BMW C evolution Long Range im Test

BMW C evolution Long Range im Test Stecker rein und warten

Es dauert bis der BMW C evolution Long Range seinen Zwölf-Kilowattstunden-Akku gefüllt hat. Aber dann begeistert er. Elektrisch fahren? Leider geil!

Stecker rein und warten Achim Hartmann

Während viele Politiker, öko­populäre Medien und sonstige Trittbrettfahrer versuchen dem Dieselmotor den Garaus zu machen, sind wir Motorradfahrer fein raus. Wir produzieren fast keinen Feinstaub, verbrauchen um Größenordnungen weniger Sprit als jedes SUV und benötigen dazu noch 80 Prozent weniger Verkehrsraum. Warum niemand auf die Idee kommt, Motorräder zu fördern, bleibt ein Rätsel, aber sei’s drum.

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Noch wünschenswerter mit Blick auf die Emissionen wären natürlich Elektromotorräder. Doch davon gibt es nur wenige, und die sind auch noch teuer, fahren nicht so weit und müssen dann auch noch zeitintensiv wieder aufgeladen werden.

Da greift sogar die Schlupfregelung ein

Was ist also zu tun? Dranbleiben. So wie BMW das mit dem C evolution gemacht hat: 2013 erstmals vorgestellt, gibt es ihn jetzt in einer Long-­Range-Version mit vergrößerter Kapazität. Auf gleichem Raum lassen sich hier 40 Prozent mehr Ladung einfüllen, die Reichweite steigt auf gut 150 Kilometer. Na, das geht doch. Dennoch wird sich auch diesen Roller kaum jemand zulegen, steht er doch ab 15.430 Euro (plus Nebenkosten) in der Preisliste. Welcher Ökoaktivist fährt einen selbst gekauften BMW-Roller oder ein Elektromotorrad?

Eben. Dennoch zeigt BMW im Gegensatz zu den meisten anderen großen Zweiradherstellern Flagge und hat viel Geld in die Entwicklung investiert. Dafür verdienen die Münchner Lob. Und dieses Lob wird gleich noch größer, wenn man mit dem Kraftprotz erst gefahren ist. So sanft, wie der Motor läuft, so vehement, wie der BMW C evolution beschleunigt, so leise, wie man damit unterwegs ist: Das gibt es kaum ein zweites Mal. Sensationell, wie der Elektrobulle aus dem Stand loszieht. Da muss manchmal sogar die Schlupfregelung eingreifen. Prinzip­bedingt stellt der Elektromotor sein volles Drehmoment bereits ab der ersten Umdrehung zur Verfügung. Das sind 72 Nm und genügend, um die 278 Kilogramm plus Fahrer in gefühlt einer Sekunde auf 50 km/h zu feuern, äh, zu stromern.

Achim Hartmann
Bei null Grad schafft der Roller 125 Kilometer, das Display informiert umfassend.

Das Erstaunliche: Man ertappt sich dabei, so ziemlich alle Verbrennungsmotoren plötzlich zu missbilligen. Vor allem an Ampeln. Hier stinkt ein noch kalt laufender Pkw die Welt voll, dort öttelt ein dicker Laster im Leerlauf vor sich hin. Der BMW C evolution Long Range ist absolut geräuschlos, schleicht zwischen den Kolonnen durch, schmuggelt sich an die Pole Position, um bei Grün die ganze Stinkerschar dann auf einen winzigen Punkt im Rückspiegel zu reduzieren. Hurra, das weckt den Ökoaktivisten in dir.

Nach zwei Tagen will man den E-Roller nicht mehr missen. Man hat verstanden, dass man den Ofen am besten über Nacht an die Steckdose hängt, auch wenn noch viel Ladung im Akku steckt. Man freut sich über die Rekuperation beim Verzögern. Die mechanischen Bremsen brauchen dann nur noch im Notfall mit eingreifen, während bei allen normalen Verzögerungen über den dann zum Generator mutierten Motor gebremst wird. Er produziert einfach Strom, was den Akku freut und die Reichweite vergrößert. Das macht Spaß. Das ist, als wenn unser Verbrenner beim Bremsen wieder Sprit erzeugen würde – wir wären alle happy.

BMW C evolution Long Range mit 4 Fahrmodi

So wird der C evolution zum Spielzeug, mit dem man nicht nur gerne fährt, sondern auch richtig gerne bremst. Und vor Ampeln das Bremsmoment so einteilt, dass man ohne Mechanik zum Stehen kommt, völlig feinstaubfrei übrigens. Irgendwie verkehrte Welt, aber auch lustig.

Achim Hartmann
Funktioniert blendend und mutiert zum Spielzeug: Schon nach ein paar Tagen möchte man den Elektro­bullen nicht mehr missen.

Ein wenig Physik zwischendurch: Wohin verschwindet die Ladung, wenn man aus dem Stand beschleunigt und wieder zum Stillstand bremst? Könnte der Roller so nicht unendlich lange fahren? Natürlich nicht. Die blöde Reibung ist ein Faktor, der die Bilanz verhagelt. Reifen rubbeln über den Asphalt, der Luftwiderstand will überwunden werden, Lager drehen sich niemals verlustfrei. Ebenfalls ein Faktor: die Wirkungsgrade. Ein Akku kann nie mit 100 Prozent Wirkungsgrad geladen werden, man muss immer etwas mehr reinladen, als er wieder hergibt. Dazu kommt, dass ein Ladegerät ebenfalls einen Wirkungsgrad hat. Es wird nämlich warm – das ist Energie, die einfach verpufft. Genau wie übrigens der Akku warm wird. Je höhere Ströme fließen, umso mehr erhitzt er sich. Das schlägt alles auf die Bilanz. Beeinflusst wird diese von den vier Fahrprogrammen: Mit „Eco Pro“ bremst der Roller schon beim Zudrehen des „Gas“-Griffs kräftig ab und beschleunigt eher schwach. Das bringt zehn bis zwölf Prozent mehr Reichweite. Im Modus „Sail“ bremst der Motor nur bei Betätigung der Bremshebel. „Road“ passt für ­jeden, und „Dynamic“ verschärft die Strom­annahme. Alles sehr gut abgestimmt, da ruckelt nichts, sehr verlässlich.

Wunschkonzert: Die anderen Großserienhersteller sollten nicht mehr allzu lange warten, Elektromotorräder zu entwickeln. BMW sollte noch einen leichteren, günstigeren E-Roller anbieten oder ein Motorrad. Und die Ökopopulisten sollten uns weiter ignorieren. Ist besser so.

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