Vier Millionen Motorradfahrer gibt es in Deutschland, und wenn die einen Blick werfen auf das vergangene Jahr, kommen garantiert vier Millionen unterschiedliche Ansichten raus. Weil das Motorrad, mehr als jedes andere Gefährt, Emotionen und Meinungen provoziert. Ist für den einen das Jubiläum 100 Jahre Tourist Trophy auf der Isle of Man das absolute Highlight des Jahres, geht einem anderen dieses Spektakel am Gore-Tex-umhüllten Allerwertesten vorbei. Da träumt einer von Ducatis 1098, die 2007 lange Zeit einfach nicht zu kriegen war ausverkauft! , bewundert sie wie eine Skulptur auf Rädern, während ein anderer Hondas CBF 1000 dafür lobt, dass sie das Motorradfahren auf ihre Art und Weise kultiviert: technisch perfekt, kommod und preisgünstig obendrein. Deshalb soll, deshalb kann die Auswahl, die von der Redaktion für ihren Schulterblick zurück aufs Jahr 2007 getroffen wurde, denn auch nur Anlass sein, selbst noch einmal die Gedanken schweifen zu lassen. Und sich dabei auf die neue Saison zu freuen.
Januar:
Na, wer sagt es denn?! Es gibt in Deutschland genügend Quertreiber. Mindestens zwei von ihnen haben Weltformat. Bernd Hiemer wurde 2006 Supermoto-S1-Weltmeister, Robert Barth holte sich den Titel auf der langen Sandbahn. Für MOTORRAD tauschten die beiden einzigen aktuellen Champions aus Deutschland für einen Tag die Arbeitsgeräte und zeigten auch auf ungewohntem Geläuf ihre Klasse. Barth tritt mit dem Titel ab, Hiemer wieder an, wird 2007 immerhin Vierter.
Das neue Jahr fängt gemeinhin mit einem Blick aufs alte an. Und da interessieren natürlich Zahlen, die Zulassungszahlen: abermals ein Minus 116331 Motorräder, 3,9 Prozent weniger als noch 2005. Am besten ging BMW 1200 GS (7150 Stück), gefolgt von Hondas CBF 1000 (4812) und CBF 600 (3846). Bei den Neuzulassungen ganz vorn dabei war früher immer eine Suzuki, die große Bandit. Doch die lief nicht mehr, weil 2007 eine Neue kommt. Bei MOTORRAD schneidet sie gut ab, bei den Käufern wird sie das auch. Mitunter nimmt man Rückgänge gern in Kauf, bei den Unfallzahlen zum Beispiel, minus 8,5 Prozent. Plus hingegen für KTM: Die Rallye Dakar mutiert zum Markencup.

Februar:
Und noch ein deutscher Weltmeister, der erste 2007: ChristIan Pfeiffer ist der beste Stuntfahrer. Im ersten Rennen der Superbike-WM landet Max Biaggi ganz oben und Max Neukirchner zweimal in den Top-Ten. Ein schickes Ergebnis. So wies Motorrad überhaupt schick wird, wenn es nach italienischen Designern ginge. Max allerdings fährt Suzuki, Christian BMW. Harley-Davidson macht derweil richtig Kohle, davon wollen die Arbeiter mehr haben, 2700 Beschäftigte treten in Streik.
Brad Pitt ist ein Freund der Marke. Mit der Wraith hat Confederate jetzt ein weiteres extremes Stück nachgelegt. Mit Rückgrat aus Karbon, einer Gabel, die irgendwie an Werners Satte-Liter-Schüssel erinnert. Wobei der JIMS-V2 fast zwei satte Liter hat. Das Ding soll in Kleinserie gehen und 55000 Dollar kosten. Wenns so weiter geht mit dem Wechselkurs fast ein Schnäppchen für Brad Pitt.
Saisonstart

März:
Eins bleibt wie im Vorjahr: Die neuen Supersportler brauchen alle Super. Aber sie haben mehr Leistung als je zuvor. 180 PS bringt die Suzuki GSX-R 1000, die den Vergleichstest in MOTORRAD 7/2007 knapp vor Yamaha R1 gewinnt. Schnellste Serienmaschine des Jahrgangs 2007 soll allerdings die MV Agusta F4R 312 sein, mindestens 180 PS stark und, daher die Modellbezeichnung, 312 km/h schnell sowie 21000 Euro teuer. Es geht auch billiger, dann aber ist viel Eigeninitiative gefragt. Was man für 999 Euro noch erwarten kann, hat MOTORRAD ab Ausgabe 8 gleich viermal ausprobiert und regelmäßig darüber berichtet. Als kleiner Kontrapunkt zum Leistungswettlauf der Hersteller.
Kaum hat MOTORRAD den großen Klapphelm-Test hinter sich gebracht, tut BMW fast alles, um weiter vom Klapphelm-Image loszukommen. Bei den 24 Stunden von Le Mans soll ein Sportboxer an den Start gehen, in Uelsen wird eine 450er-Sportenduro gesichtet, und dann übt man sich mit den Modellen der G-Reihe im "Funbike" getauften Segment. Allerdings stellt sich die Frage, ob der werten Kundschaft angesichts der saftigen Preise nicht gleich der Spaß vergeht. Die Leserschaft von MOTORRAD ignoriert die Image-Bemühungen von BMW, kürt bei der Wahl zum "Motorrad des Jahres" die klapphelmverdächtige K 1200 S zum besten Allrounder und den Vergleichstest-Verlierer Ducati 1098 zum Supersportler 2007. Als einziger japanischer Hersteller durfte Yamaha für die FJR 1300 einen Klassensieg einstreichen. Weil man es nun mal wirklich nicht allen recht machen kann, überlässt Buell die farbliche Gestaltung seines ganz in Weiß gehaltenen Sondermodells XB12STT gleich dem Kunden. Wobei: Weiß erweist sich als auf dem besten Weg zur Trendfarbe, was die Gestaltungsmöglichkeiten der Kundschaft wiederum einschränkt.

April:
Es geht nur darum, schnell zu sein auf der Rennstrecke. Um herauszufinden, welche Serienmaschine am besten die Kurve kratzt. Zum zehnten Mal fand die Veranstaltung "Masterbike" in Spanien statt. Überraschendes Ergebnis der Jubiläumshatz: Das schnellste Serienmotorrad ist das schnellste Serienmotorrad, nicht nur auf der Geraden MV Agusta F4R 312. Bester kleiner Supersportler: Triumph Daytona 675.
Über Deutschland scheint im April die Sonne, ungewöhnlich freundlich gibt sich das Wetter, und sogleich wittern Polizei und Politik den Skandal. Weil mehr Fahrer verunglücken. Aber es fahren ja auch mehr. Max Neukirchner zum Beispiel, der fällt nicht, sondern gewinnt auf Suzuki die 24 Stunden von le Mans. Auch Landrätin Dr. Gabriele Pauli fährt. Und zwar Ducati mit einem Auspuff, der da eigentlich nicht dran darf. Stoiber hätte sie aus dem Verkehr ziehen können. Eigentlich. Dicke Luft nicht nur in der CSU, ebenso in der Atmosphäre. Auch da liegt es nicht wirklich am Motorrad. Das bläst viel weniger CO2 raus als ein vergleichbares Auto.
Wonnemonat Mai

Mai:
Reifen zu testen ist ganz schön aufwendig, auf Teststrecken, trocken wie nass, und auf Vergleichsfahrten. Deshalb wenn man schon mal richtig lang unterwegs ist hat MOTORRAD en passant noch Klamotten und Zubehör gecheckt. Und den Lesern nicht nur die besten Reifenempfehlungen gegeben, sondern obendrein auch geraten, bei Kauf und Montage den freundlichen Motorradhändler um die Ecke nicht zu vergessen.
Als (Reifen-)Tester Werner Koch einen Nachmittag in der Nähe eines Motorradtreffs verbringt, traut er seinen Augen nicht: "Was fahren die denn für einen Stiefel zusammen!" Also setzt er sich vor seinen Computer, analysiert die gröbsten Fahrfehler und zeigt auf, wie die sich vermeiden lassen. Manchmal hilft ja schon allein die Technik weiter. Was ABS nützen kann, hat Kollege Stefan Kaschel so exakt recherchiert, dass er dafür ausgezeichnet wird. Mit dem Christophorus-Preis. Einen Preis, nicht den Abgang hätte eigentlich auch Federico Minoli verdient, der in seinen zehn Jahren als Chef von Ducati so einiges bewegt. Als Manager kam er, als Motorrad-Fan geht er.

Juni:
Nichts geht über die Hausstrecke. Weil es über keine andere Route mehr zu erzählen gibt, hinter jeder Kurve eine Erinnerung steckt. Nirgendwo tritt man souveräner auf, ist das Selbstbewusstsein größer. Deshalb behält so mancher seine Strecke für sich. Nicht so MOTORRAD, auch wenn die Entscheidung schwer fällt. Dass von nun an Redakteure ihre Lieblingsrouten vorstellen. Die Resonanz? Riesig!
Bei Supermotos fallen den Herstellern nur noch Superlative ein. Ducati kommt auf Hypermotard, BMW erfindet Megamoto. Doch den Vergleich der Spaßmobile gewinnt das am einfallslosesten Benamte: die KTM 950, gähn, Supermoto. In der Mittelklasse heißen Motorräder noch CBF, SV, ER oder allenfalls Bandit. Die 650er räumt dann auch als Testsieger ab. Trotz ihres Übergewichts. Sie wiegt fast genauso viel wie die 1250er. Einen echten Schwergewichtler hat BMW ebenfalls im Stall. Der nennt sich schlicht GS, hat so penetrant an Hubraum und Beliebtheit zugelegt, dass nunmehr das hunderttausendste Exemplar das Werk in Spandau verlässt.
Hauptsaison

Juli:
Radstand über zwei Meter, fast 2,7 Liter Hubraum aus zwei Evos von Harley-Davidson und 400 Kilogramm schwer. An dieser Maschine ist nur eine Sache knapp bemessen, der Tankinhalt, 14 Liter. Der Kölner Designer Cristoph Madaus hat im Februar 1995 die Idee, eine außergewöhnliche Maschine komplett selbst aufzubauen ohne Kompromisse, nur das Beste. Die Twin Trax beweist: Er hat es hingekriegt. 2007.
Nicht ganz so lange brauchte die B-King von der Studie zur Serie. Trotzdem eine fast unendliche Geschichte. Vergleichsweise flott strickte Jens vom Brauck eine Ducati Multistrada zum Scrambler um, ein Einzelstück, leider. Ebenfalls einmalig: In Saarbrücken dirigiert Donatas Katkus eine Motorradsinfonie. Nicht einmalig: Groß frisst Klein BMW kauft Husqvarna für 70 Millionen, heißt es. Nicht Millionen, aber 226944 Zuschauer pilgern zur WM am Sachsenring Rekord. Rekordverdächtig auch: der Aufwand fürs MOTORRRAD-Alpenmasters. Master wird BMW R 1200 R. Bei einer Gewichtsanalyse von Motorrädern analysierte MOTORRAD, warum manche schwerer, andere leichter werden. Am Geld liegts, nicht an strengeren Vorschriften.

August:
Am Ende steht das Ergebnis, aber das ist bei einem 24-Stundenrennen wohl nur für die Teams selbst das Entscheidende. Wichtiger: Durchhalten. Das gilt auch für die Zuschauer, die ihre Turns nicht auf, sondern an der Strecke absolvieren. Und einen ganzen Tag lang Tribüne, Partyzelt, Boxengasse, das kann schon schlauchen. Der besondere Reiz der 24 Stunden zeigt sich gerade in den Abend- und Nachtstunden. Wenn die Maschinen reduziert werden zu Lichtpunkten und Klangquellen, der Start bereits lang zurückliegt, das Ziel noch so fern ist.
Max Neukirchner geht in Oschersleben nicht ins Rennen. Er hatte sich schon in Le Mans hervorgetan, ebenso in der Superbike-WM. Suzuki versucht, die Erfolge umzumünzen mit der GSX-R 1000 Powermax, Erstzulassung auf? Klar, Max. Das Ding auf den deutschen Autobahnen auszufahren dürfte ein schwieriges Unterfangen werden, sind doch viele Abschnitte der rund 12500 Kilometer mittlerweile tempobeschränkt. Beschränkt auch Eva Hermann, die sich für die Autobahnen öffentlich bei den Nazis bedankt. Wo doch schon 1932 die erste eröffnet wurde. Panne, die Dame. Apropos Eva Hermann: Aus dem Verkehr gezogen haben die Ordnungskräfte am Sudelfeld und am Kesselberg reihenweise Motorräder. Das sei eine neue Gangart, mit Rasern umzugehen, hieß es seitens der bayerischen Polizei. Ein Raser ist man für die übrigens schon, wenn man ein Mal 40 oder zwei Mal 25 km/h zu schnell war.
Die Tage werden wieder kürzer

September:
Es gibt viele Orte auf der Welt, wo man schnell sein kann, aber keiner dieser Orte ist so mit der Geschwindigkeit verbunden wie Bonneville. Jedes Jahr treffen sich auf dem ausgetrocketen Salzsee in Utah/USA eine Menge Speedfreaks mit den wildesten Maschinen, um Höchstgeschwindigkeiten über die Meile und den Kilometer einzufahren.
In einem Bundesland, dessen Ministerpräsident so heißt wie ein Billigbier, Oettinger, darf seit dem 1. August 2007 in Kneipen nicht mehr geraucht werden. Weswegen das Rätschentreffen im Krumbachtal nahe Stuttgart dann auch im Freien stattfindet. Denn Nichtraucher und Zweitakt-Freund Werner "Mini" Koch, Initiator der Veranstaltung, lässt gern qualmen. Ordentlich rauchen lässt es auch der kleine Australier Casey Stoner. Ausgerechnet im japanischen Motegi holt er bereits im drittletzten Rennen, noch dazu in seiner ersten Moto-GP-Saison, den großen Titel für Ducati. Es ist nach nicht weniger als 33 Jahren der erste in der Königsklasse für einen italienischen Hersteller. Auf dem Eurospeedway Lausitz gastiert die Superbike-WM, Lokalmatador Neukirchner (76) legt sich im ersten Lauf ab und landet im zweiten da, wo er auch in der Gesamtwertung steht: auf Rang neun. Wichtiger noch als die gute Platzierung ist die Tatsache, dass Max bekanntgibt, in der Saison 2008 für das Alstare-Suzuki-Werksteam anzutreten.

Oktober:
Normalerweise schrammen hier die Meister der Herzen am Titel vorbei: auf Schalke. Zum Speedway Grand Prix Deutschland durften die Fans mal angstfrei in die Arena. Es kommen 30000 unters Stadiondach und sehen, wie Favorit Nicki Pederson mit mittelmäßiger Leistung den Titel holt. Über so was ärgert man sich im Revier schon lange das Bayern-Syndrom. Die müssen offenbar immer Erster werden, egal, was sie für einen Müll fabrizieren. So kürten die Leser von MOTORRAD den BMW C1 vor Ducati Multistrada zum Zweiradflop schlechthin. Mit schlechter Maschine konnte MotoGP-Pilot Alex Hofmann sein Abschneiden nicht immer entschuldigen. Und flog raus aus dem Pramac-Team. Raus fliegt auch das Brot, aus dem Racing-Toaster von KTM. Endlich mal eine richtig heiße Maschine der Österreicher. Als Brite kommt Toseland aus dem Toast-Land. Fährt aber Honda. Und wurde Superbike-Weltmeister.
Alle Jahre wieder, und zwar im Herbst, fahren sie aus, die Dauertestmotorräder der Redaktion. Diesmal gehts in die Dolomiten und, wieder mal, ins miese Wetter. Wo doch eigentlich alle Dauertester ins rechte Licht gesetzt werden sollen. Funktioniert dann doch, weil sich gerade unter schlechten Bedingungen die Vorzüge der Maschinen besonders deutlich zeigen. Der Roller bewährt sich als Tourer, Harleys Scheinwerfer dienen als leuchtendes Beispiel, und die Supersportler dürfen im Schneematsch langsam fahren.
Ausklang und Ende

November:
Normalerweise wird es langsam kühler, aber die Mailänder Motorradmesse beschert einen "heißen Herbst", findet Chefredakteur Michael Pfeiffer. Mag daran liegen, dass KTM nicht den Toaster, wohl aber die 1190 RC 8 präsentiert. Und die ist nur ein Beispiel für Neuheiten bis zum Abwinken.
Oft bekommt man um diesen Preis kaum ein ordentliches Fahrrad. MOTORRAD war das Wagnis eingegangen, für jeweils unter 1000 Euro vier Motorräder zu kaufen. Die Redaktion steckt eine Menge Geld und Arbeit in die alten Mühlen. Als sie endlich leidlich laufen, sollen sie weg. Und den meisten steckt eine Träne im Knopfloch. Denn die Öfen waren zwar alt, heruntergeritten, kapriziös und lahm, aber: so unterhaltsam, wie manche neue es nicht sind. So gesehen waren XT 600, FJ 1100, CX 500 und GS 500 E schon ein Gewinn. Finanziell wars ein Verlustgeschäft. Ins-gesamt 40 Knochen soll er sich bei seinen Stunts gebrochen haben Evel Knievel. Der legendäre Hasardeur stirbt am 30. November im Alter von 69 Jahren. Sechs Tage zuvor ist Gustav Reiner im Alter von nur 54 Jahren für immer gegangen. Wegen seines Fahrstils trug der dreimalige deutsche 500er-Meister den Spitznamen Kamikaze-Gustl.

Dezember:
Der Preis für ein Barrel Rohöl kratzt an der 100-Dollar-Marke. Für einen Liter Normalbenzin sind um die 1,40 Euro fällig, von denen sich der Staat 88 Cent abgreift, per Energie- und Mehrwertsteuer. Übers Jahr fließen so zirka 40 Milliarden Euro ins Staatssäckel. Anlass für MOTORRAD, den immer kostbarer werdenden Stoff einer eingehenden Analyse zu unterziehen. Eines der überraschenden Ergebnisse: Im günstigsten Fall werden gerade mal 25 Prozent des teuren Destillats zur Fortbewegung genutzt; wird der Motor ausgequetscht, sinkt die Energiebilanz auf kärgliche 15 Prozent ab, der Rest verpufft in der Atmosphäre.
Nein, nicht der hohen Spritkosten wegen schaut MOTORRAD sich die nähere Umgebung genauer an und gibt Tourentipps für Gebiete, die in Motorradfahrer-Kreisen nicht so populär sind, wie sie es verdient hätten. Wie etwa der Kraichgau. Damit man sich mitten im Winter schon auf die erste Ausfahrt freuen kann.