BMW F 700 GS und Suzuki V-Strom 650 XT im Vergleichstest
Stadt, Land, Fluss

Unterwegs mit Tigerente und Co.: Egal was ansteht, Suzukis frisch aufpoliertes SchnabeltierV-Strom 650 XT und BMWs bewährte F 700 GS machen’s einfach. Beide Reiseenduros sind tolle Motorräder für viele Gelegenheiten. Ihre gut 70 PS reichen auf Landstraßen dafür absolut aus.

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Foto: bilski-fotografie.de

Als der liebe Gott den Motorradfahrer erschuf, so am achten oder neunten Tag, gab er ihm ein einfaches Gebot mit auf den Weg: „70 bis 80 PS sollst du haben für perfekten Fahrspaß auf kurvigen Landstraßen.“ Nun, die Welt hat sich weiter gedreht, heute braucht man sich am Motorradtreff unter 120 PS kaum noch blicken zu lassen. Stimmt die Botschaft nicht mehr? Sind Mittelklasse-Maschinen nur noch für (Wieder-)Einsteiger? Von wegen. Motorräder wie diese zwei machen auch alten Hasen großen Spaß, so viel vorab. Denn flottem Fahren und schrägem Leben sind sie durchaus zugetan.

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Nun, spielerische Fahrbarkeit galt mal als Kardinaltugend eines Motorrads. Es wartet eine reizvolle Paarung: V2 gegen Reihen-Twin, Alu-Brücken- gegen Stahl-Gitterrohr-Rahmen, Japan gegen Deutschland. Hier treffen echte Erfolgsmodelle aufeinander, mit mittelgroßen 19-Zoll-Vorderrädern und moderat langen Federwegen mehr als nur feldwegtauglich. Beide passen für kleine Fluchten und größere Touren. Hier wie dort warten einfach gestrickte, aber effektive Fahrwerke mit klassischen Telegabeln und zweiarmigen Alu-Schwingen. Hinzu kommen Edelstahl-Auspuffanlagen, praktische Ganganzeigen und Bordsteckdosen im Bereich des Cockpits, gut platziert für ein potenzielles Navi.

Tief stapelt die BMW mit 798 Kubik und einer kruden Modellbezeichnung. Von der höheren, rund 2500 Euro teureren Schwester F 800 GS unterscheiden sie das kleinere Vorderrad, (19 statt 21 Zoll), Guss- statt Speichenräder, kürzere Federwege (immerhin je 170 Millimeter vorn wie hinten) und von 85 auf 75 PS gekappte Leistung.

Dagegen ist 2017 die neue V-Strom 650 quasi ein eineiiger Zwilling der 1000er-V-Strom. Nun wirkt sie viel reifer, erwachsener. Tigerenten-Look: Knallgelbes „Champion Yellow“ mit schwarzen Streifen auf dem Tank soll Nähe zu Suzuki-Crossern vorgaukeln. In der XT-Version (frech: legt Yamaha nun DRs auf?) gibt’s schicke, clever konstruierte Speichenräder mit Alu-Felgen für Schlauchlos-Reifen. Golden glänzen sie nur mit gelbem Lack, bei weißem oder schwarzem Tank sind sie schwarz eloxiert. Ferner trägt die XT Handprotektoren und einen Plastik-Bugspoiler, der den vorderen Krümmer und den Ölfilter verbirgt.

Herz und Seele der 650er ist der prachtvolle 90-Grad-V2-Motor. Rund 60 Änderungen im Detail machen ihn fit für die Zukunft – die Basis stammt ja von 1999. Nun aber diktieren Nockenwellen der aktuellen SV 650 den acht Ventilen ihre Choreografie. Und wie! Klasse, wie locker die verschleißarm beschichteten neuen Kolben kurzhubig bis in fünfstellige Bereiche hochjubilieren. Über den gesamten Drehzahlbereich feuriger denn je, gipfelt die Drehfreude in echten 73 PS aus 645 cm3. Bereits im Drehzahlkeller läuft der quicklebendige, sanft pulsierende V2 schön rund und elastisch.

Neu: Ein Anfahr-Assistent erhöht automatisch die Leerlaufdrehzahl beim Einkuppeln unter niedriger Drehzahl. Abwürgen beim Anfahren? Nicht doch. Kuppeln ist bei beiden Kandidaten das pure Vergnügen. Zum Starten der Suzuki reicht dank „Easy Start Assist“ kürzestes Antippen des Knopfes, schon arbeitet der Anlasser. Alles so schön einfach hier. Vier Zündkerzen und ebenso viele Drosselklappen, zwei vom Fahrer, zwei vom Bordrechner betätigt, verbessern Verbrennung und Manieren. Weich nimmt der Motor Gas an. Dank ungleicher Zündfolge verwöhnt feines V2-Stakkato mit wohligem Schlag das Ohr. Gefälliger erscheint der 2017 nach unten verlegte, kofferfreundlicher gestaltete Endtopf.

Anders spritzig erscheint der BMW-Twin. Der 800er steigt fett ein, zieht im sechsten Gang bulliger durch. Klar, bei fast 25 Prozent Hubraumplus. Beim Ausdrehen (welcher 200-PS-Bolide erlaubt das auf Landstraßen?) wird der Reihenmotor dann deutlich träger. Man merkt dem in China montierten Antrieb seine Drosselung an. Jenseits von 4500 bis 5000 Umdrehungen vibriert der Schlägel auf Dauer heftig, trotz Ausgleichspleuel zwischen den beiden Kolben. Diese laufen parallel auf und ab, zünden um 360 Grad Kurbelwellenumdrehung versetzt. Wie beim BMW-Boxer. Genauso klingt die F 700 GS auch, knurrig-dumpf. Die akustische Täuschung ist perfekt. Neu für 2017 (Euro 4!) gibt’s einen geänderten Edelstahl-Schalldämpfer und elektronisch betätigte Drosselklappen.

Ferner – gegen Aufpreis – drei unterschiedliche Fahrmodi (Rain, Road und Enduro), welche die Gasannahme verbessern. Nun, Road passt heute prima. Bereits beim Starten erwacht der Twin mit einem herzhaften Bellen: Dann lupft die Bordelektronik mal eben kurz das E-Gas. Charaktervoll-kernig wirkt dieser Motor, lässt sich schön übers Gas fahren. Seine höhere Verdichtung von zwölf zu eins spürt man als stärkeres Motor-Bremsmoment beim Gaswegnehmen. Sparsam ist er, begnügt sich zivil gefahren mit knapp unter vier Litern auf 100 Kilometer, die Suzuki liegt nur ganz knapp darüber. Umweltverträglich, hier wie dort.

Trotzdem kommt Frau Strom astronomisch weit – der 20 statt 16 Liter große Tank zahlt sich aus. Suzuki spendiert 2017 eine zweistufige Traktionskontrolle, die beim Angasen überraschend oft und schön sanft eingreift: Du siehst nur das gelbe Licht im Cockpit flackern, spürst nicht, dass Leistung wegbleibt. Punch hat er also, der V2. Auch nicht schlecht regelt die einstufige Traktionskontrolle der BMW, lässt sich für Schotterpassagen gleichfalls abstellen. Aber wir bleiben auf Asphalt. Toll fährt die F 700 GS, rollt auf Michelin Anakee III wunderbar flüssig-fluffig durch die Kurven. Frech und lenkpräzise sticht sie in alle erdenklichen Radien. Zum Schallplatten-schmalen 110er-Vorderrad addiert sich hier ein Handling-fördernder, dünner 140er hinten.

Ja, die BMW erscheint leichter, agiler und wendiger. Tatsächlich wiegt sie mit optionaler Vollausstattung (Hauptständer, Handprotektoren, Koffer-/Gepäckträger etc.) 222 Kilogramm, drei mehr als die wuchtiger, schwerer wirkende Suzuki. Der „umbaute Raum“ vom Fahrer ist auf der V-Strom einfach größer. Klasse haften Bridgestone Battlax Adventure A 40 „F“. Beim schnellen Fahren, wenn einen der Hafer sticht, wirkt nun die V-Strom knackiger, handlicher, sportlicher. Während sich die BMW gefühlt versteift. Weil die Suzuki leicht hecklastig ist, sollte man bereits für den Solobetrieb das Federbein per praktischem Handrad ganz vorspannen. Etwas kürzere Federwege und eine eher straffe, aber nicht unkomfortable Grundabstimmung passen gut ins V-Strom-Konzept. Trotz teurer Kartuschen-Einsätze stuckert die Suzuki-Gabel bei rasch aufeinanderfolgenden Impulsen. Gehobeneren Federungs- und Sitzkomfort für den Fahrer offeriert die F 700 GS. Speziell das Federbein steckt ordentlich was weg, bietet als Extra eine elektronische Verstellung der Zugstufe.

Aktiver ist die Sitzposition à la BMW, vorderradorientierter, mit breiterem Lenker. Der verströmt wie die gezackten Fußrasten mit Gummiauflage echtes Enduro-Feeling. Zudem bremst die BMW engagierter. Bei beiden gilt: Die Doppelkolben-Schwimmsättel sind keine wütenden Beißer, sondern solide Alltagsware. Passiver sitzt es sich auf der Suzuki. Ihr schmalerer, dünner Lenker ist höher und deutlich stärker gekröpft.

Besseren Windschutz hinter der viel größeren, noch dazu höhenverstellbaren Scheibe offeriert die V-Strom. Allerdings tanzt der Helm ein wenig in Verwirbelungen. Hinter BMWs Mini-Scheibe liegt der Helm ruhig, turbulenzfrei in laminarer Strömung. Langen Beinen bietet die Tankgestaltung der F 700 GS etwas mehr Platz. Für große Fahrer gibt’s bei Suzuki eine höhere Sitzbank, bei beiden Kandidaten niedrigere Sitze für kleine Fahrensleute. BMW offeriert sogar eine Tieferlegung des Fahrwerks um 30 Millimeter. Ehrensache sind 48-PS-Versionen, bei Suzuki samt Zuschuss für Führerscheinneulinge.

Optionale Gepäcksysteme trimmen V-Strom 650 XT und F 700 GS zu richtigen Tourern. Schwer bauen die BMW-Koffer: Das Duo mit cleverer Vario-Ausziehtechnik wiegt zusammen zwölf, das Topcase sieben Kilogramm. Macht 19 Kilo extra. Aber besser als die kleinen Kunststoff-Köfferchen aus Suzukis Werkszubehörprogramm: Hier fasst lediglich das Topcase einen Helm. Drei Gepäckabteile kosten mit Halter über 1500 Euro! Uff. Auch 200 Euro für LED-Blinker, 260 für einen Hauptständer und 300 für Heizgriffe (alles ohne Montage) sind happig. Dies relativiert den höheren Preis der BMW etwas – mit allen Ausstattungs-Paketen ab Werk für rund 10500 Euro, ohne Koffer.

8590 Euro kostet die V-Strom 650 XT zum befristeten Einführungspreis, ihre sonst technisch identische Standardversion mit Gussrädern 8190 Euro. Sie liegt damit auf dem Niveau von Kawasaki Versys 650 und Yamaha MT-07 Tracer – günstigeren Crossover-Bikes mit 17-Zoll-Rädern. Sei’s drum: Dank an Tigerente & Co.: Mit euch machen Stadt, Land und Fluss richtig Laune!

MOTORRAD-Testergebnis

1. Suzuki V-Strom 650 XT

Besser denn je: ein klasse Allrounder und prima Tourer. Stark im Alltag, frech, wenn man(n)’s braucht. Glanzstück neben famoser Reichweite ist der wohlige, weiter verfeinerte V2-Motor.

2. BMW F 700 GS

Ein echtes Wohlfühl-Motorrad, es fährt toll vom ersten Meter an. Herrlich handlich, gesegnet mit bulligem Motor, viel Komfort und optionaler Ausstattung. Die treibt den Preis dann aber auch rasch über 10000 Euro.

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MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023