennen einen Ausfall erlitten haben, sind zum zweiten Lauf wieder am Start. Daryl war in den Crash an der Spitzkehre involviert und meint: „Motorrad läuft. Und ich hab eine Ibu eingeworfen, es geht schon.“

Auch bei mir passt alles. Diesmal hält mein Lenker. Trotz schnellerer Rundenzeiten als im ersten Rennen komme ich aber nicht weiter vor als bis Rang 22.

Drei Wochen später am Schleizer Dreieck

Drei Wochen später werden die Karten am Schleizer Dreieck neu gemischt. Schleiz ist keine permanente Rennstrecke. Unter der Woche rollt auf der Landstraße der Berufs- und Pendlerverkehr. Das alte Fahrerlager befindet sich auf der grünen Wiese und alles schmeckt stark nach Roadracing, was mir gut in den Kram passt. Hier gibt es einige berüchtigte Stellen, an denen man „Eier“ braucht. Den Buchhübel Richtung Stadt hinunter wird es eng und sauschnell. Und dann erst die brenzlige Seng. Eine ewig lange Links bergab, die Vollgas im sechsten Gang mit herber Schräglage genommen wird. Mein Wunsch fürs Wochenende: alles, nur bitte keinen Regen!

Im Osten herrscht noch richtige Begeisterung für den Motorsport, das fällt deutlich auf. 30 000 Fans füllen die Tribünen in Schleiz. Für mich fühlt es sich großartig an, hier zu fahren. Obwohl ich den Kurs bislang nicht kenne, gelingt mir im ersten Qualifying eine Rundenzeit von 1.35,1 Minuten. Ich bin mir sicher, dass ich die Zeit im zweiten Qualifying mit neuen Reifen noch verbessern kann. Aber jetzt nicht wieder ablegen, sondern mit Gefühl.

Der Kopf sollte eingeschaltet sein, darf aber nicht im Weg stehen

Zum Teufel mit dem Gefühl, im zweiten Qualifying will mir rein gar nichts gelingen! Zuerst stecke ich über mehrere Runden im Pulk fest und komme nicht auf Geschwindigkeit. Deshalb fahre ich einmal durch die Boxengasse und lasse die Meute ziehen. Endlich auf meiner persönlichen Rekordrunde, fällt der Laptimer runter und baumelt irgendwo im Bereich der Kanzel herum. Später hänge ich wieder hinter einem langsameren Fahrer fest und komme ewig nicht vorbei. In Schleiz zu überholen ist nicht einfach. Anschließend liegt ein Trümmerteil vom Curb auf der Ideallinie. Dann fällt zum zweiten Mal der Laptimer runter. Am Schluss verbremse ich mich noch einmal an der Schikane auf Start/Ziel, und schon ist der Turn vorbei. Ich bin zwei Zehntel langsamer als im ersten Qualifying, trotz neuer Reifen. Startplatz 25. Unterm Helm fluche ich wie ein Rohrspatz.

Wenn man kein Glück hat, kommt manchmal sogar noch Pech dazu. In der Nacht zum Rennsonntag regnet es bis sechs Uhr morgens. Wir sind erst um zehn Uhr dran, sodass die Piste bis auf wenige nasse Stellen abtrocknen kann. Gleich nach dem Start wird es in der ersten Links in Richtung Buchhübel ernst, nur ein schmaler Streifen Asphalt ist dort schon trocken. Entgegen aller Erwartungen kommen alle Fahrer heil durch die erste Kurve. Das Feld liegt ziemlich dicht beisammen, wobei die Spitze mit 1.31er-Zeiten keine Gefangenen macht. Einfach verrückt, wie schnell der gesamte Cup auf der schwierigen Strecke fährt. Ich kann in den ersten paar Runden Plätze gutmachen. Meine beste Runde steht bei 1.34,1 Minuten und ich merke: Junge, hier ist das Limit. Der Grip am Hinterrad reißt beim Herausbeschleunigen nicht nur einmal ab, und der letzte Anbremsdrift hätte mich schier in die Botanik befördert. Um schnell zu sein, muss man genauso intelligent wie abgebrüht fahren. Der Kopf sollte eingeschaltet sein, darf aber nicht im Weg stehen. Eine schmale Gratwanderung, die Marc Zellhöfer, Patrik Kosiniak und Daniel Rubin mit den Plätzen eins bis drei super beherrschen.

Abzüglich der beiden Gaststarter wird es für mich in Schleiz ein hart erkämpfter 18. Platz. Das kalte Bier mit Teamchef Uli und den Kumpels schmeckt heute ganz hervorragend – gerade, weil es das geschenkt gibt.

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