Mit drei senkrecht stehenden Zylindern im Kingsize-Format, verteilt auf üppige 2,3 Liter Hubraum, setzt Triumph beim Motor des Supercruisers Rocket III neue Maßstäbe im Serienbau.
Mit drei senkrecht stehenden Zylindern im Kingsize-Format, verteilt auf üppige 2,3 Liter Hubraum, setzt Triumph beim Motor des Supercruisers Rocket III neue Maßstäbe im Serienbau.
Bigger is better, diese amerikanische Maxime machten sich die Engländer aus Hinckley bei der Entstehung der Rocket III zu eigen und verkünden in ihrer Pressemitteilung atypisch unbescheiden: »Die Rocket III ist das größte und eindrucksvollste Serienmotorrad, das die Welt je gesehen hat.« Bereits 1998 planten die Triumph-Strategen, einen Cruiser der Superlative zu bauen, um insbesondere auf dem amerikanischen Markt Fuß zu fassen. Immerhin 40 Prozent der Neuzulassungen entfallen dort auf das Cruiser-Segment. Zwei wesentliche Forderungen bestimmten das Lastenheft: Das Über-Bike musste mehr Hubraum besitzen als die Konkurrenz und keine Kopie, sondern ein komplett eigenständiger Powercruiser werden. Als Maßstab diente zu jener Zeit die in den USA als Valkyrie angebotene Honda F6C. Sie legte nicht nur in Sachen Hubraum und Leistung die Messlatte, sondern gab auch im Fahrverhalten die Eckdaten vor. Überlegungen, einen V6 zu bauen, verwarfen die Konstrukteure in Hinckley allerdings schnell. Dessen Charakter hätte sich zu stark an der Honda orientiert und wäre zu sanft gewesen. Da weder ein Reihenvierzylinder noch ein V-Twin in Frage kamen, blieb nur der Dreizylinder übrig, der perfekt ins Modellprogramm passt.
Doch der Triumph-typische, quer gestellte Drilling schied
von vornherein aus, weil er zu breit baut und der angestrebten entspannten Sitzposition mit 740 Millimeter Sitzhöhe vor allem
im Beinbereich entgegengestanden hätte. Folglich musste es
ein Dreizylinder mit längs liegender Kurbelwelle und stehenden
Zylindern sein. Eine Bauweise, welche die Ingenieure vor eine gewaltige Herausforderung stellte, denn für eine derartige Positionierung des Antriebs gab es bei Triumph bis dato weder Vorbilder noch Erfahrungen.
Wegen des Längseinbaus hätte eine hinter dem Motor angeordnete Kraftübertragung weit mehr als die realisierten 1690 Millimeter Radstand bedingt. Deshalb wanderte der Antriebsstrang in Höhe der Kurbelwelle auf die linke Seite. Ungewöhnlich auch der Primärantrieb, der an der Stirnseite des Motors die Mehrscheiben-Ölbadkupplung antreibt. Da sie relativ schnell, nämlich fast mit Kurbelwellendrehzahl läuft und ein vergleichsweise geringes Drehmoment zu übertragen hat, ist sie sogar leichter als das Bauteil der Bonneville. Daran schließt sich das Fünfganggetriebe an. Im weiteren Verlauf findet der Ruckdämpfer Platz. Die freien Massenmomente des gewaltigen Dreizylinders soll eine Ausgleichswelle im Zaum halten, die rechts neben der Kurbelwelle rotiert. Sowohl Kupplung als auch Ausgleichswelle drehen sich gegensinnig zur Kurbelwelle, um deren Reaktionsmomente bei Drehzahländerungen weitgehend zu eliminieren.
Beim Sekundärantrieb setzten die Entwickler auf Kardan. Ein Zahnriemen hätte in Verbindung mit der üppigen Hinterradwalze eine gehörige Baubreite verursacht. Zudem legten die Designer großen Wert auf eine »cleane« Optik. Für einen tiefen Schwerpunkt und eine geringe Bauhöhe sorgt eine Trockensumpfschmierung. Deren Tank thront unübersehbar auf der linken Seite über dem Getriebe.
Bei der Konzeption des Vierventilers mit zwei oben liegenden Nockenwellen und Doppelzündung hatten sich die Triumph-Strategen 1998 auf einen Hubraum von 1500 cm3 festgelegt, allerdings die Rechnung ohne die Konkurrenz gemacht. Die stockte im Lauf der Entwicklung Zug um Zug auf. Yamaha präsentierte 1999 die 1600er-Wild Star, Honda zog 2001 mit der VTX 1800 nach, und für den Nachfolger der Valkyrie munkelte man von zwei Liter Hubraum. Außerdem drehten Kundenbefragungen in den USA an der Hubraumschraube. Die eindeutige Aussage: »Biggest is the best.« Durch Vergrößern des Hubs bis auf 94,3 und der Bohrung auf 101,6 Millimeter wuchsen die ursprünglichen 1,5 über 1,6 und zwei Liter letztlich auf 2294 cm3 oder volle 140 Cubic Inches, was selbst die US-Boys überzeugen sollte.
Von Formel-1-Konstrukteuren holten die Motorradbauer in
der Entwicklungsphase Vorhersagen über Leistungs- und Dreh-
momententfaltung ein. Die fielen äußerst zufrieden stellend aus. Und bestätigten sich, als der Motor das erste Mal lief. Auf Anhieb lieferte er satte 192 Nm Drehmoment. Doch die endgültigen 200 Nm, die bereits bei 2500/min zur Verfügung standen, erwiesen sich im Fahrbetrieb als zu viel des Guten. Zumal der Triple 90 Prozent davon bereits bei 1800/min freisetzte.
Das spontane Ansprechverhalten bekam man zwar durch eine geänderte Kinematik der Drosselklappenbetätigung in den Griff, aber in den unteren drei Gängen musste das Drehmoment gekappt werden, um das Fahrverhalten zu entschärfen und den 240 Millimeter breiten Hinterreifen zu entlasten.
Für Überraschung sorgte auch die Höchstgeschwindigkeit. Auf dem Testgelände im spanischen Idiada beamte sich die 142 PS starke Engländerin mit sensationellen 162 Meilen, also 261 km/h durch die Lichtschranke. Too much, befanden die Verantwortlichen von Triumph, und bremsten die Rocket auf 140 Meilen ein. Doch 225 km/h reichen für einen unverkleideten Powercruiser allemal.
Unabhängig davon haben sich die Fahrwerksentwickler mit der Upside-down-Gabel, den 320 Millimeter großen Bremsscheiben im Vorderrad und dem 316-Millimeter-Pendant im Hinterrad alle Mühe gegeben, der trocken 320 Kilogramm schweren Maschine angemessene Fahrstabilität und Verzögerung in die Wiege zu legen. Und vielleicht dürfen sich Triumph-Liebhaber in Zukunft ja sogar höherer Geschwindigkeiten erfreuen. Denn die extremen Investitionen für die Rocket III rechnen sich nur mit einer Modellfamilie. In der Tat soll das Kraftpaket in Zukunft auch in einem Tourer seine Muskeln spielen lassen. Drehmoment- und Leistungsentfaltung sowie der Kardanantrieb prädestinieren den Powertriple geradezu für weitere Aufgaben auf weiten Reisen.
Doch zurück zur Gegenwart. Mit großer Spannung erwartet MOTORRAD die ersten Fahreindrücke der Rocket III, und die werden voraussichtlich in MOTORRAD 14/2004 zu lesen sein.