Wir wissen es inzwischen zur Genüge. Die Lausitz ist statistisch die regenärmste Region Deutschlands. Entsprechend empfing der Eurospeedway auch das Team um den vierfachen Superbike-Weltmeister Carl Fogarty und seinen Hauptsponsor, den halbstaatlichen malaysischen Ölkonzern Petronas, sowie ihr brandneues Foggy FP1-Superbike zu den ersten Testfahrten außerhalb des britischen Inselreichs mit standesgemäßem Schmuddelwetter.
Umso beeindruckender, dass Ex-Rennfahrer Nigel Bosworth, Teammanager des Foggy Petronas Racing Teams, seine sehr außergewöhnliche Zusage aufrecht hielt: Lange vor dem ersten offiziellen Auftritt beim Auftakt zur Superbike-WM am 2. März im spanischen Valencia rückte er die FP1 zu einem exklusiven Pressetermin heraus. »Du musst halt ein bisschen aufpassen, die Streckentrockner sind noch draußen«, erwähnt er eher beiläufig, bevor der Mechaniker mit dem Anlassergerät zielstrebig auf das Hinterrad zugeht.
»Die Streckentrockner« das ist ein Pickup-Truck mit einem formidablen Düsen-Triebwerk statt Ladefläche, der gemäß seiner Aufgabe äußerst langsam um den Eurospeedway schleicht. Man sollte ihn großräumig umfahren. Doch draußen auf der Strecke mahnt nicht nur dieses feuerspeiende Monstrum zur Vorsicht, sondern auch höchst wechselhafte Streckenverhältnisse: richtig nass, dann abschnittsweise eher schmierig und zum Teil tatsächlich schon trocken, allerdings nicht ohne den Hinterhalt von Kerosin-Resten des Mammutgebläses.
Ideale Bedingungen für einen Gelegenheits-Racer. Trotz all dieser Bremsen im Kopf reißt das Vorderrad der FP1 beim Beschleunigen in den ersten drei Gängen unmissverständlich nach oben. Aber schließlich reden wir über ein Rennmotorrad. Keine große Überraschung also, auch wenn die Ingenieure dem 900er-Dreizylinder-Reihenmotor eine gegen die Fahrtrichtung rotierende Kurbelwelle verpasst haben, um die Wheelie-Neigung zu verringern.
Wesentlich beeindruckender ist die akustische Seite unseres Spektakels. Unterstützt vom idealen Resonanzraum der riesigen Eurospeedway-Tribünen, setzt sich die FP1 quasi von null auf eins der Bike-Sound-Charts. Einfach genial, das scharfe, harte Ansauggeräusch des Triples in Verbindung mit dem fast schneidenden Auspuffgeräusch. Der Fahrer kommt im Übrigen ungleich intensiver in den Genuss dieser unvergleichlichen Vorstellung als die Fans, die bei der Vorbeifahrt der Foggy FP1 nur eine dezente Version dessen mitkiregen, was sich akustisch im Cockpit tatsächlich abspielt.
Dem Piloten fällt die Freude an diesem Konzert umso leichter, als die Sitzposition auf dem türkisfarbenen Rennneuling von Anfang an sehr vertraut wirkt. Insgesamt der Haltung auf der Ducati 998 nicht unähnlich, fühlt sich der Fahrer perfekt aufgehoben und stellt wie beim Referenz-Superbike aus Italien schnell fest, dass das komplette Motorrad wesentlich kleiner und kompakter ist, als der erste Blick aus der Halbdistanz vermuten lässt. Dazu kommt die starke Taillierung, welche das Turnen auf der Maschine erleichtert, ganz anders zum Beispiel als auf den Vierzylinder-Geräten vom Schlage der Suzuki- oder Kawasaki-Superbikes.
Gewichtsprobleme kennt die FP1 sowieso nicht. Von Anfang an auf den Rennsport hin entwickelt, bringt das Dreizylinder-Bike exakt die vom Reglement vorgeschriebenen 162 Kilogramm. Dies alles verhilft dem Foggy-Bike zu überdurchschnittlicher Handlichkeit. In langsameren Kurven erinnert die Lenkpräzision fast schon an ein Trial-Moped. Auch schnelle Schräglagenwechsel verlangen nur minimale Initiative.
Mit allmählich trockenerer Ideallinie werden Geschwindigkeitsbereiche erreicht, die dem Dreizylinder entsprechen. Zwar hatte der Motor schon beim Losfahren aus der Boxengasse einen kernig kräftigen Eindruck gemacht. Aber richtig zur Sache geht es erst ab 7000/min. Und bei 10000 Umdrehungen bricht dann der Sturm los, auch wieder in akustischer Hinsicht. Bei 14500 Touren riegelt schließlich ein Begrenzer ab nicht gerade eine astronomische Drehzahl für einen Motor mit 88 Millimeter Bohrung und 49,3 Millimeter Hub. Doch das Triebwerk befindet sich ja ganz am Anfang seiner Karriere.
Ebenfalls noch entwicklungsfähig ist die Gasannahme und vor allem die Umsetzung der Befehle des Gasgriffs. Gerade auf dem nicht gänzlich trockenen Eurospeedway präsentiert sich die FP1 ein wenig heikel. Der Gasgriff arbeitet derzeit noch recht digital im Stile eines Schalters: auf oder zu.
Doch Chefmechaniker Rob Mathewson ist schon mitten drin in der Lösung dieses Problems: »Es geht hauptsächlich um das korrekte Kennfeld für die Zündung und den optimlaen Gasfluss. Leider können wir in diesem Bereich auf dem Prüfstand kaum etwas antizipieren. Wir brauchen die Testfahrten, um relevante Werte zu ermitteln. Wir sind der Sache schon auf der Spur und werden sie sehr bald in den Griff kriegen.«
Das gefahrene Motorrad von James Haydon, der neben Ex-Superbike-Weltmeister Troy Corser die FP1 in der ersten Superbike-WM-Saison bewegen wird, weist eine Besonderheit auf. Das Heck steht sehr hoch. Der junge Engländer will damit wohl massiv Druck aufs Vorderrad bringen, damit das Michelin-bereifte Motorrad im Grenzbereich zum Driften etwas gutmütiger reagiert. So ist er es aus seiner Vergangenheit als Fahrer von Dunlop-Reifen gewohnt, denen ja ein etwas breiterer Grenzbereich nachgesagt wird, der im Vergleich zu den französischen Pneus allerdings früher beginnt. Tatsächlich kommt auch der weniger begnadete Teilzeit-FP1-Reiter plötzlich in den Genuss sehenswerter Slide-Einlagen. Schade nur, dass sie vorher nicht mit dem Fotografen abgesprochen werden konnten.
Auch im Fahrwerksbereich profitiert die FP1 mit außergewöhnlichen Einstellmöglichkeiten davon, dass sie von der ersten Konstruktionszeichnung an uneingeschränkt als Rennmotorrad konzipiert war. Die patentierte Verstellung des Lenkkopfwinkels geht ebenso leicht von der Hand wie die Einstellung des Nachlaufs. Dazu gibt es Sitzbankeinheiten mit unterschiedlicher Dicke, die gleichzeitig in ihrer Funktion als angeschraubtes Rahmenheck Einfluss auf die Steifigkeit des Gesamtpakets nehmen können. Obwohl das gesamte Chassis bereits in der Grundeinstellung hervorragend funktioniert, stehen den Piloten und ihren Fahrwerkspezialisten fast unendliche Möglichkeiten zu Veränderungen und Feinjustagen offen.
Ganz subjektiv erscheint der Dreizylinder in der Version, die auf dem Eurospeedway Lausitz bereit stand, noch nicht ganz im Vollbesitz seiner 185 PS. Die Herren Troy Corser und James Haydon brauchen wir zu dieser Fragestellung nicht zu vernehmen. Die wollen sowieso immer nur noch mehr Leistung. Teamchef Nigel Bosworth dagegen gibt zu: »Um einen Rennmotor perfekt zu entwickeln, brauchst du vor allem viel Zeit. Wir haben nicht erwartet, mit dem Gesamtpaket so schnell auf dem jetzigen Stand zu sein. Es wäre nicht sehr zielführend, im derzeitigen Entwicklungsstadium schon einen bärenstarken Motor zu haben, der dann dauernd kaputt geht. Wir werden mit Sicherheit zu den Rennen mit einem absolut konkurrenzfähig Triebwerk antreten.«
Wenn es Allah gefällt.
Technische Daten - Foggy FP1-Superbike
MotorWassergekühlter Dreizylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei obenliegende, zahnradgetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Nasssumpfschmierung, elektronische Marelli- Saugrohreinspritzung mit je zwei Einspritzdüsen, O 55 mm, Nasssumpfschmierung, Kühlwasser 2,5 l, Öl 3,5 l, 3-in-1-in-2-in-3-Micron-Titan-Auspuffanlage mit Kohlefaser-Schalldämpfer. Bohrung x Hub 88 x 49,3 Hubraum 900 cm³ Verdichtungsverhältnis 14 : 1Nennleistung 185 PS bei 14000/min Max. Drehmoment 105 Nm bei 13500/min Kraftübertragung Mehrscheiben-Trockenkupplung, Sechsgang-Kassettengetriebe mit Schaltautomat. FahrwerkAluminium-Brückenrahmen mit geschraubtem Rahmenheck, Öhlins-Upside-down-Gabel, Gleitrohrdurchmesser 43 mm, Zweiarmschwinge, einstellbares Öhlins-Zentralfederbein, Brembo-Doppelscheibenbremse, O 290 oder 300 mm, radial verschraubte Vierkolbensättel, Brembo-Einscheibenbremse, O 220 mm. OZ-Sechs-Speichenräder 3.50 x 16,5; 6.00/16.5, Michelin-ReifenMaße und GewichteLänge 2045 mm, Breite 680 mm, Höhe 1100 mm, Radstand 1425 mm, Gewicht 162 kg, Tankinhalt 24 Liter.