Hinter jedem Motorrad steckt eine Philosophie. Fritz W. Egli liefert sie frei Haus. »Erinnern Sie sich an die guten alten Zeiten«, schreibt er in seinem Prospekt »als Motorräder noch aus Stahl und Aluminium gebaut wurden, nicht aus buntem Plastik.« Sein Seitenhieb auf japanischen Großserienbau ist unüberhörbar; doch ist der Meister, dessen Erfolge als Rennstallbesitzer und Konstrukteur in der Langstrecken-Weltmeisterschaft noch in Erinnerung sein dürften, keineswegs verblendet. Nach dem Motto: Alt ist automatisch gut und japanisch immer langweilig.
Fernöstliche Perfektion und Zuverlässigkeit sind es gerade, die er seiner neuesten Kreation einhauchen wollte, der Egli-Enfield Super Bullet »Clubman«, so der komplizierte Name des einfachen Motorrads, Und das, es sei vorweggenommen, ist dem Schweizer weitgehend gelungen. Mit enormem Aufwand und ohne Kosten zu scheuen.
Für den Enfield-Importeur lag nahe, das simpel konstruierte Triebwerk auf dem technischen Stand der 60er Jahre für eine Klientel erstrebenswert zu machen, die nostalgisches Outfit mit moderner Zuverlässigkeit gepaart sehen möchte. Dazu zerlegt Egli die aus Indien angelieferten Enfield und baut sie mit vielen Verbesserungen und neuen Teilen wieder auf. Ein Kunde brachte ihn dann auf die Idee, gleich ein leichtes Sportmotorrad mit dem Einzylinder zu bauen.
Natürlich musste als Basis der Eglische Zentralrohrrahmen aus vernickeltem Chrommolybdänstahl herhalten, das Markenzeichen des Tuners. Am Motor blieb keine Schraube, wie sie einmal war. Eigener Aluminium-Zylinder, selbst bearbeiteter größerer Kolben amerikanischer Herkunft, größere Ventilen im völlig neu gestalteten Zylinderkopf, langhubige Kurbelwelle (105 Millimeter) mit speziellen Hauptlagern, Trockenkupplung, Zahnriemenprimärantrieb, 36er Keihin-Flachschiebervergaser, um nur das Wichtigste zu nennen. Auf etwas mehr als 40 PS aus 624 cm³ Hubraum darf sich der Kunde freuen. Exklusivität ist garantiert: Von der Clubman existieren bislang nur zwei Exemplare zum Preis von gut 40 000 Franken.
Antreten: Choke am Vergaser betätigen, den riesigen Kompressionshebel ziehen und kräftig auf den Kickstarter tappen. Ein tiefes Wummern ertönt, Drehzahl kaum 800/min. Gut, dass die umgekehrte Schaltfolge der Pedalerie mit dem ersten Gang rechts oben aus alten Ducati-Tagen noch im Hirn gepeichert ist. Mit sanftem Schlägen schiebt die Egli-Enfield voran. Die kleinen Sträßchen im hügeligen Hinterland von Zürich erweisen sich als ideales Terrain für das leichtgewichtige Maschinchen. Der vielzitierte Begriff vom Fahren »wie auf Schienen« muss hier wieder hervorgekramt werden. Das unangenehme Aufrichten beim Bremsen in Schräglage, üppig bereiften modernen Motorrädern oft zu eigen, kennt die kleine Clubman nicht. Metzeler ME Z1-bereifte 18 Zoll-Räder mit bescheidener Breite vorn ist ein 110/70-Pneu, hinten ein 140/70er aufgezogen - lassen dies auch gar nicht erwarten. Die gebotene Härte der von Egli selbst hergestellten Gabel - Kennzeichen: die beiden Verbindungsrohre oberhalb des Kotflügels - und der Koni-Federbeine verderben den Fahrkomfort keineswegs, wenngleich sie dem Fahrer deutlich mitteilen, ob die Straßenbauer bei der Reparatur der winterlichen Asphaltschäden mal wieder geschlampt haben. Unbedingt der Moderne zuzurechen ist die vordere Scheibenbremse, welche nicht weniger als eine Spiegler-Achtkolbenzange zu bieten hat und kräftig, aber nicht zu giftig zufasst. Während das hintere Pendant eher übereifrig ans Werk geht und schon mal den Reifen allzu abrupt zum Stillstand kommen lässt. Eigentlich braucht man sie aber auch gar nicht.
Dass ein einzylindriges Motorrad mit 139 Kilogramm Gesamtgewicht enorm behände um die Kurven fegt und sich so easy wie ein Mountain Bike händeln lässt, darf erwartet werden.
Keine Frage, der indische Single à la Egli bringt natürlich nicht die Power eines modernen Eintopfs à la KTM zuwege. Dennoch drückt der lediglich von einem Viergangetriebe unterstützte Motor nachhaltig vorwärts, sodass der erstaunte Fahrer bald knapp 160 km/h auf dem einem Fahrrad entliehenen Tacho mit digitaler Anzeige ablesen kann. Zusammengekrümmt wie ein Fakir allerdings, das ist dem Luftwiderstand schon zu schulden. Dumm nur, dass das herrliche Fahrfeeling von dem äußerst unwilligen Getriebe ein wenig getrübt wird. Obwohl von Meister Egli ebenfalls überarbeitet, verlangt es dem Fuß des Fahrers jedoch viel Kraft und Feingefühl ab. Nun ist es wieder zu spüren: Die Clubman stammt eben von einem Oldtimer ab.
Egli wäre nicht Egli, leistete er sich nicht ein paar liebenswerte technische Verschrobenheiten. Sei es das Befestigungsgummi des schlanken und etwas schief auf dem Rahmenoberrohr lagernden Alu-Tanks oder der riesige Schalter aus den Zeiten des Röhrenradios, der den VDO-Öltemperaturanzeiger aktiviert - wozu überhaupt? - oder der aus Prüfstandsversuchen rübergerettete elektronische Kröber-Drehzahlmesser. Fast schon ein Sammlerstück.
Eins steht fest: Wer mit der Egli Enfield Clubman am Motorradtreff auftaucht, ist sich der Aufmerksamkeit aller gewiss. Ohne solche Motorräder wäre die Szene ärmer.
Porträt Fritz W. Egli - Werdegang einer Legende: Fritz W. Egli
»Genüßlich Benzin abfackeln«, sprach er einmal, als MOTORRAD 1987 zum Tunertreff an den Nürburgring lud. Knapper kann man nicht formulieren, wie Fritz W. Egli, renommierter Konstrukteur und Tuner aus Bettwil im Züricher Hinterland ,sein Metier versteht. Der heutige Schweizer Importeur für Chang Jiang, Enfield, MuZ und Sachs wurde hierzulande durch seine so simplen wie effektiven Zentralrohrrahmen samt selbst konstruierten Telegabeln bekannt, mit denen in den 70er Jahren wackelige Japankisten zu spurstabilen Sportgeräten mutierten. Rennerfolge in der Langstrecken-WM mit den Fahrern Georges Godier und Alain Genoud (Bol D`Or-Sieg 1974) und Jaques Cornu (schnellste Runde beim Acht-Stunden-Rennen auf dem Ring) jeweils mit Kawasaki 1000 cm³-Vierzylindern untermauerten sein Image als Kontrukteur. Von 1977 bis 1987 fanden seine Sportmaschinen nicht zuletzt dank des deutschen Egli-Importeurs Reinhold Kraft regen Absatz. Insgesamt verkaufte Egli weltweit über 3000 seiner Rahmenbausätze, darunter etliche Komplettmotorräder. Als ab Mitte der 80er Jahre die Japaner ihre Motorräder perfektionierten, machten umfangreiche Fahrwerksumbauten keinen Sinn mehr. Interimsweise verlegte sich der Schweizer auf das Tuning schwerer achtzylindriger Amischlitten wie etwa dem Chevrolette Corvette, bis er sein Auskommen mit dem Import oben erwähnter Nischenmarken fand. Heute beschäftigt der 62jährige in einem großzügigen Anwesen, ehemals ein Bauernhof, 13 Mitarbeiter nebst seiner Gattin.