Wer sich Fehler und Schwächen bewusst macht, kann seine Fahrfähigkeiten enorm verbessern. Also mit Achtsamkeit in die neue Saison starten!
Wer sich Fehler und Schwächen bewusst macht, kann seine Fahrfähigkeiten enorm verbessern. Also mit Achtsamkeit in die neue Saison starten!
Beim Motorradfahren kann man so manches lernen, was auch im Alltag und überhaupt im Leben von Nutzen ist. So zum Beispiel den richtigen Umgang mit den Fehlern, die einem unterlaufen. Wir alle gehen mit den Fehlern viel schlechter um, als sie es verdienen! Unser Verhältnis zu Fehlern ist schon deshalb gestört, weil uns von klein auf bis weit ins Erwachsenenalter hinein, ja eigentlich unser ganzes Leben lang Fehler als etwas ausschließlich Negatives, unbedingt zu Vermeidendes oder gar Verwerfliches vorgeführt werden (»Du hast ja schon wieder einen Fehler gemacht!« »Dein Aufsatz steckt ja voller Fehler!« »Pass auf, mach mir ja keinen Fehler!«). Kein Wunder, dass wir alle dazu neigen, Fehler, die uns unterlaufen sind, zu beschönigen oder kleinzureden, sie möglichst schnell zu vergessen oder gänzlich zu verdrängen, sie oft genug auch einfach abzustreiten, also sie zu leugnen, und das nicht nur anderen, sondern schließlich auch uns selbst gegenüber.
Ein Fehler ist aber außer einem Ärgernis zugleich noch etwas anderes. Er ist ein sicherer Hinweis darauf, dass es da noch eine Schwachstelle gibt, irgendetwas, das sich verbessern lässt. Ein erkannter Fehler ist eine Chance zur Verbesserung unseres Handelns. Bei vielerlei Trainings ist es deshalb ein erklärtes Ziel, sich unterlaufene Fehler bewusst zu machen. Denn die Gefahr, dass man sich mit seinen Fehlern, ohne sie sich recht zum Thema zu machen, einfach arrangiert statt sie anzugehen, ist in allen Lebensbereichen, nicht nur beim Motorradfahren, riesengroß. Sich zu arrangieren ist zwar bequem, verhindert aber zuverlässig eine Verbesserung. Dazu als Beispiel der gar nicht so seltene Fehler eines generell zu zaghaften Einsatzes der Vorderradbremse; statt den Fehler durch Training auszumerzen, arrangiert sich der Fahrer mit ihm, indem er entsprechend verhalten und zögerlich fährt, weil er die langen Bremswege für gottgegeben hält. Das ist der falsche Weg.
Unser Ziel bei den ersten Ausfahrten in der Saison sollte also sein:
- »Scharf werden« auf das Erkennen eigener Fehler
- Die bemerkten Fehler nicht gnädig übersehen, sondern sie sich ganz bewusst machen
- Versuchen, einen entdeckten Fehler durch erhöhte Beachtung auszuschalten
- Auf erneutes Auftreten achten
Damit haben wir bei den ersten Frühlingstouren schon genügend zu tun. Größter Vorteil dabei: Allein das bloße darauf Achten und das Bewusstmachen der Fehler bringt bereits erste Fortschritte. Haben wir einen oder zwei typische Fehler am Wickel, dann nehmen wir uns vor, während der ganzen Ausfahrt darauf besonders zu achten.
Nun noch eine praktische Übung, um fit in den Frühling zu starten: extremes Langsamfahren, fahren, so langsam es nur geht. Eine anspruchsvolle Übung, die gute Koordination verlangt (und diese fördert) und selbst dem Erfahrenen noch etwas bringt was im letzten Jahr ging, soll so schnell wie möglich auch in diesem Jahr wieder erreicht werden. Und eine Übung, die dem weniger Geübten ebenfalls Spaß macht er fährt eben nicht ganz so langsam. Dieses extreme Langsamfahren geschieht gegen die Fußbremse mit ihr bestimmt man das Tempo! , während man mit der Kupplung zwischen ganz ausgekuppelt und etwas schleifen spielt, aber nie vollen Kraftschluss entstehen lässt (das wäre schon viel zu schnell). Die Drehzahl liegt dabei ständig etwas über der Leerlaufdrehzahl, damit der Motor nicht stehen bleibt, denn das geschieht mit einem erheblichen Ruck und kann bei eingeschlagenem Lenker zu einem sehr plötzlichen Umfaller führen. Sich in die Fußrasten zu stellen bringt den Gesamtschwerpunkt weiter nach oben und kann die Balance erleichtern.
Wenn das alles zur Zufriedenheit funktioniert, gelingt auch bald schon der Clou beim passionierten Langsamfahren: Aus normalem Tempo zügig abbremsen und, ohne dabei die Füße von den Rasten zu nehmen, anhalten und im gleichen Augenblick wieder anfahren einfach cool!
Prof. Dr. Bernt Spiegel ist Psychologe und Verhaltensforscher sowie der Verfasser des Klassikers »Die obere Hälfte des Motorrads (über die Einheit von Fahrer und Maschine, 24,90 Euro) und des Übungsbuchs »Motorradtraining alle Tage! (14,95 Euro), in dem auch die Übungen dieser Serie ausführlich beschrieben werden. Zu bestellen im MOTORRAD-Shop unter www.motorradonline.de