Der MOTORRAD Dauertest der Triumph Daytona 675 ist nach 50.000 km beendet.
Der MOTORRAD Dauertest der Triumph Daytona 675 ist nach 50.000 km beendet.
Geschont wurde die „Kleine“ nicht. Im Gegenteil. Reifentests auf der Rennstrecke, Dutzende von Prüfstandsläufen, stop and go durch Stuttgarts Rushhour oder mit Vollgas über die Autobahn – ein gnadenloses Programm, das der kleinen Daytona in knapp zwei Jahren zugemutet wurde. Aber so ist das Leben als Dauertester bei MOTORRAD, da muss sie durch. Wobei der Langstrecken-Marathon der 675 für besondere Spannung sorgte. Immerhin hatte die komplette Neukonstruktion im ersten Vergleichstest für eine kleine Sensation gesorgt, als sie auf Anhieb die gesamte japansiche 600er-Riege distanzierte (MOTORRAD 6/2006). Umso spannender also die Frage, ob die Triumph auch langfristig überzeugen kann.
Um einem möglichen heimlichen Teiletausch bei Inspektionsterminen vorzubeugen, hat MOTORRAD-Werkstattmann Gerry Wagner – wie bei sämtlichen Dauertestmaschinen der Fall – zunächst alles verplombt und markiert. Unbefugte Eingriffe sind somit ausgeschlossen. Nur zur Zwischenbilanz mit einem Auspuff- und Zubehörtest sowie Reifenempfehlungen (siehe MOTORRAD 19/2007) knipste Gerry den einen oder anderen Plombendraht durch.
Jetzt werden die Metallfäden endgültig gezogen, Dienstschluss nach exakt 50275 Kilometern. Und wie fühlt sich so eine geschundene Triumph nach einer 1,25-fachen Erdumrundung? Wie neu. Zumindest der Motor, der die Gemüter immer noch wie zur ersten Stunde in Wallung bringt und mit seiner Kraft und Geschmeidigkeit alle begeistert. Alle – weil sein herzerfrischendes Klangbild die Monotonie des Vierzylinder-Allerleis sprengt und er sich auch nach 50000 Kilometern weder von grobschlächtigen Vibrationen noch von mechanischen Ungereimtheiten besiegen ließ. Was Testredakteur Andreas Bildl bei Kilometer 49286 zur vorgezogenen Gratulation veranlasste: „A la bonheur, kleine Triumph. Sie macht auch nach fast 50000 Kilometern keine Zicken... und sogar das Getriebe hat durchgehalten.“ Das war zuweilen mit lauten Schaltschlägen und knochentrockenen Gangwechseln auffällig geworden, was sich durch ein gut geschmiertes Schaltgestänge und korrekte Höheneinstellung des Hebels mildern, aber nicht abstellen ließ.
Auf ihrem Weg zur 50000-Kilometer-Schallmauer musste die Daytona lediglich einmal die segensreiche Erfindung eines Motorradtransporters in Anspruch nehmen. Wurden bis dato alle Defekte als Kleinigkeit abgehakt (siehe Tabelle Seite 54), musste Kollege Oliver Ebner bei Kilometerstand 44470 auf die S-Bahn umsteigen. Der Grund: In die Lichtmaschine integriert und deshalb nur als komplette Anlage austauschbar, streikte der Kurbelwellensensor, der grundlegende Informationen an die Elektronikbox verschickt – oder eben nicht. Verabschiedet sich das Bauteil außerhalb der Garantiezeit, sollte dies nicht am Monatsende geschehen. Stramme 394,40 Euro verlangt der freundliche Händler für die komplette Lichtmaschine – ohne Montage. Auch die Batterie war durch die Entladung letztlich am Ende und wurde wenig später auf Garantie ersetzt.
Anschließend spulte die Triumph die restlichen knapp 6000 Kilometer ohne jegliche Mucken ab. Leider viel zu schnell. Kaum ein anderes Motorrad war in der Redaktion so begehrt und geliebt wie die 675. Das Fahrtenbuch liest sich fast so kitschig wie die Liebesschnulzen von Rosamunde Pilcher. „Was für ein schönes Moped – da passt einfach alles“, begrüßt der Chef vom Dienst, Harry Humke, die Triumph bei Kilometerstand 2412. „So einfach kann Motorradfahren sein – pfundig und röhrend brüllt das Teil seine Freude raus“, begeistert sich Oli Ebner, und die stellvertretende Chefredakteurin Monika Schulz trauert bei Kilometer 49450: „Schade, war vermutlich unsere letzte gemeinsame Ausfahrt.“
Ins gleiche Horn stößt die Triumph-Kundschaft. Auf den Internetseiten (www.T5net.de oder www. Triumph Daytona 675 Forum.de) und in Leserbriefen sind die euphorische Begeisterung sowie eine verhaltene Kritik deckungsgleich. Überzeugend ist die Daytona 675 auch des-halb, weil sie in Sachen Preis/Leistung in der Supersport-Riege ganz vorn rangiert. Mit durchschnittlich 5,7 Liter Superbenzin auf 100 Kilometer hielt sich der Dauertest-Triple mit den Trinksitten zurück, und auch das Öl (0,06 Liter auf 1000 Kilometer) blieb dort, wo es hingehört: im Motor.
Gemeckert wurde von Kundschaft und Redaktion über die serienmäßig zu tief angebrachten Lenkerstummel, die dürftige Lichtausbeute, die mitunter schlechte Lackqualität, den schlechten Spritzschutz am Hinterrad, den zu kurzen Kettenschutz, den untauglichen Soziusplatz und nur mäßigen Windschutz. Außerdem verschwindet durch die leicht kribbeligen Vibrationen gelegentlich eine Schraube, weshalb eine regelmäßige Kontrolle angeraten ist.
Bei Kilometerstand 36881 wurde beim MOTORRAD-Dauertester die Sitzbank getauscht, da sie sich bei Regen vollsaugte und für einen nassen Hintern sorgte. Heiße Sommertage dagegen heizten sensiblen Menschen mit der Abluft des Underseat-Schalldämpfers ein. Wobei man die Kirche im Dorf lassen sollte, denn bei aller Vernunft, die Daytona ist und bleibt eine reinrassige Rennsemmel – Ende der Diskussion.
Zu diskutieren gab es bei der Abschlussbesprechung mit den Triumph-Technikern ein paar Ungereimtheiten, die sich in den Tiefen des kompakten Reihendreizylinders auftaten. Dort zeigten einige Gleitlager zum Teil deutliche Laufspuren. Auch wenn die Lagerspiele noch meilenweit von der Toleranzgrenze entfernt sind, werfen die riefigen Oberflächen an Nockenwellen, Kolbenbolzen und Pleuellagern die Frage auf, ob die Materialpaarungen beziehungsweise die Härteverfahren wirklich optimal abgestimmt sind. Speziell das asymmetrische Tragbild der Pleuellager lässt den Verdacht aufkommen, dass es dem Kurbeltrieb bei hohen Drehzahlen und Last an Biegesteifigkeit mangelt.
Im krassen Gegensatz dazu steht die Kombination von Kolben und Zylinderlaufbahn. Nicht der geringste Ansatz von Kaltlaufspuren auf dem Kolbenhemd, brillante Maßhaltigkeit der neuwertigen, beschichteten Zylinderlauffläche und ein ziemlich dünner Ölkohlefilm auf den Kolbenböden sprechen für sich. Die leichten Kompressionsverluste sind auf die minimal undichten, weil leicht verkokten Ventilsitze zurückzuführen. Da jedoch Leistung und in vielen Drehzahlbereichen auch das Drehmoment bei der Abschlussmessung über dem anfänglichen Niveau lagen, kann man dies als kleinen Schönheitsfehler ohne Auswirkung betrachten. Ähnlich verhält es sich mit den mikroskopisch winzigen Narben auf den Nockenwellen, die keinen Einfluss auf Funktion und Haltbarkeit haben dürften.
So, und was ist los mit dem knochigen Getriebe? Außer ein paar leicht abgenützten Schaltklauen am Gangradpaar Nummer drei und einem auffälligen Radialspiel einzelner Losräder (Getrieberäder, die sich auf der Welle drehen) ist nichts zu erkennen. Selbst die axial hoch belasteten Schaltgabeln zeigen sich in guter Verfassung und machen deutlich, dass die Gangräder vom Hinterschliff der Klauen sicher in ihrer Position gehalten werden und keine zerstörerische Seitenkraft auf die Schaltgabeln ausüben.
Dafür könnte die schwergängige Schaltwelle, also die Kraftübertragung vom Schaltfuß zum Getriebe, Mitverursacher der hakigen Schaltung sein. Deutlich in die Nadellager eingearbeitet, ist die mit drei Simmerringen gedichtete und an den Lagerstellen zu weiche Stahlwelle kein gutes Beispiel für eine exakte, reibungsarme Schaltkonstruktion.
Mit schillernder Blaufärbung dokumentieren die Stahlscheiben der leichtgängigen Ölbadkupplung den Stress, dem die Triumph ausgesetzt war und der in den Abschlussmessungen (mehrere Vollgasbeschleunigungen und Prüfstandsläufe) gipfelte.
Fahrwerksseitig gibt es an der Dauertest-Daytona ebenfalls nicht viel zu ersetzen. Einzig die vorderen Bremsscheiben sind an der Verschleißgrenze angelangt und sollten bald ausgetauscht werden. Federung und Dämpfung arbeiten dagegen nach wie vor ohne Tadel. Die richtigen Reifen vorausgesetzt, fegt die Triumph wie hingedübelt ums Eck. Nix wackelt, nix eiert – einfach prima, die Kleine.
Musste der erste Satz Lackteile wegen akuten „Sonnenbrands“ auf Garantie getauscht werden, ist der zweite noch in gutem Zustand. Als überraschend strapazierfähig erwies sich die schwarze Beschichtung auf den Aluminium-Rahmenteilen, die weder ausbleichte noch abplatzte. Unterm Strich muss sich der englische Supersportler also auch in Sachen Langstreckenqualitäten nicht hinter der japanischen Konkurrenz verstecken.