Manchen Volltreffer haben die Bayern gelandet, aber auch manches Eigentor geschossen. Trotzdem überrascht, wie sehr BMW als Marke, die Maschinen und ihre Fahrer polarisieren. Was steckt hinter dem Feindbild BMW? Der Versuch einer Analyse.
Manchen Volltreffer haben die Bayern gelandet, aber auch manches Eigentor geschossen. Trotzdem überrascht, wie sehr BMW als Marke, die Maschinen und ihre Fahrer polarisieren. Was steckt hinter dem Feindbild BMW? Der Versuch einer Analyse.
Bayern München - der Fußballverein - ist unbestritten der erfolgreichste Klub Deutschlands. Die Bayern sind die Chefs im Ring und der Top-Verein. Selbstredend jubeln den Münchnern auch die meisten Fans zu, laut Umfragen rund 20 Millionen. Aber Erfolg erzeugt auch Missgunst, Abneigung und regelrechten Hass: Bayern München ist auch der Verein, der am meisten polarisiert und jede Menge Gegenwind bekommt, überall in der Republik trifft man eingefleischte Bayern-Hasser.
Eine Parallele zu ziehen zwischen dem Fußballverein und dem ebenfalls in München beheimateten Motorradhersteller liegt ziemlich nah. Denn auch BMW schwimmt zurzeit auf einer Woge des Erfolgs. Produktion und Absatz stiegen deutlich, demzufolge erhöhte sich in einem sinkenden Gesamtmarkt der Anteil der Bayern am kleiner werdenden Kuchen deutlich. Das gilt für den heimischen Neumaschinenverkauf, aber auch weltweit. Im Klartext: Die Zahl der BMW-Freunde und -Liebhaber wächst. Woraus man schließen kann, dass die Strategen in der Konzernzentrale, Designer und Techniker in der Entwicklung und die Marke als Ganzes offensichtlich einiges richtig machen.
Ein Erfolg, der eigentlich den Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen müsste. Doch je dominanter BMW auf dem Markt auftritt, desto lauter werden die Gegner, zumindest hier in Deutschland. Das Sprichwort, dass der Prophet im eigenen Land nichts gilt, trifft wohl zu, erklärt dieses Phänomen aber nicht. Zum Teil liegt es sicher daran, dass wir Deutschen aufgrund der belasteten Vergangenheit mit der nationalen Identifikation ein Problem haben. Woanders sind erfolgreiche heimische Marken unantastbar. Italien zittert an den GP-Wochenenden mit Ducati, und in Ami-Land ist Harley-Davidson die Kultmarke, eben weil sie „Made in the USA“ verkörpert. Erklärte Harley- oder Ducati-Hasser - wenn es sie denn überhaupt gibt - haben in ihren Ländern einen schweren Stand.
Trotzdem muss Kritik erlaubt sein. Erfolg bedeutet ja schließlich nicht, dass jeder alles gut finden muss, was die Bayern machen. Auch MOTORRAD hat nie mit fundierter und sachlicher Kritik gespart, wenn es um Tests bayerischer Produkte ging. Wir berichteten zum Beispiel über eine Dauertest-K 1300 GT, deren Motor uns bei Tempo 250 um die Ohren flog. Oder wie Getriebe und Hinterradlagerung der 1200er-GS zerbröselten. Wir haben über Jahre unentwegt an diesen unsäglich fiependen Bremskraftverstärkern und der damit verbundenen digitalen Bremswirkung herumgenörgelt, bis uns BMW schließlich von diesem Ärgernis erlöst hat. Doch als seriöses Presseorgan muss MOTORRAD auf der objektiven, neutralen Ebene bleiben. Kritik am Design, am Sound, am Charakter oder am Markenimage dürfen Testergebnisse nicht beeinflussen - und tun es auch nicht.
Im Gegensatz dazu darf der Leser frei von der Leber weg und vollkommen emotional auf die Bayern eindreschen, siehe vorhergehende Story. Und von diesem Recht macht er auch ausgiebig Gebrauch. Die Gegner mokieren sich über BMW--Motorräder, über deren Fahrer und die Marke insgesamt. Doch bei aller Emotion stecken auch rationale Argumente und Gründe dahinter.
Design grauenhaft
Aussehen ist Geschmackssache, jede subjektive Meinung somit a priori nicht angreifbar. Auffällig ist, dass im Fall des BMW-Design-Bashings oft Beispiele aus vergangenen Tagen genannt werden. Früher waren BMW-Motorräder - ob bewusst oder nicht besser gekonnt - auf altbacken und bieder getrimmt, heute wollen sie modern und zukunftsweisend sein, was hier und da etwas verkrampft wirkt. Problematisch war die Übergangsphase zwischen Antike und Moderne, in der sich die BMW-Designabteilung so manche optische Katastrophe leistete. In den 1990ern versuchten die langsam aus dem Dornröschenschlaf erwachenden Bayern, Kunden mit gewagtem Styling und technischen Gimmicks zu ködern. Heute muss man ihnen mehr Stilsicherheit attestieren, wenn auch nicht jeder die unsymmetrischen Scheinwerfer, Entenschnäbel oder den massiven Plastikeinsatz goutiert. Doch es bleibt festzuhalten: Andere Hersteller orientieren sich an den bayerischen Produkten, manche kupfern gar stumpf ab.
Gebrechliche Technik
Die Ältesten erinnern sich: Früher, ganz früher genossen Boxer-Maschinen einmal einen Nimbus der Unzerstörbarkeit. Wer auf Fernreise ging, fuhr BMW. Die Motoren hielten länger als die der englischen oder italienischen Konkurrenz. Und wenn mal etwas kaputtging, dann ließ sich das überall auf der Welt mit Hausmitteln reparieren. Doch schon damals galt: Solide gebaut waren die Maschinen sicherlich, unkaputtbar keineswegs. Was sich schnell erwies, als die Japaner in den 1980ern mit wirklich zuverlässigen Maschinen die Messlatte auf ein völlig neues Niveau legten.
Heute ist BMW in puncto Qualität wohl nicht unterdurchschnittlich, aber eben auch nicht spitze. Dass einiges aus dem Leim geht, spiegeln nicht nur in den einschlägigen Foren verbreitete Erfahrungen, sondern auch die MOTORRAD-Dauertests wider. Ganz vorn im Ranking ist dort eine Harley-Davidson (!), die erste BMW liegt im Mittelfeld. Und eine K 1300 GT landet gar auf dem vorletzten Platz. Da gibt es wohl noch einiges zu tun.
Seltsames Fahrverhalten
Der Kardan-Schaukeleffekt, taumelnde Fahrwerke, miese Bremsen, so fuhr sich früher eine „Gummikuh“. Zeitweilig hinkten die Bayern dem aktuellen Stand der Technik meilenweit hinterher, sahen gegen die japanische Hightech-Konkurrenz ziemlich alt aus. Auch wenn es viele nicht wahrhaben wollen, heute hat sich das ins Gegenteil verkehrt. Nun kommen plötzlich entscheidende Innovationen aus München. BMW war Vorreiter bei ABS, Katalysator, elektronischen Fahrwerken, Assistenzsystemen et cetera. Testsiege bestätigen die gute Funktion der meisten Modelle, da hechelt die Konkurrenz aus Japan oder Europa hinterher. Ein gutes Beispiel ist die S 1000 RR, BMWs Erstlingswerk im Supersport-Bereich, das die Konkurrenz aus dem Stand pulverisierte und bis heute in ihrem Segment das Maß der Dinge darstellt.
Frei von Schwächen sind aber auch die aktuellen Maschinen nicht. Und weit muss man nicht zurückblicken, um Flops zu finden: etwa den unsäglichen Bremskraftverstärker, anfänglich klemmende Lager der Duolever-Vorderradaufhängung, nerviges Konstant-Fahrruckeln, die fragile Hinterachslagerung bei der 1200er-GS. Und lautes Krachen aus dem Antriebsstrang, jahrelang typisch für BMW, darf sich der Kunde noch beim aktuellen Sechszylinder anhören.
Miserabler Sound
Apropos Geräusche: Immer noch ist der Boxer-Sound typisch für BMW - und den mag bekanntlich nicht jeder. Zumindest muss man zugestehen, dass er einen speziellen Charakter hat. Ob eine Harley oder Ducati besser klingt, bleibt Geschmackssache - viele sehen es so. Doch mittlerweile kann BMW das ganze Klangspektrum bieten, da die motorische Bandbreite vom --Ein- über Zwei- und Vier- bis zum Sechszylinder reicht. Und ordentlich Radau machen sie alle, von vornehmer akustischer Zurückhaltung kann nicht einmal bei einem Tourer wie K 1600 GT die Rede sein.
Münchner Arroganz
Jetzt wird es schwierig, weil man die sachliche Ebene verlässt. Das Stichwort Arroganz hört man bei vielen „BMW-Hassern“ - siehe Leserbriefe - in Bezug auf den Hersteller, die Händler, aber auch BMW-Fahrer. Wenn ein Hersteller seine Maschinen neben Autos in sterilen Glaspalästen statt beim Krauter um die Ecke anbietet, vergrault er eine gewisse Klientel. Offensichtlich, und das mag erstaunen, ist das aktuelle BMW-Konzept jedoch erfolgreich. Einsteiger, die sich in sauber durchgestylten Ausstellungshallen wohlfühlen, sind natürlich anders gestrickt als viele Biker, die mit dem Thema Motorrad und dem Händler um die Ecke groß geworden sind. Wenn auf einem Alpenpass von Kopf bis Fuß in BMW-Uniformen eingekleidete Fahrer mit nagelneuen GS auf altgediente Biker im ölverschmierten Leder auf gut gebrauchtem Youngtimer-Material treffen, prallen Welten aufeinander. Da bestätigt sich manches Klischee, die Fronten verhärten sich.
Überteuerte Maschinen
Teuer waren die bayerischen Maschinen eigentlich immer. Auch heute liegt eine BMW preislich über der Konkurrenz. Aber nicht mehr weit, da vor allem die Japaner ihre Preise deutlich anheben mussten. Eine S 1000 RR etwa kostet rund 500 Euro mehr als eine aktuelle Kawasaki ZX-10R. Doch die Aufpreispolitik kann die Kos-ten kräftig in die Höhe treiben. 24 000 Euro für eine K 1600 GT in vollem Ornat sind sicher eine Menge Geld. Ärger bei denen, die sich das nicht leisten können und wollen, ist nachvollziehbar. Und Neid und Missgunst sind dann nicht mehr weit - auch wenn das natürlich niemand zugeben wird.