Eng wird es beim Alpen-Masters nicht nur in den Kehren des Stilfser Jochs, sondern auch im Testfeld der Allrounder: Alle vier Motorräder schlagen sich auf Alpenstraßen gut, zeigen dabei aber ganz unterschiedliche Stärken und Schwächen.
Eng wird es beim Alpen-Masters nicht nur in den Kehren des Stilfser Jochs, sondern auch im Testfeld der Allrounder: Alle vier Motorräder schlagen sich auf Alpenstraßen gut, zeigen dabei aber ganz unterschiedliche Stärken und Schwächen.
Schon beim bloßen Klang des Namens kribbelt es im Bauch, das Herz schlägt höher, die Pupillen weiten sich. Kaum ein anderer Pass löst bei Motorradfahrern so starke Adrenalinwellen aus wie das Stilfser Joch, diese in Stein gemeißelte hochalpine Versuchung. Doch Vorsicht: Von manch allzu behäbigem Motorrad fordert das Joch Tribut, wie zahllose abgebrochene Kupplungs- und Bremshebel am Rande der 48 Kehren belegen. Bestens eignet es sich jedoch als Tummelplatz für leichte und wendige Allrounder wie die burschikose BMW G 650 GS, die sportliche Honda CBR 600 F, die temperamentvolle Suzuki GSR 750 oder die elegante Yamaha Fazer8.
Damit die kleine GS preislich zu den Konkurrentinnen aufschließt, tritt sie mit viel Ausstattung einschließlich Koffern an und erobert so einen kleinen Punktevorsprung in Sachen Gepäckunterbringung. Das ist nur recht und billig, denn als Eintopf muss sie sich gleich dreier Vierzylinder erwehren. Was können ihre 48 PS im Vergleich zu deren mehr als 100 Pferden schon reißen? Verblüffend viel. In den Kehren am Stilfser Joch fährt die Enduro mit ihrem hohen Lenker und der aufrechten Sitzposition ein dickes Plus heraus. Dichter Verkehr mit Autos, Wohnmobilen, Fahrrädern und gefühlten Millionen von Motorrädern machen es am Testwochenende nur selten möglich, die perfekte Linie für die Serpentinen zu wählen. Doch während rundum so manches Big Bike gefährlich ins Wanken gerät, lässt sich die 650er selbst aus den unmöglichsten Anfahrwinkeln willig einlenken und klettert quasi schwerelos nach oben. Trotz des kurzen ersten Gangs zieht sie beim Beschleunigen aus den Kehren gleichmäßig an und dreht tapfer hoch – und zwar sogar mit Beifahrer, dem sie eine überaus kommode Unterkunft gewährt.
Ginge es rein um die Performance am Stilfser Joch, wäre die kleine GS nicht zu schlagen, denn sie ergattert in Sachen "Handlichkeit auf Passstraßen" satte 19 Punkte und markiert damit die absolute Bestmarke im gesamten Alpen-Masters 2011. Doch die wunderbare Welt der Alpenpässe besteht nicht nur aus Serpentinen.
In längeren steilen Passagen verlassen den Einzylinder die Kräfte, ebenso in den schnellen Wechselkurven im weiteren Verlauf der Testrunde. Zudem könnten die Bremsen besser zupacken und werden bergab allzu früh weich. So bleibt der kleinen GS am Ende nach Punkten nur der letzte Platz. Dennoch: Hut ab vor ihren tollen Kletterqualitäten.
Die zeigt die Yamaha nicht so ausgeprägt. Dabei ließe sie sich mit ihrem perfekt gekröpften Lenker und der entspannten Sitzposition eigentlich gut durch enge Kehren bugsieren – wenn, ja wenn der Motor mitspielen würde. Doch der erste Gang ist zu lang geraten, in jeder Serpentine verlangt die Fazer nach geduldigem Spiel mit der Kupplung und kommt dennoch nicht so richtig aus den Pötten. Erst ab 6000 Touren legt sie abrupt los, doch dann steht schon wieder die nächste Kehre an und es heißt runterbremsen. Die Stopper funktionieren prima, das ABS regelt gut, auch bergab gibt sich die Bremsanlage keine Blöße, noch nicht mal mit Sozius. Der findet auf der Rückbank ein bequemes, wenn auch etwas weiches Plätzchen, kann sich an den großen Griffen hinten festhalten und zudem am bauchigen Tank abstützen, was den Fahrer deutlich entlastet. Auf gut ausgebauten Alpenstraßen gerät so auch die Tour zu zweit zum lustbetonten Kurvenwedeln. Eng wird es allerdings bei Bodenwellen wie am Umbrail, denn dann schlägt das hinten zu weiche Fahrwerk der Fazer selbst im Solobetrieb allzu häufig durch.
Aus deutlich härterem Holz ist die Suzuki GSR 750 geschnitzt. Ihr straffes Fahrwerk garantiert auf flotten Pässen gute Laune, dazu zieht ihr bäriger 750er-Vierzylinder schon von unten heraus nachdrücklich an. Langeweile kommt mit ihr nie auf, dank des breiten und relativ hohen Lenkers fährt sie auch enge Kehren locker und spielerisch an. Selbst der Sozius sitzt auf dem schmalen Polster erstaunlich entspannt. Kein Zweifel, die GSR mit ihrem Krawall-Outfit fühlt sich auf Bergstrecken pudelwohl und sieht wie die sichere Siegerin aus – um dann an Details zu scheitern.
Das liegt unter anderem am strammen Sparkurs von Suzuki, der ihr ein ABS vorenthält. Es soll zwar im Spätsommer kommen, doch das hilft der aktuellen Version nicht weiter. Bei der Bremsmessung bergab braucht sie 29 Meter, rund vier mehr als die Konkurrentinnen. Außerdem lässt sie sich durch ihre harte Abstimmung auf welligen Pisten wie am Umbrail zu Bocksprüngen verleiten, was den Fahrspaß vorübergehend ebenso trübt wie die etwas nervöse Gasannahme, die im Serpentinenstrudel am Stilfser Joch des Öfteren leichte Hilfestellung per Kupplung erfordert.
Die braucht die Honda CBR 600 F nur selten. Zwar kommt auch ihr Vierzylinder erst ab 6000/min so richtig in Jubelstimmung, doch was weiter unten aus dem Drehzahlkeller schiebt, reicht aus, um Kehren harmonisch und leichtfüßig zu durchkreuzen. Dem Stummellenker zum Trotz fühlt sich die Honda längst nicht so sportlich an, wie sie aussieht, was vor allem an der relativ aufrechten Sitzposition, aber auch am erstaunlich großen Lenkeinschlag liegt. Und nicht zuletzt an der Ergonomie, die für Fahrer fast jeder Größe perfekt passt. Sämtliche Hebel liegen in bequemer Reichweite, Kurskorrekturen wegen hängen gebliebener Wohnmobile gelingen wie von selbst. Das ausgereifte Fahrwerk bietet im Testfeld die meisten Einstellmöglichkeiten und spielt seine Siegerqualitäten auf der schnellen Abfahrt vom Umbrail weiter aus, bügelt Unebenheiten im Asphalt einfach weg und gestattet es dem Fahrer, ganz im Kurventaumel zu schwelgen. Das ABS regelt selbst auf steilen Gefällstrecken erfreulich spät, die Bremsen packen beherzt, aber nicht zu bissig zu. Dankbar vermerkt man auf zugigen Passhöhen den verblüffend guten Windschutz. Der Beifahrer thront zwar ziemlich weit oben, darf aber auf ordentliche Federungsreserven und gute Haltegriffe vertrauen. Nach und nach erlahmt die Gegenwehr der Konkurrentinnen. Die CBR 600 F ist eine Honda von echtem Schrot und Korn, mit ihr flutscht es auf Alpenpässen um das entscheidende Quäntchen besser – sie darf ins Finale.
Ein Feld mit starken Charakteren, am Ende dominiert von der Honda CBR 600 F, die sportlicher aussieht, als sie sich anfühlt, und – ganz echte Honda – in den Alpen fast alles einen Tick besser kann als alle anderen. Auf dem zweiten Platz landet die temperamentvolle Suzuki GSR 750, die unter anderem am fehlenden ABS scheitert, während die komfortable Yamaha Fazer8 in den Bergen mit ihrem weichen Fahrwerk kämpft. Trostpreis für die letztplatzierte BMW G 650 GS: Sie fährt den Titel als absolute Serpentinenkönigin des Alpen-Masters 2011 ein.