Bußgeldbescheid – was tun?
Klappe halten

Nur nichts überstürzen, wenn ein Bußgeldbescheid in den Briefkasten fällt. Denn in fast allen Fällen ist Schweigen und Nichtstun die beste Verteidigung, meint Rechtsanwalt Ralph Andreß.

Klappe halten
Foto: Hanselmann

Ordnungswidrigkeiten, und das sind die
meisten Überschreitungen von Verkehrsregeln, werden mit einer Geldbuße und gegebenenfalls auch mit Flensburger Punkten geahndet. Sobald die Bußgeldbehörde von
einer solchen Ordnungswidrigkeit erfährt – die häufigsten sind Geschwindigkeitsüberschreitungen, zu geringer
Sicherheitsabstand und Rotlichtverstöße –, versucht sie zunächst, den Fahrer zu identifizieren. Entweder durch
Polizeibeamte, die ermitteln, oder aber mittels eines
Anhörungsbogens, den sie an den mutmaßlichen Fahr-
zeugführer verschickt. Drei Monate hat die Behörde Zeit dafür, danach »verjährt« die Angelegenheit.
Wichtig: Auf dem Anhörungsbogen ist zu lesen, dass dieser innerhalb einer Woche ausgefüllt zurückzusenden sei. Tatsache ist: Muss man nicht. Kein Grund also, in überstürzte Eile zu verfallen.
Dieses Prinzip gilt auch, wenn Gemeinde- oder Polizeibeamte vor der Tür stehen und das »Beweisfoto« abgleichen wollen. Weil keiner öffnen muss, wenn’s klingelt.
Zugegeben, viele dieser Bilder sind richtig mies, zur
Identifizierung des Fahrers völlig ungeeignet, so dass das
Verfahren eigentlich eingestellt werden müsste. Was so manchen Beamten aber nicht daran hindert, den Fahrer sofort zu erkennen. Und sei’s in Person des Sohns, des Onkels oder sonst einer Herrschaft, die in des Eigners
vier Wänden weilt. Dies ist leichthin zu vermeiden, wenn die Tür zu bleibt. Sollen die Nachbarn ruhig gucken.
Auch einer Vorladung der Polizei muss keine Folge geleistet werden. Wer höflich ist, sagt den Termin vorher ab.

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Und in vielen Fällen die beste Verteidigung. Denn aus der Verweigerung
einer Auskunft dürfen keinerlei nachteilige Schlüsse gegen den Beschuldigten gezogen werden. Wer nichts sagt,
der verplappert sich auch nicht. Letzteres passiert, wie die Praxis zeigt, relativ oft. Dann wird der Beschuldigte zum »Beweismittel« gegen sich selbst. Entgegen der landläufigen Meinung muss nämlich die Bußgeldstelle nicht nachweisen, dass eine bestimmte Person der Fahrzeugführer war; die Fahrzeugführereigenschaft, wie die Juristen
sagen, muss nur zur Überzeugung des Richters zweifelsfrei bestehen. Dies ist ein immens wichtiger Unterschied: Zweifelsfreie Feststellungen sind in der Regel schon gegeben, wenn der Richter in einer Aussage des Beschuldigten einen Widerspruch zu erkennen glaubt. Und wer nichts sagt, kann sich auch nicht widersprechen.
Glaubt die Bußgeldbehörde, den Täter erkannt zu
haben, erlässt sie einen Bußgeldbescheid. Dagegen kann der Betroffene innerhalb von 14 Tagen Widerspruch
einlegen. Wenn diese Frist verstrichen ist, kann er nichts mehr gegen den Bescheid unternehmen. Selbst wenn
die Vorwürfe offensichtlich nicht zutreffen. Also sofort Widerspruch einlegen.

Die Behörde prüft in diesem Fall, ob sie ihren
Bescheid aufrecht erhält, was sie in der Regel tut. Wenn es daraufhin zu einer Verhandlung kommt, sollten alle,
die eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen haben,
sofort einen auf Verkehrsrecht spezialisierten Anwalt
beauftragen. Nur der, nicht der Betroffene selbst, erhält Einsicht in die Ermittlungsakten und kann daraus eine
Verteidigungsstrategie entwickeln. Wer nicht rechtsschutzversichert ist, sollte sich den Gang zum Rechtsanwalt gut überlegen, weil nach der gesetzlichen Gebührenordnung Ordnungswidrigkeiten wie Strafsachen
behandelt werden und die also anfallenden Rechtsanwaltsgebühren oft in keinem Verhältnis zum verhängten Bußgeld stehen. Wenn jedoch ein Fahrverbot droht, gilt: unbedingt Anwalt engagieren.
Richter messen Bußgeldangelegenheiten meist keine große Bedeutung bei. Solche Verhandlungen terminieren sie im Viertelstundentakt. Nur schnell vom Tisch. Wer, wenn’s um die Fahrerlaubnis geht – und die bedeutetet manchmal ja die Existenz – ohne Anwalt zur Hauptverhandlung erscheint, hat eigentlich schon verloren. Da hilft’s auch kaum, wenn er nach dem negativen Urteil einen
Juristen engagiert, weil Rechtsbeschwerden gegen solche
»Bagatellen« nur in seltenen Fällen erfolgreich sind.

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Erscheinungsdatum 15.09.2023