Ride and park

Ride and park Standbilder

Bewegung und Kraft. Anmut und Lebenslust: Im Stand, ja, im Stand wecken Motorräder die schönsten Träume. Sofern sie nicht sicher, sondern stilsicher stehen.

Standbilder Siemer

Es mag der Werterhaltung dienen. Vor nassem Hintern bewahren und böse Blicke abwenden. Im Grunde jedoch
wird das mattgraue Ganzkrad-Kondom aus purer Selbstsucht übergestreift: Mein Bike gehört mir, seine Pracht erstrahlt, wann ich es will. Und das in Zeiten, da alle, fast alle, ins große Ganze
investieren sollen. Gilt Eigenverantwortung – gefordert bei Rente, Krankheit, Kind und Kegel – nicht auch im Stadtbild? Die
klammen Gemeinden nehmen für blühende Beete Kredite auf,
und Tausende Motorradbesitzer hüllen ihre metallenen und bunt
lackierten, ihre strahlenden oder vom Leben benagten Skulpturen in billige Planen. Entsetzlich.
Kein Gedanke an all die Rentner, deren Blicke so gern über Boxer-Twins streicheln. Neugierige Kinder, die ihre Zerrbilder
in Chrom-Blenden einer Wild Star belächeln. Junge Mädels und Burschen, denen eine aufwendig zugestaubte KTM zum Fanal der Freiheit wird. Wer gestattet plumpen Plastik-Fetischisten, ein Licht im Leben ihrer Mitmenschen – und sei es ein noch so kleines, im Vorbeigehen kurz wahrgenommenes – einfach abzudunkeln? Mit Recycling-Produkten aus Yoghurtbechern, knittrig, bemoost und verdreckt, inklusive Klarsichtkeil womöglich, hinter dem Politessen die gültige TÜV-Plakette erkennen.
Dieser Egoismus nährt sich aus der Hoffnung, das beschützte Motorrad könne ewig halten. Doch er vergewaltigt den Moment: Offen zur Schau gestellt und mit Bedacht platziert, inszeniert eine Speed Triple den ganzen Stadtteil neu. Alte RD, CB oder GT
kommentieren ihr Umfeld in rostigem Trotz, und die R1 nährt Fluchtfantasien. Alles ist Kultur, und Kultur ist, wie der Mensch die Welt gestaltet. Mit sturmsicher verzurrten Plastikplanen? Armes Deutschland.
Der Automobilist, wie immer im Nachteil, ignoriert wegen des Raumbedarfs seines Gefährts sogar die Verzweiflung Kinderwagen schiebender Mütter: Er parkt sein Vierrad Stoßstange an Stoßstange, muss die Lücken nehmen, wie sie kommen. Die Freiheit des Motorradlers dagegen, die fängt beim Parken erst richtig an. Nachdem die örtlichen Polizeibehörden – durchaus im Interesse der Autofahrer – den zweirädrigen Stillstand auf Fußwegen allenfalls vorm Kölner Dom oder dem Berliner Reichstag eindämmen, bieten sich grandiose Möglichkeiten. Das geschulte Auge findet für alles einen im wahrsten Wortsinn denkwürdigen Platz, nur Anfänger stellen ihre silbergraue K 1200 LT vor eine Filiale der Deutschen Bank. Oder die Guzzi California vors Sonnenstudio.
Nein, wer immer mal wieder neben einem renommierten
Geldhaus parken muss, baut schon beim Motorradkauf vor und greift entweder zum Streetfighter mit kriminellem Charme oder zum Dritte-Welt-Mobil Honda Super Cub. Feingeister setzen auf potenzielle, aber erbarmungswürdig schlecht gepflegte Wertanlagen à la Königswellen-Duc. Wer eh in Berlin-Kreuzberg wohnt, spart sich die Peinlichkeit, eine weitere gammelige SR 500 in den Kiez zu karren, und erwirbt eine nagelneue Honda Deauville. Ah, welch Kontrast: die Herausforderung im Menschlichen und das Beständige als Ding. Oder er legt sich – gleichsam Ausdruck
tiefen Einvernehmens – eine MZ zu, die nicht fährt. Sondern nur noch parkt.
Womit auch am Beispiel Motorrad erläutert wäre, dass
Besitz zur Verantwortung nötigt. Wie ein empfindsamer Kunst-
mäzen lässt der aufgeklärte Eigentümer alle anderen an seinem Schmuckstück teilhaben und macht den Bürgersteig wieder
zu dem, was er mal war: Hier konnte der Bürger wandeln, sich darstellen, Umgangsformen beweisen. Deshalb sollte niemand eine gediegene Gründerzeit-Umgebung mit einem Möchtegern-Cruiser beleidigen. Oder den bunt übertünchten Plattenbau mit einer peinlich genau restaurierten CB 400. Alles hat seinen Platz, aber nicht überall.
Und alles braucht seinen Platz. Jedes Kunstwerk verlangt nach Raum und Rahmen. Was also bewegt Menschen, ihre Fat Boy – denn die ist ein Kunstwerk – neben eine andere Fat Boy
zu stellen? Am liebsten dort, wo schon drei Fat Boy stehen.
Diese Verschwendung! Diese Trägheit! Gerade mit Milwaukee-Stahl lassen sich hübsche Arrangements erzeugen, die – Fat Boy vor Sportstudio – von sanfter Ironie künden oder – Fat Boy neben Vespa – sympathisch für den American way of life werben. Kaum auszumalen, was sich mit einer verrosteten Fat Boy so alles
anstellen ließe...

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