Porträt Josef Zeitler

Porträt Josef Zeitler Der Multi-Visionär

Fünf Patente hat er schon angemeldet. Dutzend weitere noch im Kopf. Vorerst jedoch will Josef Zeitler die Welt revolutionieren. Mit Wasserstoff betriebenen Zweirädern Made in Speinshart, Oberfranken.


Speinshart. Ein Dorf in Oberfranken. 200 Seelen, keine Ampel, eine Tankstelle, ein Kloster, eine Kneipe. Der halbe Liter Bier für 1,40 Euro. Ende der 90er Jahre gerät der Ort in die Schlagzeilen. Oben auf dem Barbaraberg, einer Anhöhe mit Blick auf die fränkisch-pfälzische Wildnis, kreiseln rund 50 Verrückte mit ihren Mofas. Der Bruch der Tristesse nennt sich 24-Stunden-Mofarennen. Eine von vielen wahr gewordenen Visionen des 42-jährigen Josef Zeitler, Kfz-Meister, Berufschullehrer und Tüftler.
Zeitler, glücklich verheiratet und dreifacher Vater, wird von jedermann nur Sepp genannt und ist berüchtigt für seine Einfälle. Er selbst beschreibt sich als »a weng spinnert«. Kein Wunder. Angesichts der Tatsache, dass der Speinsharter Horizont bei vielen Anwohnern am Klosterhof endet. Für Sepp Zeitler hingegen scheint nichts unmöglich. Der stetige Wunsch nach Verbesserungen und Neugier sind seine schier unerschöpfte Kraftquelle. Doch Neugier fordert Opfer.
Gerade mal vier Jahre alt, greift er in den Keilriemen der Drehmaschine seines Großvaters. Die Maschine reißt ihm alle Finger der rechten Hand weg. Die Chirurgie kapituliert. Obwohl stark gehandicapt, lernt er schon ein Jahr später seine Schuhe allein zu schnüren. »Damals, als viele über meine vermeidliche Hilflosigkeit lachten, habe ich zum ersten Mal gespürt, dass vieles nur eine Frage des Willens ist«, sagt Sepp Zeitler beflügelt. Sein undurchdringlicher Bart wogt dabei keck, die Augen glitzern erwartungsvoll. Fast kindlich.
Die Frage des Willens stellt sich oft. Durch den väterlichen Betrieb, eine Kfz-Werkstatt mit Mopedverkauf, wird er früh mit Zweirädern konfrontiert. Erste Fahrversuche unternimmt Zeitler mit neun. Lernt Gas geben und bremsen mit nur einem Daumen. Mit zwölf durchfräst er auf einer 50er-DKW die oberfränkische Tundra. Verschiedene Kreidler-Modelle folgen. Mit 18 stellt er sich der Führerscheinprüfung. Und setzt sich dabei dem Spott aus. Weder TÜV-Bedienstete noch Fahrschullehrer können sich vorstellen, dass er mit der defekten Hand ein Bike beherrschen kann. Er muss eine bizarre Führerschein-Vorprüfung absolvieren.
Es reicht den Beamten nicht, dass er mit nur einem Daumen sowohl zu bremsen als Gas zu geben versteht. Das Motorrad, eine Honda CB 200, wird auf den Hauptständer gebockt, ein Mann drückt es hinten runter, ein anderer tritt apathisch gegen das Vorderrad. »Sie wollten überprüfen, ob ich Kraft genug habe, es festzuhalten«, sinniert Zeitler mit einem sprödem Lächeln um die Lippen. Er bekommt den Führerschein. Mit Auflage. Der Hebel für die Vorderradbremse muss am linken Lenkerende montiert sein. Neben dem Kupplungsgriff.
In den 80er Jahren boomt das Geschäft mit Kreidler. Die Zeitlers pflegen enge Kontakte zum Werk nach Kornwestheim, führen nahezu alle Tuningteile und avancieren zum größten Händler der Region. »Kreidler war wie eine große Familie«, erinnert sich Sepp Zeitler. »Die Händler wurden in die Produktplanung eingebunden, Verbesserungsvorschläge hatten kurze Wege, man wurde zuvorkommend behandelt.« Doch Kreidler ging pleite. »Heute ist alles anders«, sagt Zeitler und blickt zurück auf die letzten Jahre. Jahre, in denen er dachte, als Honda-Händler glücklich zu werden.
Im Jahre 1991 wird er Hausbesitzer. Seine Vision: ein Haus, das Energie selbst produziert. Mit freundlicher Unterstützung von Wind, Sonne, atmosphärischer Spannung und Wasserstoff. Warum also nicht gleich ein adäquates Transportmittel mitentwickeln? Ein kleines, wendiges Zweirad, das in der heimischen Wasserstoff-Haustankstelle immer wieder befüllt werden kann. Trunken von der Idee, legt der Tüftler los. Verwirklicht einen Teil seiner Träume im Haus, entwickelt hierfür drei neue Patente und schlägt 1997 gedankenlos bei einer Wette ein. Sein Nachbar, Besitzer einer Honda Gold Wing 1200, fordert ihn zu einem 100-Meter-Sprintrennen heraus. Zeitler hält dagegen. Will ihn mit einem 50-Kubik-Zweirad abledern. Wasserstoff betrieben, versteht sich.
»Durch die Verquickung von Wasserstoff mit dem Zweitaktprinzip ist es theoretisch möglich, die Wette zu gewinnen.« Theoretisch. Klar. Zeitler bastelt und stellt im Rahmen des von ihm organisierten 24-Stunden-Rennens 1999 der Welt das erste Wasserstoff betriebene Mofa vor (MOTORRAD 23/1999). Es sieht aus wie eine fahrende Bombe und geht mehr als nur zaghaft ans Gas. »Keine Düse war in der Lage, den Wasserstoff gering genug zu dosieren«, dossiert Zeitler.
Heute ist er weiter. Anstelle der bombig aussehenden Gasflaschen ist nun ein Speichertank auf Metallhydridbasis unter einem Peugot-Roller montiert. Dessen Name scheint Programm: Speedfight 50. Unter der roten Verkleidung sieht es aus wie auf einer Großbaustelle: Kabel, Leitungen, Druckmesser. Ineinander verstrickt wie ein norwegischer Pullover. »Der erste Prototyp«, lächelt Zeitler, »der richtig fährt.« Der Weg zum Erfolg war gezeichnet von unzähligen Kolbenklemmern und Stichflammen. Teils zehn Meter lang. Vom perfekten Antrieb ist Josef Zeitler noch weit entfernt. Mehr als zwei Kilometer am Stück und 30 km/h Topspeed sind nicht drin. Ein Kohlenstoffkolben soll die Wende bringen. »Wenn es dann noch gelingt, die Düsen auf den gasförmigen Wasserstoff perfekt abzustimmen, könnte ich die Wette gewinnen.« Sepp Zeitler zwinkert und lächelt süffisant. »Letztlich ist das Leben doch nichts weiter als eine Riesengaudi.«
Zahlreiche Patente schlummern in seinem Schädel. Ein revolutionärer Motorradmotor mit Vorverdichterkolben, ein Schuh, der beim Gehen elektrische Energie erzeugt... Um Ideen optimal vermarkten zu können, hat er die Initiative »Kleiner Mann e.V.« gegründet. Für Gleichgesinnte. Zeitler jedoch ist einmalig. Derzeit überquert er auf der von ihm erdachten »Hannibal Challange« mit einem Tross Mofas die Alpen. Ein Etappen-Rennen von Speinshart bis zum Petersplatz in Rom und zurück. Nicht nur der Papst wird sich freuen.

Wasserstoff-Technik

Mehrere Automobilhersteller experimentieren derzeit mit Wasserstoff als Alternative zu fossilen Brennstoffen. Zum einen ist er in nahezu unbegrenztem Umfang vorhanden, zum anderen entstehen bei seiner Verbrennung im Motor lediglich Wasserdampf und Stickoxide. Kohlenmonoxide, Kohlenwasserstoffe und das besonders schädliche Kohlendioxid entfallen. Nachteile: Die Gewinnung von Wasserstoff durch Elektrolyse bedarf sehr hoher Energie. Dafür kommen langfristig nur regenerative Primärenergien wie Wasserkraft, Wind- oder Sonnenenergie in Frage. Auch ist die Betankung und Speicherung komplizierter als bei Benzin oder Diesel. Gespeichert wird er entweder als komprimiertes Gas in Druckbehältern, als tiefkalte Flüssigkeit oder als chemische Bindung in Metallhydriden. Letztere Methode ist zwar sehr sicher bringt jedoch die Nachteile des hohen Gewichts und einer geringen Energiedichte mit sich, die eine geringe Reichweite bedingt. Die Folge: Wasserstoffbehälter sind nach dem heutigen Stand der Technik schwerer oder größer als Kraftstofftanks mit vergleichbarer Reichweite. Wasserstoff hat in flüssiger Form seine höchste Energiedichte, die Verflüssigung ist jedoch sehr energieaufwendig. Der hohe Preis für Herstellung und Lagerung spricht derzeit noch gegen einen serienmäßigen Einsatz in der Antriebstechnik.

Wasserstoffbetrieben:
Peugeot Speedfight 50

Der 30 Kilogramm schwere Metallhydridtank (1) speichert den Wasserstoff. Die Befüllung erfolgt per Druckschlauch und Schnellkupplung (2). Über einen Druckminderer (3) wird der gasförmige Wasserstoff in den Tank geleitet, dort bindet ihn Metallpulver als Hydrid. Eine selbst entwickelte Elektronik regelt die Steuerung der Einspritzung. Ein Einspritzventil (4) bläst gasförmigen Wasserstoff direkt in den Brennraum, ein zweites Ventil leitet ihn zusätzlich in einen der Überströmkanäle.Im Zwischenflansch (5) sitzt eine Gummimembran, die den Kurbeltrieb gegenüber den Überströmkanälen abschirmt. Die Schmierung der Kurbelwelle sollen 100 Milliliter Öl garantieren. Durch die heute beim Zweitaktmotor gängige Einlassmembran saugt der Motor nur Frischluft an.

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