Im Modelljahr 2 der Zeitrechnung des bolognianischen Superbikes ist es so weit: Die Superbike-Basis 1098R, die stärkste Diva Italiens steht bereit. PS saß im Sattel und wollte nicht mehr absteigen.
Im Modelljahr 2 der Zeitrechnung des bolognianischen Superbikes ist es so weit: Die Superbike-Basis 1098R, die stärkste Diva Italiens steht bereit. PS saß im Sattel und wollte nicht mehr absteigen.
Unglaublich machtvoll schiebt die Ducati 1098R aus der engen Linkskurve in tiefster Schräglage voran und wird dabei von kernigem, dumpf-aggressivem Hämmern aus ihren offenen Racing-Endtöpfen getragen. Es schallt von den Begrenzungsmauern wider, stellt die Nackenhaare auf und peitscht Mann und Maschine auf einem akustischen Tsunami voran. Gerade eben schliff noch das Knie am Boden, jetzt hebt sich das Vorderrad nachdrücklich dem Himmel entgegen, nähert sich die Drehzahl des Twins dem Begrenzer. Ohne dass das Vorderrad zur Zwischenlandung ansetzt, legt der Pilot sorgenfrei die dritte Fahrstufe ein und donnert mit einem blitzsauberen Wheelie die gesamte Start/Ziel-Gerade der GP-Strecke im spanischen Jerez hinunter. Casey Stoner und Troy Bayliss hätten es sicherlich schneller, aber nicht schöner hinbringen können.
Die R ist da! Schluss mit Second-Hand-Racing auf der ausgemusterten 999R, wozu das Ducati-Werksteam in der letzten Superbike-Saison gezwungen war. Endlich darf das neue Superbike an den Start und gelangt in Form der Homologations-Basis 1098R nun in die Hände solventer Kunden. Um das Schlimmste vorwegzunehmen: Sie kostet 35000 Euro inklusive Racing-Kit: einem offenen Termignoni-Auspuff und einem Racing-Steuergerät, in dem auch die Traktionskontrolle hinterlegt ist. Kein Pappenstiel, aber dafür erhält der Kunde ein erprobtes Derivat aus der Corse-Abteilung und ein ausgesprochen hübsches obendrein.
Wer also willens und könnens ist, diese Summe auf den Tisch zu legen, der darf ein Motorrad sein Eigen nennen, das dichter an den Werks-Rennern der Superbike-WM dran ist, als es je ein Serienmotorrad war. Denn das neue Reglement schränkt Tuning an Zweizylindern im Vergleich zu den letzten Jahren erheblich ein, so dass die verkaufte Basis schon alle wichtigen Merkmale des Rennmotorrads in sich versammeln muss. Entsprechend fällt die Ausstattung der R aus: Mit an Bord sind neben den üblichen Verdächtigen wie Titanpleueln und mächtig vielen Carbonteilen eine aus dem MotoGP abgeleitete Traktionskontrolle, eine Anti-Hopping-Kupplung sowie ein Öhlins TTX-Federbein.
Jerez ist für die 1098R ein Heimspiel. Diese schnelle und flüssige Rennstrecke erfordert vor allem zwei Dinge: Leistung im Motorrad und Mut im Fahrer. Das Erste steht reichlich zur Verfügung; dem Zweiten hilft die DTC, die Ducati Traction Control auf die Sprünge siehe unten. Bei 6000/min, versprechen die Ingenieure, traktieren 100 Nm und knapp 90 PS Hinterreifen und Kette, die Maximalwerte liegen mit 134 Nm bei 7750/min und 180 PS bei 9750/min an. Der Weg zum Drehzahlbegrenzer ist wegen der kurzhubigen Konzeption des Desmos immer ein explosiver. Selbst in den oberen Gangstufen stellt sich kaum Müdigkeit ein.
Den fetten Punch liefert der Testastretta Evoluzione dank einer zünftigen Überarbeitung. 2 Millimeter mehr Hub und 3,2 mm mehr Bohrung als beim Standard-1098er stocken den Hubraum auf 1200 Kubik auf; Titanpleuel, eine leichtere Kurbelwelle und Titanventile an Ein- und Auslass legen die Basis für weitere Drehzahl-, also Leistungserhöhungen. Das Motorgehäuse der R ist im Sandguss- statt im Druckgussverfahren hergestellt, was bei gleicher Steifigkeit geringere Wandstärken erlaubt und so auch hilft, Gewicht zu reduzieren. In Summe ist der R-Motor inklusive Anti-Hopping-Kupplung 2,2 kg leichter als jener der 1098 und ganze 5,6 kg leichter als ein 999R-Triebwerk. Größere Durchlässe der Einspritzanlage versorgen den Twin über jeweils zwei seriell geschaltete Einspritzdüsen pro Zylinder mit Sprit, während schärfere Steuerzeiten und eine erhöhte Verdichtung von 12,8:1 (12,5:1 bei der 1098) dem Gemisch den Rest besorgen.
Feistes Einschenken ist angesagt, der Touchdown kommt erst kurz vor dem Bremspunkt am Ende der Geraden: Das Vorderrad setzt mit einer kleinen Rauchwolke auf und macht aus der R wieder ein Zweirad. Allerdings hält dieser Zustand nur kurze Zeit an, denn beim Anbremsen der engen Bergauf-Rechts lässt sich die Duc mit ihren giftigen Monoblock-Brembos, die so vehement in die 330-mm-Scheiben beißen, fein dosierbar aufs Vorderrad stellen. Wer etwas weniger heftig zulangt, kommt in den Genuss der wunderbar funktionierenden Slipper-Clutch, die unangenehmes Hinterradstempeln unterbindet und ungestörtes Abbiegen ermöglicht.
Ein kurzer Gasstoß, und zweimaliges Abwinkeln später geht es im zweiten Gang Vollgas durch einen sehr langen Links-bogen bergauf bis in den vierten Gang hinein. Das Auge sagt: Hier hängt die Strecke etwas nach außen. Die Traktionskontrolle der 1098R antwortet: Mir doch egal. Volle Brause heißt das Kommando. Von den acht Regelstufen der DTC sind eigentlich nur die ersten vier nötig; die Stufen 5 bis 8 greifen zu stark in die Motorelektronik ein und setzen bisweilen sogar die Zündung aus, was sich anfühlt, als würde der Motor am Begrenzer anstehen.
In Stufe 4 arbeitet die DTC effizient, nimmt bei Schlupf am Hinterrad lediglich für den Piloten nicht spürbar die Zündung etwas zurück und sorgt so für maximale Beschleunigung ohne Highsider-Gefahr. In diesem schnellen Linksbogen heißt das: Hahn auf und durch! Der freigesetzten Urgewalt zollt an dieser Stelle das erstmals serienmäßig eingesetzte Öhlins TTX 36-Federbein Tribut. In leichten Pumpbewegungen zeugt das Heck von dem gewaltigen Druck, den der Twin liefert. Eine Justage der Dämpfung konnte dieses Symptom nicht heilen, jedoch etwas eindämmen.
Auch auf der Kuppe, die in die Gegengerade mündet, offenbart sich die fahrdynamische Macht der 1098R: Volle Suppe über die Curbs hinab, die Front zuckt nervöser als je eine Ducati-Front zuckte, und der Lenkungsdämpfer muss alles geben, um Kickback zu unterbinden. Je länger man mit der R fährt, desto öfter drängt die ketzerische "Warum hab ich keine reiche Frau geheiratet?"-Frage ins Hirn. Nicht nur auf den Geraden, wo der 1200er sticht wie ein Kreuz-Bube beim gepflegten Skat, sondern auch in den engeren Sektionen, wo sich das Superbike im Rhythmus des "Hätt-ich-doch-mal!" geschmeidig von der einen auf die andere Seite und wieder zurück pfeffern lässt.
Fazit:
Die R-Versionen von Ducati waren schon immer etwas Besonderes. Das ändert die 1098 R nicht; im Gegenteil, sie betont diese Tatsache noch. Neben den gewonnen Handlingsqualitäten und der im Vergleich zur 1098S wesentlich gelungeneren Fahrwerksabstimmung fasziniert die "Erre" durch ihren unglaublich bulligen Twin. Dass die 1098R im inter-nationalen Rennsport erfolgreich sein wird, steht außer Frage. Auf nationaler Ebene, wo die Finanzdecken für Tuning erheblich dünner sind, bleibt abzuwarten, ob die Ducati das Zepter an sich reißen kann.
Wie bei Ducati üblich, wird für die 1098R mit ihrem Erscheinen auch das Performance-Zubehör präsentiert. Glanzlicht dieser Tuning-Show ist natürlich die mächtige Werksschwinge, die nicht nur steifer ist, sondern auch mehr Platz für große Kettenräder und fette Slicks auf bis zu 6.25 Zoll breiten Rä-dern bereit stellt. 70 Millimeter durchmessende Auspuffanlagen liegen ebenso im Schaufenster wie einstellbare Racing-Rasten mit umkehrbarem Schaltschema. Selbst eine Performance-Slipper Clutch wird angeboten. Sie ist um 220 Gramm leichter als das serienmäßige Bauteil und reduziert rotierende Masse. Natürlich runden weitere Carbonteile, klappbare Handhebel, eine höhere Windschutzscheibe und ein offener Kupplungsdeckel das Angebot ab.
Antrieb:
Zweizylinder-V-Motor, 4 Ventile/Zylinder, 132 kW (180 PS) bei 9750/min*, 134 Nm bei 7750/min*, 1198 cm3, Bohrung/Hub: 106,0/67,9 mm, Verdichtung: 12,8:1, Zünd-/Einspritzanlage, 64-mm-Drosselklappen, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Trockenkupplung mit Anti-Hopping-Funktion, Sechsgang-Getriebe, Kette, G-Kat
Fahrwerk:
Stahl-Gitterrohrrahmen, Lenkkopfwinkel: 65,5 Grad, Nachlauf: 104 mm, Radstand: 1430 mm, Ø Gabelinnenrohr: 43 mm, Federweg v./h.: 120/127 mm
Räder und Bremsen:
Leichtmetall-Schmiederäder, 3.50 x 17/6.00 x 17, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 190/55 ZR 17, 330-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 245-mm-Zweikolben-Festsattelbremse hinten
Gewicht(trocken): 165 kg*, Tankinhalt: 15,5 Liter Super (davon Reserve: 4 l)
Preis: 35000 Euro (inkl. Nk)
*Werksangabe