Indian Chief Engina von Louis
INTERMOT-Countdown Teil 7

Es war einmal ein Indianerhäuptling, der war groß, mächtig und stolz. Doch in seinem zweiten Leben verwandelte er sich in den schnellsten und stärksten Läufer seines Stammes. Drahtig und muskulös. Nur sein großes Herz, das hat er für immer behalten. Raus in die Prärie mit der Indian Chief „Engina“ vom Hamburger Zubehör-Spezialisten Detlev Louis. Hugh!

INTERMOT-Countdown Teil 7
Foto: Volker Rost

Bikers’ Classics im belgischen Spa-Francorchamps, das bedeutet allsommerlich ein Motorrad-Festival vom Feinsten. Fast alles dreht sich um Honda Bol d’Or, Yamaha TZ und Co. – beim freien Fahren und beim Vier-Stunden-Rennen für Klassiker aus den 70er- und 80er-Jahren. Hunderte zweirädrige Schätze aus halb Europa stampfen und röhren, röcheln und rumoren um die Wette. Auf und abseits der schönsten Rennstrecke der Welt noch auffallen? Doch, das geht: Als Louis-Pressemann Kay Blanke und Felix von Sparr von der Motorradwerkstatt Reitwagen Hamburg die Indian aus der Box ins Fahrerlager rollen, vergessen die Leute vor lauter Staunen ihre Fritten auf der Gabel.

Unsere Highlights

Der Häuptling von einem Motorrad, der Name Chief Vintage passt, ist pure Kunst in Metall, glänzt mit höchster handwerklicher Güte. „Engina“, der Name ist Programm: ein Motor-Rad. Im Herzen des Hurrikans sitzt ein riesiger Antrieb, mit zwei Zylindern, drei unten liegenden Nockenwellen und vier Stoßstangen. Das 1,8-Liter-Triebwerk ist Verbeugung vor der Vergangenheit. Mit charakteristisch geformten Köpfen imitiert der langhubige 49-Grad-V2 perfekt die Form seitengesteuerter historischer Indian-Motoren. Nur so schön und dominant hat man den Traum-V noch nie gesehen.

„Der schönste V2 der letzten 20 Jahre gehört ins Rampenlicht“, findet Kay Blanke. Er und die Louis-Schrauber-Crew sind (s)einer Vision gefolgt: einen schnittig-schlanken Pfeil auf Rädern zu bauen, einen Roadster reinsten Wassers. Was für eine Verwandlung! Auf dem Weg vom Cruiser zum Sprinter warfen die wackeren Louis-Leute zentnerweise Ballast über Bord. Fort mit Fransen, den charakteristisch geschwungenen Yin-und-Yang-Kotflügeln, den dicken Ledersätteln, allem Chrom-Zierrat bis hin zu den Knüppeln von Lenkerarmaturen, fetten Auspuffen, Scheibe, eigentlich von allem. Die Diätkur drückte das Gewicht von fetten 390 auf zarte 233 Kilogramm mit halb vollem Sieben-Liter-Winztank!

Weiter verwendet haben Kay und Konsorten im Grunde bloß den reinen Motor und die nun ewig lang wirkende Serien-Schwinge. Was für ein Aufwand! „Louis kann eben mehr als nur Jacken und Helme“, freut sich Kay Blanke. „Firmengründer Detlev Louis war ja Ingenieur und Rennfahrer.“ Motorrad-Kultur. Wo das technische Know-how herkommt? „Es erwuchs aus dem Team.“ Bis 1996 verkaufte der Hamburger Multi noch selber Motorräder. 1998 erhielt die Zentrale eine 300-Quadratmeter-Werkstatt. Hier entwickeln die Mannen um Mechaniker Detlef Stüdemann (seit über 40 Jahren dabei!) und Meister Martin Struckmann neue Produkte oder passen sie an, beurteilen zugekaufte Teile.

„Und ganz nebenbei tunt die Louis-Schrauber-Crew auch Motorräder“, stapelt Kay Blanke tief. Es begann 2010 mit einer cremigen Honda CB Seven-Fifty, ging 2014 weiter über eine extrem attraktiv umgebaute Honda Dominator und führte 2015 zur aufgemotzten Kawasaki ER-6n mit Lachgas-Einspritzung. „Der Durchbruch kam 2016“, sinniert Kay Blanke ,„Lemmy schlug heftig ein.“ Er meint die viel bestaunte Honda VFR 1200 F mit einzigartigen Detaillösungen, wie freiem Blick auf vier offene Ansaugtrichter des V4. Aus Motorrad-Metamorphosen am laufenden Band erwuchs Tradition, ein Team. Absolute Profis und Spezialisten machen die Louis-Maschinen zu radikalen Custombikes.

Das gleiche Team schuf 2017 die auf internationalen Custom-Shows hochdekorierte Engina. Kay entwickelte die erste Skizze des gestreckten Indian-Roadsters: Radstand: 1,73 Meter! Long and low. Tuning-Papst Ulf Penner fand im Serientrimm nur 72 PS am Hinterrad. Nicht genug: „Also berechnete Ulf neue Nockenwellen mit bösen Steuerzeiten.“ Ferner optimierte er die Strömung im einst T-förmigen Einlasstrakt, bearbeitete die Zylinderköpfe, erhöhte die Verdichtung. Das Tuning-Tool Dynojet Power-Vision CX liefert neue Kennfelder für die Zünd-/Einspritz-Elektronik. Muckis für den Häuptling! Begnadet: Der zierliche, von Sam Wassermann (UNO) geschweißte Rahmen aus Stahlrohr ist komplett maßgeschneidert. Der Mann versteht sein Handwerk.

Sam fertigt seit über 30 Jahren Rahmen für Rennmaschinen und KTM-Prototypen. „Sams Stahlkonstruktion ist leichter als der Alurahmen von Indian“, grinst Kay. An jedem Gewerk arbeiteten die Päpste ihrer Materie. Metallguru Michael Naumann dengelte der Chief ein individuelles Blechkleid für Lampenmaske, Tank und Heckbürzel aus gebürstetem Aluminium. Statt des überfetten Riemenantriebs zerrt jetzt eine filigrane Kette am Hinterrad. Für Haptiker sind die von Stefan Trautmann (STParts) kunstvoll geschweißten Krümmer eine Erfüllung. Feiner Airbrush-Federschmuck von Schrammwerk krönt die kühne Konstruktion.

Der Druck aufs Knöpfchen. Das Fahrerlager bebt. Der offene Shark-Auspuff bläst zum Sturm wie einst die Trompeten von Jericho. Hier werden die Flimmerhärchen nicht geföhnt, hier werden sie kräftig gebürstet. Trommelfelle sind kurz vorm Reißen. Die brüllende Norton Manx wirkt plötzlich leise. Soundcheck für Benzinköpfe. Dein Bauch kribbelt nicht bloß, deine Eingeweide tanzen. Devot bückst du dich zu edlen, tief angeklemmten Lenkerstummeln von Gilles Tooling. Den Hintern fläzt du auf dem spartanischen Sitzkissen, deine Füße parkst du einen Meter weiter hinten als auf der Serien-Indian: Feinste, verstellbare Gilles-Fußrasten sitzen auf völlig neuer Brems- und Schaltmimik.

Wassereimergroße Zylinder schnappen durch den offenen Trichter nach dem linken Knie. Kupplung kommen lassen. Das Ding macht mächtig vorwärts, von Anfang an. Heftig, dieser brachiale Schub! Und doch easy kontrollierbar. So wollte Sitting Bull immer sein. 125 PS fand Ulf Penner, die Drehzahlgrenze hob er von 5.200 auf 6.100 Touren an. Wenn das Wort Dampfhammer je stimmte, dann bei diesem fetten Drehmoment-V2 im leichten Chassis.

Mörderische Vibrationen lassen die Hände erst erzittern, dann ertauben. Wirst du damit je wieder onanieren können? Nun, du müsstest bloß die Hand in die Nähe der Hose halten. Läuft. Wir haben eh nur Zeit für einen orgiastischen Quickie auf hartem Polster. Sex auf Rädern, den du nie vergisst. Im Film „The world’s fastest Indian“ (deutscher Titel: „Mit Herz und Hand“) sinniert Anthony Hopkins in der Figur des legendären Burt Monroe: „Du erlebst mehr in fünf Minuten auf solch einer Maschine bei Vollgas als manche Menschen in ihrem ganzen Leben.“

Auszug aus dem FUEL-Fahrbericht

Bereits beim Schieben merkt man, wie handlich die Maschine ist, knapp über 200 Kilo Trockengewicht scheinen realistisch. Die Sitzbank ist spartanisch hart, die Sitzpositon angenehm sportlich. Die Lenkerstummel liegen gut in der Hand, die Fußrasten sind weit hinten und hoch montiert. Die werden bei Schräglagen kaum stören.

Volker Rost
FUEL-Macher Rolf Henniges ist die Louis-Indian gefahren. Hier lest ihr einen Auszug aus FUEL 1/2018.

Gleich auf den ersten Metern stellt sich ein gutes Gefühl zum Bike ein. Sam Wassermann hat einen tollen Rahmen gebaut, trotz des langen Radstands wirkt die Engina handlich. Auch das Fahrwerk überrascht: Hinten dämpft ein Wilbers-Federbein, vorn eine von Wilbers abgestimmte Gabel, die ehemals in einer BMW S 1000 RR steckte. Die Federung spricht sehr sauber an, dämpft satt und bietet enorme Reserven. Wer die Engina auf der Showbühne stehen sieht, zollt dem Umbau Respekt aufgrund der irrsinnigen Idee, die dahinter steckt.

Wer die Engina pilotiert, zollt vor allen den Machern dahinter Respekt, haben sie doch ein Pummelchen zum Athleten trainiert. Über allem schwebt die Macht dieses urgewaltigen, 1811 Kubik großen Vau-Motors mitsamt seiner immensen Schwungmasse. Herunterschalten von zwei Gängen vor Kurven quittiert die Maschine sofort mit einem rutschenden Hinterrad. Was auch nicht weiter verwundert, denn es lastet ja auch wenig Gewicht drauf. Auch die Bremsen funktionieren tadellos, sind perfekt dosierbar und verzögern super. Man ist versucht, gar nicht wieder abzusteigen, jeder Pulsschlag dieses Triebwerks macht süchtig.

AMD World Championship of Custom Bike Building

Beeindruckend, der Louis-Indian-Umbau. Aber wie wird er abschneiden im Konzert der Weltklasse-Bikes mit abgefahrenen Designs, die bei der AMD World Championship of Custom Bike Building während der INTERMOT 2018 an den Start gehen?

Koelnmesse GmbH
Anders als im Fußball: echte Weltmeister in Deutschland. Custombikes auf Weltklasseniveau treffen sich zur INTERMOT in Köln.

Das internationale Mega-Event der Custom-Branche zeigt in fünf Klassen (FreeStyle, Modified Harley-Davidson, Retro/Modified, Café Racer und Street Performance) herausragende Arbeiten internationaler Umbauer. Sie alle fighten in ihrer Kategorie um den Titel „Weltmeister“. Wer in Köln dabei ist, hat auf diversen Vorentscheiden bereits Konkurrenz hinter sich gelassen, darf sich zu Recht Hoffnung auf einen Podiumsplatz machen. Liebhaber von schönen Kurven und heißen Motoren sollten sich den 3. bis 7. Oktober 2018 vormerken: Custombikes auf Weltklasseniveau!

Sonderausstellung "Total abgefahren": Auf dem Messeboulevard im Gang zwischen den Messehallen 6 und 9 und am Stand von MOTORRAD in Halle 9, Stand A 41.

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023