Davon hat Joel Smets im vergangenen Jahr geträumt: ein Motorrad zu fahren, das keine Zicken macht, ihn problemlos von Laufsieg zu Laufsieg und schließlich zum WM-Titel trägt.
Die Husaberg, mit der der Belgier 1999 in der 500er-WM crosste, war weit von dieser Idealvorstellung entfernt. Kraft hatte der 595 cm3 große Viertakt-Single zwar reichlich, doch oft ging ihm vorzeitig die Puste aus. Probleme mit der digitalen Zündung kosteten Smets viel Nerven und viele WM-Punkte, und er hätte seine Maschine manchmal am liebsten in einem Acker versenkt. Nach sieben Jahren mit immerhin drei WM-Titeln endete die Zusammenarbeit mit Husaberg im tiefen Frust.
Und die Werks-KTM, die Joel Smets im letzten Oktober zum ersten Mal testete, war auch nicht die Liebe auf den ersten Blick. »Die Husaberg hatte mehr Kraft von unten heraus, die KTM musst du dagegen etwas höher drehen. An den Charakter des neuen Motors und das Handling der Maschine musste ich mich erst langsam gewöhnen«, erinnert sich der rotblonde Flame an die Umstellung auf den Alpen-Crosser.
Inzwischen ist die Werks-KTM für den ehemaligen Champion aber zum ersehnten Traumschiff geworden. Siege produziert er damit in der aktuellen WM-Runde wie am Fließband, und wenn nichts Gravierendes etwa eine schwere Verletzung dazwischen kommt, heißen die 500er-Motocross-Weltmeister 2000 Joel Smets und KTM.
Was sich schon in der letzten Saison abzeichnete, als KTM mit dem brandneuen 520er-Viertakt-Single erstmals in der WM auftauchte, kann Joel Smets heute voll und ganz bestätigen. Im Wettstreit der verschiedenen Motorenkonzepte haben sich die Österreicher für die goldene Mitte entschieden zwischen der leichten und handlichen, aber sehr hoch drehenden Werks-Yamaha mit mittlerweile 437 cm3 Hubraum und den großvolumigen, schwerfälligeren Werksrennern von Husqvarna oder Husaberg, deren enorme Kraft aus knapp 600 cm3 viel schwieriger zu kontrollieren ist. War Joel Smets bis zu seinem Wechsel zu KTM noch ein Freund der großkalibrigen Ballermänner, sieht er nun einen gegenläufigen Trend: »Ich denke, wir werden in Zukunft zu Gunsten der Fahrbarkeit und des Handlings eher weniger Hubraum haben als mehr.«
Beim aktuellen Werksmotor von Smets und dessen Teamkollegen Peter Johansson hat KTM allerdings nochmal ein paar Kubikzentimeter draufgepackt. Zwei Millimeter mehr Bohrung als in der Serie lassen den Eintopf auf 532 cm3 wachsen. Dazu kommen Feinarbeiten an Zylinderkopf und Vergaser sowie eine Titan-Auspuffanlage, was die Leistung um etwa fünf auf 60 PS erhöht. Die Charakteristik des Motors wird ganz wesentlich durch die Nockenwelle beeinflusst. Für viel Kraft im Drehzahlkeller sorgt das Serienteil. Wenn zum Beispiel auf harten Strecken ein weicher Leistungseinsatz gefragt ist, kommt eine Nockenwelle mit zahmeren Steuerzeiten zum Einsatz.
Vierganggetriebe und Kupplung der Werksmaschine sind Standard. Im Gegensatz zu Straßenrennern können die Getriebeabstufungen bei Crossmaschinen nicht variiert werden. Sollte die Übersetzung auf einer Strecke mal gar nicht passen, werden Antriebsritzel und Kettenrad getauscht. 14 Zähne vorne und 46 oder 47 hinten das ist die gängige Sekundärübersetzung der Smets-KTM.
Viel zwingender beim ständigen Auf und Ab im harten Cross-Gelände sind vielfache Verstellmöglichkeiten am Fahrwerk. Joel Smets verwendet speziell auf ihn abgestimmte White-Power-Produkte. Als Spezialist in Sachen Federung steht ihm ein sehr erfahrener und kompetenter Mann aus Finnland zur Seite: Ari Skog hat in den 80er Jahren schon für die legendären Honda-Stars André Malherbe, Dave Thorpe und Eric Geboers gearbeitet.
Die Federbasiseinstellung von Gabel und Federbein wird bei den Winter- und Frühjahrstests erledigt. An der Rennstrecke erfolgt dann das Feintuning. Am hinteren Federbein kann die Druckstufendämpfung im High- und Lowspeed-Bereich 33fach verstellt werden, gar 57 Abstufungen, sogenannte Klicks, gibt es für die Zugstufe. Die Upside-down-Gabel bietet für Druck- und Zugstufe jeweils 27 verschiedene Einstellungen. Aus all den Möglichkeiten gilt es, einen gelungenen Kompromiss zu finden: Die Federung soll auf der einen Seite gut ansprechen, andererseits aber auch möglichst nicht durchschlagen, wenn die Maschine nach einem hohen Sprung zur harten Landung ansetzt.
Bei der Smets-KTM müssen Gabel und Federbein etwas weniger Gewicht abfangen als bei der Serienmaschine. Mit Schrauben und Muttern aus Titan sowie der Titan-Auspuffanlage wurden rund zwei Kilogramm eingespart. Ohne Sprit und ohne die Bip-Mousse-Schaumstoffschläuche, die das KTM-Team als Schutzmaßnahme gegen platte Reifen auf die Felgen spannt, bringt der Werksrenner 106 Kilogramm auf die Waage das sind noch vier über dem derzeit gültigen Mindestgewicht in der 500er-WM, das allerdings kein Konkurrent erreicht.
Während in anderen Disziplinen die Technik mitunter einiges überspielen kann, nutzt sie dem Crosser herzlich wenig, wenn er gegen Ende der 40-Minuten-Distanz Schwächen zeigt, lange Arme und weiche Knie bekommt. »80 Prozent des Erfolgs hängen in unserem Sport von der körperlichen Fitness und der mentalen Stärke des Fahrers ab«, weiß Joel Smets. »Der Rest verteilt sich gleichmäßig auf Motor und Fahrwerk sowie das Team.«
Beim WM-Leader aus Belgien passt in diesem Jahr einfach alles zusammen wahrlich ein Traum.
Technische Daten
FahrwerkEinschleifen-Rohrrahmen mit geteilten Unterzügen, Upside-down-Gabel, Gleitrohrdurchmesser 48 mm, 300 mm Federweg, Zweiarmschwinge aus Aluprofilen, Zentralfederbein, direkt angelenkt, 330 mm Federweg, Scheibenbremse vorn, 260 mm, Scheibenbremse hinten, 240 mm, Reifen 80/100-21 vorn, 110/90-19 hinten.MotorWassergekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, eine Ausgleichswelle, eine obenliegende, kettengetriebene Nockenwelle, vier Ventile, Nasssumpfschmierung, 2 Ölpumpen, Ölinhalt 1,2 Liter, Bohrung x Hub 97 x 72 mm, Hubraum 532 cm3, 60 PS bei 7500/min, Primärantrieb über Zahnräder, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Vierganggetriebe.SonstigesTrockengewicht 106 kg. Um Gewicht zu sparen, ist die Werksmaschine mit Titanschrauben und einem Titanauspuff ausgestattet. Für jeden Fahrer stehen 6 Motoren zur Verfügung.
Reglement
Drei Soloklassen sind in der Motocross-WM ausgeschrieben: bis 125, 250 und 500 cm3 Hubraum. In der letztgenannten Kategorie spielen die Halbliter-Zweitaktmaschinen heute aber nur noch die zweite Geige, den Ton geben die mit maximal 650 cm3 zugelassenen Viertakter an. In allen Klassen werden Einzylindermotoren gefahren. Die Mindestgewichte lauten wie folgt: 88 kg (125 cm3), 98 kg (250 cm3) und 102 kg (500 cm3). Der Werkstoff Titan darf zur Gewichtsreduzierung nur für Schrauben und Muttern sowie die Auspuffanlage verwendet werden. Für Rahmen, Gabel, Lenker, Schwinge, Schwingenachsen und Radachsen ist Titan verboten. Das Geräuschlimit im Motocross beträgt maximal 98 dB (A). Folgende WM-Läufe stehen in der Saison 2000 in Deutschland noch auf dem Programm: 27. August Teutschenthal (250 cm3) und 3. September Gaildorf (WM-Finale 125 cm3). Ab 2001 wird die WM auf Dreifach-Grand Prix reduziert. Bisher gabs zwei einzeln gepunktete Rennen pro Event über jeweils 40 Minuten plus zwei Runden, künftig dürfen die 125er-, 250er- und 500er-Piloten nur noch einen Lauf in ihrer Klasse bestreiten.