Menschen und ihre Motorräder

Menschen und ihre Motorräder Sitzbank statt Bürostuhl

Sitzbank statt Bürostuhl Bilski

Von wegen das Motorrad ist nur ein Freizeitmobil. Feldjäger, Polizisten, Stauberater und Rennfahrer sind regelmäßig bei Wind und Wetter auf dem Bike im Einsatz. MOTORRAD gibt Einblick in den Alltag auf zwei Rädern.

Feldjäger

Name: André Hänel
Alter: 28
Beruf: Eskortenspitzenfahrer
Einsatzgebiet: Berlin

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Feldjäger André Hänel trägt bei seiner Arbeit als Eskortenspitzenfahrer am liebsten Leder.

Wenn André Hänel und seine Kollegen auf ihren Motorrädern unterwegs sind, ziehen sie neugierige Blicke auf sich. Selbst in Berlin ist es noch immer ein Schauspiel, wenn die Feldjäger-Eskorte zum Einsatz ausrückt. Das tut sie, wenn ausländische Verteidigungsminister die Hauptstadt und ihren deutschen Amtskollegen Jung besuchen oder der NATO-Befehlshaber kommt. "Die Eskorte ist eine Ehrenbezeugung und zum Schutz des hohen Besuchs abgestellt", erklärt Hänel. Je nach Stellung des Gastes führen sieben, fünf oder drei Motorräder in V-Formation die Fahrzeugkolonne an. André Hänel kommt dabei eine besondere Rolle zu. Er fährt als Eskortenspitzenfahrer an erster Stelle, gibt Tempo und Richtung vor. "Wir fahren mit geringen Abständen zueinander, da muss man das Motorrad perfekt beherrschen", sagt der Berufssoldat, der wie seine Kollegen in speziellen Trainings geschult ist. Eine Herausforderung bleibt der Berliner Stadtverkehr dennoch.

"Als Eskorte sind wir ein geschlossener Verband, müssen aufpassen, dass wir zusammenbleiben, und immer mit der Unachtsamkeit anderer Verkehrsteilnehmer rechnen." 152 Einsätze absolvierten Hänel und seine 40 Kollegen vergangenes Jahr. Bis zu 13 Stunden sind sie unterwegs, legen aber gerade einmal 60 Kilometer zurück. "Oft sind lange Wartezeiten dabei", so der 28-Jährige. Seine Faszination für den Beruf leidet darunter nicht. Als er sich für zwölf Jahre bei der Bundeswehr verpflichtete, hatte er ein klares Ziel: Eskortenfahrer zu werden. Neben dem Berliner Stützpunkt gibt es bundesweit sieben weitere Feldjägerbataillone, die Eskorten unterhalten. Die größte ist in der Hauptstadt stationiert. Und Hänel führt sie an.

Polizist

Name: Roland Sauter
Alter: 52
Beruf: Polizist
Einsatzgebiet: Stuttgart

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Hauptkommisar Roland Sauter kennt unterwegs als Motorradpolizist keine Langeweile.

Roland Sauter hat Glück. Die Rolling Stones geben ein Konzert in der Stadt, das seit Wochen ausverkauft ist. Auch der 52-Jährige steht ohne Karte da, trotzdem bekommt er die Rock-Opas hautnah zu sehen. Auf seinem Motorrad sorgt der Hauptkommissar dafür, dass die Band pünktlich zu ihrem Auftritt kommt. "Das sind Highlights, die nicht oft passieren", gesteht Sauter zu. Doch auch der Alltag als Motorradpolizist ist alles andere als langweilig. "Ich weiß morgens nie, was mich am Tag erwartet. Das macht den Beruf so spannend." In der Regel steht für die 40 Beamten der Motorradstaffel Stuttgart, die auf zwei Schichten verteilt sind, erst einmal der Streifendienst und die Verkehrsüberwachung auf dem Programm.

"Wir wollen erreichen, dass der Verkehr fließt", erklärt Sauter, "jeder soll morgens pünktlich zur Arbeit kommen und abends nach Hause." Passiert in dieser Zeit ein Unfall, ist Sauter oder ein Kollege zur Stelle und kann zum Beispiel per Funk die Verkehrsleitzentrale bitten, die Grünphasen an den Ampeln der betroffenen Straßen zu verlängern. Weil sie auf zwei Rädern schneller vor Ort sind, gelten die Motorradpolizisten als Feuerwehr der Polizei. Ihre höhere Beweglichkeit wird nicht nur bei Einsätzen im Straßenverkehr genutzt. "Wir fahren auch in den Wald oder die Fußgängerzone, Stellen, die die Kollegen im Streifenwagen nicht erreichen, um nach Straftätern oder Vermissten zu suchen." Wenn neben dem Streifendienst Zeit bleibt, gehören auch Fahrzeugkontrollen zu den Aufgaben der Motorradpolizisten. Mehr als 12000 Kilometer reißt Roland Sauter im Jahr dienstlich ab und steigt nach 32 Jahren immer noch gerne aufs Motorrad.

Stauberater

Name: Martin Schiller
Alter: 53
Beruf: Stauberater (ehrenamtlich)
Einsatzgebiet: A6, A7, A8, A81

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Die Autobahnstrecken Württembergs sind Martin Schillers Einsatzgebiet als ADAC-Stauberater.

Martin Schiller ist die Ruhe in Person. Freundlich, ausgeglichen und sicher auch ein bisschen leidensfähig. Das muss er sein, wenn er sich freiwillig dorthin begibt, wo sich keiner gerne aufhält: im Stau. Seit 20 Jahren schon ist Martin Schiller Stauberater beim ADAC – einer von etwa 140 bundesweit – und ehrenamtlich auf den zirka 500 Autobahnkilometern Württembergs unterwegs. Während der Saison, von Pfingsten bis Anfang September, sind die Teilstücke der A 6, A 7, A 8 und A 81 an zehn Wochenenden sein Zuhause. "Ich fahre sehr gerne Motorrad, und wenn ich das noch mit etwas Sinnvollem verbinden kann, umso besser", beschreibt der 53-Jährige seine Mo­tivation. Ein Einsatz beginnt für ihn und seine Kollege meist auf einer Autobahnbrücke oder Raststätte. Von dort aus beobachten sie den Verkehr, hängen gleichzeitig mit einem Ohr am Radio ihrer BMWs und lauschen mit dem anderen Trixie.

"Trixie nennen wir unser Staumeldesystem", erklärt Schiller, "über das wir alle aktuellen Verkehrsmeldungen und Staulängen empfangen." Lange muss er nicht warten, bis die Reisewelle irgendwo stockt. Dann macht sich Martin Schiller auf den Weg und schlängelt mit seinem Motorrad durch den Stau, um einen Überblick zu bekommen. Für seinen Ein­satz hat er eine Sondergenehmigung, die ihm erlaubt, ansonsten verbotene Ausfahrten sowie den Standstreifen zu nutzen. In Absprache mit der Polizei beginnt er nach seiner Bestandsaufnahme mit der eigentlichen Arbeit, verteilt Getränke und Müsliriegel. "Dabei erkläre ich den Autofahrern, was passiert ist, wie lange es noch dauert und beruhige die Gemüter." Wenn es gar nicht anders geht, leitet der Stauberater den Verkehr von der Autobahn ab. Hauptsache, es geht wieder vorwärts.

Rennfahrer

Name: Sandro Cortese
Alter: 18
Beruf: Rennfahrer
Einsatzgebiet: 125er-Weltmeisterschaft

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So sieht Sandro Cortese Arbeitsplatz aus. Der Rennfahrer gibt in der 125er-Weltmeisterschaft ordentlich Gas.

"Mein ganzes Leben besteht aus Motorrad fahren. Für mich ist das eine Berufung", sagt Sandro Cortese. Sein Vater lebte ihm den Motorradsport als Hobby vor, und so stand sein Berufswunsch schon immer fest. Die ersten Vorbereitungen sozusagen begannen bereits mit vier, da fuhr Sandro Motocross auf einer Yamaha PW 50 in der Kiesgrube in Edenbachen. Fünf Jahre später stieg er in die Pocket-Bike-Nachwuchsklasse ein. Danach folgten zwei Jahre Internationale Deutsche Motorradmeisterschaft – das Sprungbrett für Sandro Cortese. Ein Sponsor entdeckte ihn und verhalf ihm in die 125er-Weltmeisterschaft. Dort verdient er seit 2005 seinen Lebensunterhalt als Rennfahrer. Erst recht, nachdem er 2006 die Realschule beendet hat. Nun kann er sich ganz auf seine Karriere konzentrieren. Täglich joggt er dafür eine Stunde und schuftet im Fitnessstudio.

"Kondition ist wichtig, um ein Rennen konzentriert fahren zu können", weiß Sandro Cortese. Nicht immer klappt das reibungslos. Zumindest damals nicht, in Qatar, beim ersten WM-Lauf 2008, als er stürzte und sich die Hand brach. Doch auch das gehört zum Beruf eines Motorradrennfahrers. Er ließ sich eine Spritze geben, fuhr weiter und holte den 11. Platz. Anfang September geht er für acht Wochen auf Tour. Die Rennen in den USA, in Japan, Australien und Malaysia stehen an. "Das viele Reisen und das Flair an den Strecken genieße ich sehr", sagt Sandro Cortese, "und die Geschwindigkeit." Seine Aprilia holt aus 125 cm³ 50 PS bei nur 70 Kilo Fahrzeuggewicht. Topspeed: 240 km/h. Beste Voraussetzungen, damit er sein Erfolgsrezept umsetzen kann: "Man muss von der ersten Minute an Gas geben."

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