18 Motorräder, sieben Nationen, vier Tage. 179 Liter Regen pro Quadratmeter. Das beste Offroadbike des Jahrgangs 2002 zu küren entpuppte sich als Abenteuer sondergleichen.
18 Motorräder, sieben Nationen, vier Tage. 179 Liter Regen pro Quadratmeter. Das beste Offroadbike des Jahrgangs 2002 zu küren entpuppte sich als Abenteuer sondergleichen.
Er ist wie ein großer Junge, der nie erwachsen werden will. Lausbübisches Schelmgesicht, immer ein Lachen auf den Lippen, das Leben ist sein Freund. Bert von Zitzewitz, 43, Motorradhändler und Besitzer einer Enduro- und Motocross-Schule in Norddeutschland, hat in seiner Motorradkarriere Siege und Titel gesammelt wie manch anderer Briefmarken. Vizeweltmeister, zehnfacher deutscher Meister, zehn Goldmedaillen bei den Sixdays, eine silberne. Als MOTORRAD ihn bat, als deutscher Vertreter am Offroad-Master teilzunehmen, sagte er spontan zu. Na klar. Spanien, Sonne, ein paar Mal im Kreis fahren, abschließend die Bikes beurteilen. Was kann einem im tristen November besseres passieren?
Die Idee, das beste Bike des Jahrgangs zu küren, ist nicht neu. Einmal jährlich richtet Motociclismo, die spanische Schwesternzeitschrift von MOTORRAD, einen ähnlichen Event für Sportmotorräder aus. Nach einem ähnlichen Prinzip sollte nun erstmals den Wettkampfenduros afu den Zahn gefühlt werden. Dazu wird die viertägige Offroadschlacht gesplittet. Zwei Tage wird auf einem Motocross-, zwei Tage auf einem Endurokurs um die Zeiten gekämpft. Alles, was Rang und Namen in der Endurowelt hat, ist angetreten. Nur Husqvarna lässt sich entschuldigen. Die Zulieferer, Benzinallergie, Amore und überhaupt.
Mittwoch, 14. November 2001, 8.19 Uhr. WM-Motocross-Track in Bellpuig, 76 Kilometer südwestlich von Barcelona. Sonnenschein, drei Grad plus. Ausgefahrene Spurrillen, ein Waschbrett, viele Tables und zwei Sprünge um die 30 Meter weit laden zu fröhlicher Testrunde ein. Gefühlte minus fünf Grad. Bert rümpft die Augenbrauen, rückt Erwartung und Realität ins rechte Licht. Das Fahrerlager ordnet sich, die Maschinen bekommen ihre letzte Maniküre verabreicht. Zwischen den hochbeinigen Gehölzrodeln wirkt die Kawasaki KDX 220 wie ein Dackel im Windhundzwinger.
12.11 Uhr. Die erste Klasse, 125er-Zweitakter und 250er-Viertakter steht am Vorstart. Bert tastet sich Runde um Runde näher an sein persönliches Limit, lernt die Strecke immer besser kennen. Während die Piloten die schwere Crosspiste mit den Enduros umkreisen, schleicht sich Wetterumschwung heran. Um 14.52 Uhr zeigt das Thermometer plus zehn Grad, leicht bedeckt. Die zweite Klasse, 250er-Zweitakt und 400er-Viertakt brummt im Vorstart. Der Fahrerwechsel verläuft fliegend, alles andere nach Plan. Nur die TM 400 springt nicht an. Selbst Ankickversucher ihrer umsorgten Mechaniker lassen sie kalt. Der Portugiese David Seguro, einziger Nicht-Profi, glänzt mit unfreiwilligen, aber gestandenen Stunts. Seine Finger ziert schon am ersten Tag eine muntere Blasenansammlung, die Motorräder schleifen ihn um den Kurs. Bert und seine WM-erfahrenen Kollegen dagegen wringen den Gasgriff bis spät in die Abendstunden aus, als ginge es um die WM-Krone.
Donnerstag, 15. November 2001, 7.58 Uhr. Leichter Nieselregen, die Wolken reichen fast bis auf den Boden. Die Pyrenäen vermelden Schneefall bis in tiefe Lagen. Überbleibsel des Jahrhundertsturms, der gerade über Barcelona und Mallorca hinweggefegt ist. Wie gut, dass die Organisatoren die Motocrosspiste über Nacht noch gewässert haben – der Kurs ist schmierig, extrem glatt. Skandinavische Verhältnisse. Idealbedingungen für den Finnen Vesa Kytonen. Er legt einen Tango mit den dicken Viertaktern aufs Parket, fast so, als wäre es trocken. Auch Bert ist in seinem Element und mit der KTM EXC 520, seinem Lieblingsbike, besonders zufrieden, trotz Nieselregen. Es könnte schließlich schlimmer kommen.
Kommt es auch. Um 10.23 Uhr wird aus dem Niesel- ein Dauerregen. Vermischt mit Hagel und leichtem Schnee. Der lehmige, aufgewühlte Boden mutiert zu einer Art flüssigem Zement. Bert und seine Kollegen jonglieren die dicken Pflüge um den Kurs, fräsen sich die Steilauffahrten hoch, verschleudern den feuchten Boden, als müsse er bestraft werden. Um 12:30 Uhr bricht Organisator Pepe, Motociclismo Spanien, ein legerer Typ mit einer Wachsjacke, die so ausschaut, als hätte sie alle Sixday-Veranstaltungen miterlebt, die Testfahrten wegen extrem starken Dauerregen ab. Gruppenfotos? »Auf der Endurostrecke«, sagt Pepe, »morgen wird es schön.« Aus dem Zelt des Leistungsprüfstands heulen die Motoren wie verletzte Wölfe, der Tross packt langsam ein. Bereit zum Wechsel auf die Endurostrecke bei Bassella.
Freitag, 16. November 2001, 7.48 Uhr. Bassella, 72 Kilometer südlich von Andorra. Der knapp sechs Kilometer lange Rundkurs ist reines Cross-Country-Gelände. War 1991 die Spezialprüfung im spanischen Enduro-WM-Lauf. 100 Prozent offroad. Ohne große Sprünge, aber mit allem gespickt, was das Enduroherz begehrt. Tiefe Spurrillen, steile Auf- und Abfahrten, Wasserdurchfahrten, enge Waldpfade, Baumwurzeln, Steine, Geröll, Sand, Kies, Mutterboden. Halleluja. Ab 8.31 Uhr beginnt der Regen mit seinem Bombardement. Sowohl die KTM- als auch die Gas Gas-Mannschaft ist mit einem riesigen 40-Tonner angereist, jongliert die Sattelschlepper über den rutschigen Boden und absolviert dabei einen Grundkurs im Festfahren. Fotosession? Morgen vielleicht. Das Wetter wird garantiert besser. Sagen die Wetterberichte. Sagt Pepe.
Vereinzelte Lichtblicke am Horizont stimmen alle hoffnungsvoll. Bei Gas Gas läuft eine italienische Espressomaschine auf Hochtouren, KTM verteilt Red Bull, Castrol Regenponchos und Tiefdruckgebiet Luis weiterhin seine Ladung. Entwässerungsgräben werden um die Fahrzeuge gezogen, Vesa Kytonen steht wie ein Fels in der Brandung. Für finnische Verhältnisse ist dies hier ein ganz normaler Sommertag. So what? 11.06 Uhr. Die Einführungsrunde für die Fahrer beginnt. Bert erwischt die Husaberg 650. Eine Mischung aus Traktor und Harley-Davidson. Einige Runden müssen den Profis genügen, um den verwinkelten Kurs kennen zu lernen. Dann heißt es Angasen.
11.21 Uhr. Die zweite Klasse startet, das Wetter täuscht Besserung vor, holt kurz Atem, um ab 12.26 Uhr mit unvermittelter Härte in einen Dauerregen zu starten. Die Strecke beginnt sich auszuwaschen. Zeiten sind nicht mehr vergleichbar, der Unmut der Fahrer wächst. 13.45 Uhr. Spurrillen sind unter einem Wasserteppich verschwunden, die Auffahrten schlüpfrig, das Fahren erfordert äußerste Konzentration. Irgendwo im Wald steht der Portugiese mit der TM 400. Das alte Leiden. Der italienische TM-Mechaniker schnappt sich eine 300er-Gas Gas, um sein Baby zu suchen und zum Starten zu überreden. Egal, der Husaberg-Mechaniker trägt auch einen KTM-Poncho.
14.09 Uhr. Es gießt aus vollen Rohren. Vesa Kytonen zeigt sich gänzlich unbeeindruckt, brennt Zeiten auf den glibberigen Schlick, als wäre es staubtrocken. Bert hilft dem 29-jährigen Schweden Mattias Nilsson beim Ankicken seiner Husaberg auf der Strecke, überholt Serge Nuques, 30, den Gewinner der Offroad-Challenge 1999, unbedarft. Macht sogar Runde um Runde Sekunden gegenüber Nilsson gut. Der schwedische Supercrossmeister lebt schon seit acht Jahren in Spanien und stanzt die Rundenzeiten für Motociclismo aufs Papier. Ab 14.37 Uhr ist Pause angesagt. Beiläufig nennt Bert den beiden sein Alter: 43.
In einer Halle der SIP, einem Geländeautomobil-Club, werden Salate und Sandwiches gereicht. Ab 15.07 Uhr erfolgt der Start zum letzten Durchgang. Die 125er sollen gemischt mit den dicken Pötten die Piste kreuzen. Blitze zucken, die Schleusen öffnen sich vollens, nach vier Runden geht gar nichts mehr. Das Wasser steht mittlerweile an einigen Stellen hüfthoch. Im Wald regiert Nebel mit hinterhältiger Härte, der Boden ist schlüpfriger als die Nächte auf dem Kiez. Bert gibt 70 Prozent, fährt supersicher. Der Portugiese kommt nach jeder Runde ins Ziel und hofft, es sei die letzte. Nur der Finne bohrt sich in jedem Durchgang durch den Wald, als wäre es eine Autobahn, die Bäume ringsherum nur Staffage. Stellt unbeeindruckt der Widrigkeiten sein Krad ab, als komme er gerade vom Brötchen holen. Kein Wunder. Er ist zwar Reifenhändler von Beruf, wohnt aber mitten im Wald. Sein Einkaufsweg unterscheidet sich nur unwesentlich von der hiesigen Strecke. Auf der letzten Runde für diesen Tag wird der Portugiese von der 650er Husaberg durch den Wald gezogen, Bert überlegt ernsthaft, die Wasserlöcher zu überspringen und der Schwede denkt in Drosselklappen-Öffnungswinkel und Spurrillen. Es reicht. Das Wasser steht an einigen Stellen so hoch, dass die Gefahr besteht, die Motoren könnten es ansaugen. Objektive Testergebnisse kommen nicht mehr zustande.
Um 16.12 Uhr wird abgebrochen. Der Kampf um Sekunden hat sich in ein pures Ankommen verwandelt. Ein präzises Fahren, das reproduzierbare Ergebnisse bringt, ist nicht mehr möglich. Die Bedingungen nötigen den Fahrern über die Distanz allzu viele Fehler ab. Der Portugiese übersteht nicht eine Runde ohne Sturz. Warum soll ausgerechnet der Zufall das Bike des Jahres küren? Theoretisch könnte unter diesen schweren Bedingungen die Kawasaki KDX 220, eine uralte Möhre, die schnellste Zeit aufs Papier zaubern. Fahrer und Veranstalter sind sich einig: Diese Zeiten können nicht gewertet werden. Morgen müssen alle Bikes noch mal gefahren werden. Unter besseren und vergleichbaren Bedingungen. »Bei Sonnenschein«, sagt Pepe.
Samstag, 17. November 2001, 7.46 Uhr. Sonnenschein. Kollektives Aufatmen beim Frühstück, Aufbruchstimmung ist angesagt. Doch die Ankündigung der spanischen Kollegen, heute morgen um 8.30 Uhr zu starten, wird unterschiedlich interpretiert. War die europäische oder die spanische Zeit gemeint? Noch um 8.43 Uhr wirkt das Fahrerlager wie ausgestorben. Die Fotografen trocknen traurig ihre Gehäuse, säubern die Objektive. Bert inspiziert Teilstücke der Strecke, überprüft die Tiefe der Wasserlöcher und den Boden. Stellenweise ist er so griffig wie eine Feile, das lose Erdreich ist weggespült. Trotzdem wäre es sinnvoller, statt der Unter- eine Badehose anzuziehen. Von Osten schiebt sich eine dunkle Wand heran. Merkwürdig, wo der Wind doch von Westen kommt. Statt sofort zu starten, werden Gruppenfotos geschossen. Über der Szenerie vermählen sich die Wolkenschichten, als ginge es darum, Salvatore Dalis Werke zu toppen. 10.33 Uhr. Noch niemand ist auf der Strecke. 10.55 Uhr. Leichter Regen setzt ein, die Fotosession wird abgebrochen, alle Fahrer finden sich am Start ein. Letzte Vorbereitungen laufen. Der Start um 12.13 Uhr erfolgt im strömenden Regen.
Die große Viertaktklasse ist dran. Wiedereinmal mehr will niemand freiwillig auf die Husaberg. Es stellt sich ernsthaft die Frage, wie die schwedischen Testfahrer gebaut sein müssen. Arme, Durchmesser wie Oberschenkel, Mindestgröße zwei Meter? Auch Bert kommt nicht umher, mit dem Traktor um den Kurs zu poltern. Nach jeder Runde werden die Schlammfräsen kurz inspiziert und auf die Wünsche der Piloten eingestellt. Brems- und Kupplungshebelstellung, Lenkerneigung – zwei Minuten müssen reichen. Schnell noch die Brille vom Schlamm befreien, eine Banane durch den Rachen würgen, ein Schlückchen Wasser. Los geht’s. Bert brennt mit der 520er-KTM eine Traumzeit von 6:15 Minuten auf den Kurs. Unter diesen Bedingungen extrem schnell. Aber nicht schnell genug. Vesa K. fährt mit jedem Bike Bestzeit, mit der KTM 520 sogar 5:40 Minuten. Sobald sein Körper mit dem Zweirad verbunden ist, sich die Räder zu drehen beginnen, sieht man nur noch das Weiße in seinen Augen. Um 13.57 Uhr ist alles vorbei, die Motorräder und Fahrer haben ihre Fangopackungen hinter sich, die Ergebnisse müssen ausgewertet werden. Obwohl keiner der Fahrer seine Rundenzeiten kennt, sind ihre Prognosen fast identisch: 250er-Viertakt-Yamaha, 400er-KTM, 520er-KTM. Fahrbarkeit steht auf diesem Terrain hoch im Kurs – power is nothing without control. Nahezu alle Fahrer geben an, ihre gefühlsmäßigen Bestzeiten unter diesen extremen Bedingungen mit der Yamaha WR 250 heraus gefahren zu haben.
15.21 Uhr. Der Regen hat gestoppt, nach einer wohltuenden Zwischenmahlzeit stehen die Finalisten fest: WR 250, EXC 400, EXC 520. Die besten Piloten ebenfalls: Vesa, Tullio Pellegrinelli und Bert. Die Regenströme haben die lose Oberfläche inzwischen wieder weggespült, Grip ist vorhanden. Nun geht es darum, die Federweg-strotzenden Zweizentner über harten Boden mit extremen Spurrillen und freigewaschenen Steinen zu prügeln. Der Italiener Tullio Pellegrinelli, Enduroweltmeister und zwölffacher italienischer Meister, ein Typ, der sein ganzes Leben nichts anderes gemacht hat, als Offroad zu fahren, blickt auf seine mit Blasen übersäten Hände: »Irgendwer sagte: Komm nach Spanien. Bisschen rumfahren, Sonne tanken – dies hier ist fast so heftig wie die Sixdays.«
Nach dem Motto: »Second place is the first looser« liefern sich die drei Schnellsten auf der Strecke einen erbitterten Kampf um jede Zehntelsekunde. Das Jagdfieber hat sie gepackt, alle wollen oben auf dem Treppchen stehen. Die Zuschauer inmitten des schwierig zugänglichen Terrains rund um den Kurs erleben eine Hatz, die einem Fight um die WM-Krone in nichts nachsteht. Doch der Finne ist unschlagbar, Tullio und Bert ziehen anerkennend ihre Hüte. Aufgrund der etwas gefestigten Streckenbeschaffenheit fährt die KTM EXC 400 den Sieg nach Haus. Sie ist die optimale Synthese aus Kraft und Handlichkeit, kann ihre Joker unter diesen Profis am besten ausspielen. Zweite wird die KTM EXC 520. »Unter diesen schwierigen Umständen würde jeder mittelmäßige Fahrer mit der Yamaha seine Bestzeit fahren«, sagt Bert überzeugt. »Wenn dir die Strecke alles abfordert, dann sollte das Motorrad dein Freund sein und nicht noch gegen dich kämpfen.« Er lächelt auf seine jugendlich-verschmitzte Art und packt die Badehose wieder ein. Sie war gottlob nicht umsonst im Gepäck.
Dass sich in dieser Klasse ein Viertakter durchsetzt, wundert nicht. Je schwieriger die Bedingungen, desto stärker kann die kleine Viertakt-Yamaha ihre Vorteile ausspielen. Draufsitzen und Gas geben, kein Motorrad macht es dem Fahrer so leicht wie die WR 250 F.
Auf der schnellen, harten Crosspiste können sich die aggressiveren Zweitakter noch vor den größeren Viertaktern behaupten. Die rundum ausgewogene Gas Gas EC 125 schafft hier die beste Einzelzeit vor der giftigeren 125er-KTM. Dagegen setzt sich auf der rutschigen Endurostrecke die sanfte Viertakt-Yamaha klar durch, gefolgt von der etwas schwächeren Viertakt-Kollegin von KTM. Vier Fahrer schafften dort mit der WR ihre persönliche Bestzeit, aber immerhin dreien gelang dies mit der 125er-KTM. Die WR bekam außerdem wegen ihres fantastischen Motors Höchstnoten, so dass ihr der Gesamtsieg knapp vor der 125er-KTM nicht mehr zu nehmen war.
Schlamm, tiefe Rillen, rutschiges Geläuf, da fühlt sich die Mittelklasse-KTM pudelwohl, da kommt ihr gutmütiger Charakter voll zur Geltung. Zumal das straff abgestimmte Chassis nahezu perfekt mit dem Antrieb harmoniert.
Eine interessante Gruppe: drei klassische Wettbewerbs-Zweitakter mit 250 cm3, drei 400er-Viertaktsportler, dazu die beiden eher Freizeit-orientierten Enduros von Kawasaki. Dass letztere sich mehr als achtbar aus der Affäre ziehen können, ist zu einem großen Teil den katastrophalen Wetterbedingungen beim Endurotest zuzuschreiben. Der anhaltende Regen hat den Parcours teils extrem rutschig, teils grundlos tief gemacht. Was auch die im Vergleich mit der 125er/250er-Klasse deutlich schlechteren Zeiten erklärt. Auf der Endurostrecke können sich die Kawas sogar vor den drei Zweitakt-Rennmaschinen platzieren, auf dem trockenen Crossgelände haben sie mangels Leistung und straffer Federung jedoch keine Chance. Als klarer Sieger dominiert die Viertakt-EXC von KTM diese Klasse. Sie kann sowohl beim Crosstest wie auch auf der Endurostrecke die Bestzeiten setzen. Außerdem schaffen vier Fahrer ihre persönliche Bestleistung mit der EXC 400, je eine Bestzeit verbuchen die 400er-TM, die am Ende auf Rang zwei landet, sowie die 250er-Zweitakter von Gas Gas und KTM. Die Husaberg hat zwar mehr Potenzial, macht es den Fahrern durch ihr träge Charakteristik schwer.
Die geballte Kraft der 520er, das ist in manchen Situationen einfach viel zu viel Power. Aber auf der schlammigen Piste schaufelt sie sich wie ein Traktor durch. Und auch auf dem schnellen Crosskurs ist sie mit dem stabilen Chassis und der progressiven Federung der unumstrittene King.
Nur ein Zweitakter wehrt sich in der großen Klasse verzweifelt gegen die viertaktende Übermacht. Dank ihres wunderbar weichen Motors schlägt sich die Gas Gas EC 300 tapfer, landet sogar auf dem beachtlichen zweiten Platz. Für die Husaberg-Modelle gilt: Die schwedischen Maschinen sind irgendwie anders, gewöhnungsbedürftig, sämtliche Fahrer hatten große Umstellungsprobleme. Die Bestzeiten verbuchen andere: Mit der Yamaha WR 426 schafft trotz des Hubraumhandicaps immerhin ein Fahrer beim Endurotest seine Topzeit, der Rest war mit der großen KTM am schnellsten. Kraft aus dem Keller, ist in den tiefen Schlammrillen ihr Erfolgsgeheimnis.
Das Offroad-Master ist kein Vergleichstest im üblichen Stil. Vielmehr handelt es sich eher um eine Art Wettbewerb mit dem Ziel, unter definierten Bedingungen die schnellste Sportenduro herauszufiltern. Auch wenn die Ergebnisse nicht auf jeden Fahrer und jeden Einsatzzweck zu übertragen sind, so geben sie dem Sportfahrer eine Menge Hinweise über das Potenzial der Maschinen. Rundenzeiten standen hier eindeutig im Vordergrund. Für schnelle, aussagekräftige Zeiten sind erfahrene, trainierte Piloten unbedingte Voraussetzung. Jede der sieben beteiligten Zeitschriften stellte einen Fahrer (siehe Kasten Seite 125). Die Einladung zum Master Enduro ging an alle Hersteller, Absagen kamen von Husqvarna und VOR. Gleiche Reifen für alle schafften vergleichbare Startbedingungen, Bridgestone lieferte dazu einen ganzen Lastwagen voll mit ED 660 A/661. Die Klasseneinteilung erfolgte nach einem Schema, das bereits in einigen Ländern praktiziert wird und wohl bald internationaler Standard wird: 125er-Zweitakter werden mit 250er-Viertaktern zusammengefasst, 250er-Zweitakter treten gegen 400er-Viertakter an, die große Klasse ist offen für Zwei-/Viertakter über 250/400cm3. Getestet wurde zunächst auf der Crosstrecke in Bellpuig, eine schnelle, beinharte GP-Piste mit großen Sprüngen und Tables. Danach zog der Tross in Richtung Pyrenäen auf ein abwechslungsreiches Endurogelände mit vielen unterschiedlichen, schwierigen Passagen.Das Reglement: Auf der Crosstrecke fahren die sieben Piloten nach dem vorhergehenden Training zum Kennenlernen der Strecke mit jeder Maschine eine Einführungsrunde, danach folgen zwei gezeitete Runden, von denen die bessere gewertet wird. Auf der Endurostrecke wird -selbstverständlich ebenfalls nach ein paar Trainingsrunden - mit jedem Motorrad eine Runde auf Zeit gefahren. Im Falle einer Unregelmäßigkeit - Sturz, kapitaler Fahrfehler, abgewürgter Motor - bringt eine Zusatzrunde ein aussagekräftiges Ergebnis. Alle Testfahrer müssen außerdem die Maschinen in einem umfangreichen Bewertungsbogen beurteilen. Der Durchschnitt der Einzelbeurteilungen aller sieben Fahrer ergibt die Endnote für jede Maschine. Bei der Platzierung spielten folgende Parameter eine Rolle: die beste Einzelzeit aller sieben Fahrer, dazu die Zahl der Testfahrer, die mit dem Modell ihre persönliche Bestzeit fuhren, außerdem die Durchschnittzeit aller Fahrer mit dem betreffenden Modell und schließlich die Endnote jedes Fahrzeugs. Die Zeiten der Endurostrecke wurde mit 70 Prozent gewichtet, die der Crosstrecke mit 30 Prozent. Gut, dass heutzutage ausgetüftelte Excel-Programme freundlicherweise einen Teil der Rechenarbeit übernehmen.
Endurosport ist üblicherweise eine Klassengesellschaft, aber selbst im deutschen Enduro-Championat gibt es schließlich einen klassenübergreifenden Gesamtsieger. Daher ist die Frage nach dem schnellsten Motorrad durchaus interessant. Und dahinter steht natürlich auch die grundsätzliche Frage nach dem besten Offroad-Motorrad überhaupt. Also Startschuss zum Finale des Offroad-Masters mit den drei schnellsten Fahrern auf den drei Klassensiegern. Jeder Fahrer absolviert zwei Runden mit jeder Maschine auf dem Endurokurs, die schnellste Zeit wird gewertet. Am Ende setzt sich die KTM EXC 400 Racing relativ klar durch, alle Fahrer schaffen mit ihr die persönliche Bestzeit. Ein würdiger Sieger mit dem besten Paket aus beherrschbarer Leistung, stabilem und agilem Chassis, progressiver Federung und praxisgerechter Ausstattung.