Lange Zeit war es ruhig um das MotoGP-Projekt von MZ. Doch bei der Leipziger Motorrad-Messe Anfang Februar ging das sächsische Werk in die Offensive. Dort wurde eine Studie der V4-Maschine präsentiert, mit der MZ ab Mitte der Saison 2002 in der neuen Viertakt-WM mitmischen will. Und die beiden Fahrer standen ebenfalls am Messestand parat: Der deutsche GP-Star Ralf Waldmann wird nach zwei Jahren Pause überraschend in die WM zurückkehren und zusammen mit dem Spanier Jose Luis Cardoso das MZ-Werksteam bilden. Beide Piloten wurden zunächst mit Einjahres-Verträgen ausgestattet.
In Leipzig stellte die Zschopauer Firma ein 1:1-Windkanalmodell des MotoGP-Renners vor. Das Fahrwerk mit Gitterrohrrahmen hat der MZ-Techniker Johannes Kehrer konstruiert. Vom Motor gab es allerdings nur eine Attrappe und diverse CAD-Zeichnungen zu sehen. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Zulieferern aus der Formel 1 entwickelt MZ einen 90-Grad-V4 mit folgenden Eckdaten: 990 cm3, je zwei obenliegende Nockenwellen, pneumatische Ventilsteuerung und Einspritzanlage. Der Motor soll über 220 PS bei 17 200/min leisten, das maximale Drehmoment wird mit 122 Nm bei 9800/min angegeben.
Das Budget für die erste Saison und die folgenden Jahre soll jeweils knapp zehn Millionen Euro betragen. Welche Sponsoren an Bord kommen, gab Firmenchef Petr-Karel Korous in Leipzig noch nicht bekannt. Eine klare Ansage machte er aber bezüglich des Zeitplans beim Grand-Prix-Comeback: »Assen ist ein Muss.« Ende Juni und damit drei Wochen vor dem Heimspiel am Sachsenring sollen Waldmann und Cardoso also ihre Rennpremiere mit der MotoGP-MZ feiern. Mit Erfolgsprognosen halten sich sowohl die Fahrer als auch Teamchef Jürgen Zürn zurück. Verständlich: Bis jetzt ist die MZ noch keinen Meter auf der Rennstrecke gelaufen. Das erste Roll-out soll im Mai stattfinden.
Ebenfalls mit einem 90-Grad-V4-Motor steigt Ducati 2003 in die MotoGP-WM ein. Das Bologneser Werk hätte gern die erfolgreiche V2-Tradition fortgesetzt, doch Chefingenieur Claudio Domenicali musste erkennen, dass dieses Konzept selbst mit Ovalkolben in dieser Klasse auf Dauer nicht konkurrenzfähig sein wird.
Den Geist des V2 will Ducati aber auch dem über 220 PS starken Vierzylinder einhauchen. So wird der V4 nach Art des Hauses von einer Desmodromik gesteuert, die Drehzahlen bis 18 000/min erlaubt. Die Nockenwellen werden allerdings nicht mehr von Zahnriemen, sondern von Zahnrädern angetrieben. Da die beiden Kolben pro Zylinderbank jeweils parallel arbeiten und gleichzeitig zünden, klingt und funktioniert der Vierzylinder praktisch wie ein doppelter V2. Mit diesem Kniff will Ducati den Sound des V2 und den Vorteil des Big-Bang-Konzepts, die reifenschonende Leistungsabgabe, auf den 989 cm3 großen V4 übertragen. Bei Bedarf kann der Motor problemlos auf eine konventionelle Zündfolge umgerüstet werden.
Einen technischen Überraschungscoup landete auch Kawasaki. Hatte es zunächst geheißen, Kawasaki und Suzuki machten bei der Entwicklung einer GP-Maschine gemeinsame Sache, tauchte Kawasaki-Star Akira Yanagawa bei Tests in Malaysia Anfang Februar plötzlich mit einem eigenen Prototyp auf, der gegen Saisonende erstmals in der WM zum Einsatz kommen soll.
Kawasaki setzt in der neuen Königsklasse die Tradition der legendären Reihenvierzylinder fort. »Unser Motor hat Kraft im Überfluss. Vor allem im fünften und sechsten Gang, wo dem Superbike allmählich die Puste ausgeht, schiebt die Maschine noch hemmungslos nach vorn«, staunte Yanagawa. Über 165 Kilogramm Gewicht und ein immenser Reifenverbrauch sind derzeit das größte Handicap. Trotzdem erreichte der Japaner in Sepang eine Bestzeit von 2.06,5 Minuten Kenny Roberts (2.06,00) war mit der Viertakt-Suzuki nur ein Quäntchen schneller unterwegs.
Basiert die Kawasaki auf dem Superbike, so hielt bei der Suzuki XREO das Chassis der Halbliter-RGV 500 her, um einen auf die Dimensionen des Zweitakters getrimmten V4-Viertakter aufzunehmen. Anders als die mit Vergasern bestückte Kawasaki verfügt die Einspritz-Suzuki über ein aufwendiges elektronisches Motormanagement, das laut Roberts atemberaubende Möglichkeiten offeriert. »Noch haben wir nicht die volle Power, weil bei 13 700/min ein Drehzahlbegrenzer einsetzt. Doch ich kann jetzt schon sagen: Die Maschine macht Spaß, weil ich endlich im Drift aus der Kurve beschleunigen kann so, wie es sich für ein Rennmotorrad gehört.«
Katja out
Während Valentino Rossi seinen Vertrag mit Honda nach zähen Verhandlungen endlich unterschrieben hat, wird Katja Poensgen bei den Grand Prix 2002 fehlen. Anfang des Jahres hatte sich herausgestellt, dass das Shell-Advance-Honda-Team nicht in der Lage ist, den mit Katja Poensgen auf zwei Jahre geschlossenen Kontrakt einzuhalten. Daraufhin ist es der Grand-Prix-Lady nicht gelungen, sich kurz vor Beginn der Saison in einen neuen Rennstall für die 250er-WM einzukaufen. Dazu hätte sie rund 400 000 Euro benötigt. »Doch diese Summe war auf die Schnelle nicht aufzutreiben, da die möglichen Sponsoren ihre Budgets für 2002 längst vergeben haben«, musste die Rennfahrerin aus Heppenheim erkennen. Nun startet sie mit einem eigenen Team auf Suzuki in der Superstock-IDM, will aber in die WM zurückkehren, sobald sich eine neue Chance bietet.