1000-Punkte-Wertung, Test-Runde, Top-Test-Parcours wie sieht das aus, wenn MOTORRAD testet? Wollten die Hersteller schon seit Jahren live erleben. Und sind jetzt schlauer.
1000-Punkte-Wertung, Test-Runde, Top-Test-Parcours wie sieht das aus, wenn MOTORRAD testet? Wollten die Hersteller schon seit Jahren live erleben. Und sind jetzt schlauer.
Was hat er getüftelt und gebrütet, nachgemessen, ausprobiert. Was hat er gesucht, was ist er umhergefahren, hat angehalten, nachgeprüft, abgeglichen. Und schließlich hat er gerechnet, hat
Zeiten, Kosten, Sinn und Zweck summiert. Und irgendwann wir rechnen hier in Monaten, nicht in Tagen hat er sich zurückgelehnt. Und war zufrieden.Erst dann kam Test-Urgestein Werner »Mini« Koch zurück in die Redaktion. In der Tasche hatte er den minutiösen Zeit- und Ablaufplan für das, was zukünftig
den MOTORRAD-Test-Standard darstellen sollte. Eine zuverlässige Methode als Kombination aus empirischer Erfahrung auf
öffentlichen Straßen und grenzwertigem Fahrversuch auf abgesperrtem Terrain,
mit deren Hilfe sich die häufig mindestens so eindeutigen wie schwierig zu quanti-
fizierenden Eigenschaften eines Motorrads sicher einordnen lassen. Und zwar beliebig oft und immer nachvollziehbar.
Klar, dass bei MOTORRAD nun eine neue Zeitrechnung begann, in der nach der Kochschen Methode Anzahl und Schwere von Unstimmigkeiten »minimiert« werden. Logisch ist ebenfalls, dass jene, deren
Produkte Subjekt dieser Untersuchungen sind, diese Methode gerne einmal näher kennen lernen wollten.
Um zu demonstrieren, dass MOTORRAD nichts zu verstecken hat, sondern im Gegenteil viel präsentieren kann, und dass jeder Test das Ergebnis akribischer Arbeit ist, trat das Test-und-Technik-Ressort an einem sonnigen Montagmorgen im Foyer des Verlagshauses in Stuttgart an.
Gekommen waren bis auf Harley Vertreter aller Marken von Aprilia bis Yamaha. Auf dem Programm der kom-menden zwei Tage stand die komplette Test-Prozedur: am ersten Tag das Kennenlernen der exakt festgelegten Test- und Verbrauchsfahrt-Runde über die Schwä-
bische Alb (alles in allem rund 430 Kilo-
meter), die zumindest zwischen Frühjahr und Herbst jedes Testmotorrad absolvieren muss. Am zweiten Tag die Präsentation der Fahrversuche auf dem stillgelegten Militärflughafen von Neuhausen bei Tuttlingen.
Doch der Reihe nach. Und ganz langsam. Denn schon bei der ersten Disziplin, der Ermittlung des Landstraßenverbrauchs, sollten besonders die Heißsporne unter den angereisten Gästen lernen, dass Testen im klassischen Muster bei MOTORRAD vor allem eines heißt: Vergleichen unter identischen, reproduzierbaren Bedingungen. Darum führt die Verbrauchsfahrt im genau festgelegten Tempo nämlich dem, das die Straßenverkehrsordnung zulässt über immer dieselbe, 100 Kilometer lange Strecke. So kommen unterschiedliche Fahrernaturelle und -Fähigkeiten ebenso wenig zur Geltung wie unterschiedliche Streckenprofile. Weshalb trotzdem vorkommende Verbrauchsschwankungen in der Regel auf die Wintermonate zurück-
zuführen sind, in denen MOTORRAD
auf Strecken mit ähnlichem Profil, aber
anderen klimatischen Bedingungen in Südeuropa zurückgreifen muss.
Ehernes Gesetz bleibt jedoch: Bei Vergleichstests werden diese Werte stets unter identischen Bedingungen ermittelt. Das gilt auch für alle fahrdynamischen Erkenntnisse, die auf der weiteren Tour ermittelt werden und für die vor allem die Teilnehmer aus Italien nur ungläubiges Staunen übrig hatten. Nicht, weil das Tempo so
fulminant war, sondern weil bei dem abwechslungsreichen Auf und Ab nur eines nicht überreichlich vorhanden ist: der in
Italien allgegenwärtige Verkehr.
Dem Kurvenvergnügen der knapp 30 Teilnehmer stand somit nichts im Wege. Außer gelegentliche Stopps an neuralgischen Stellen, um auf deren Eignung als Prüfstein für bestimmte Kriterien hinzuweisen. Dort erklärten die MOTORRAD-Testfahrer Georg Jelicic, Karsten Schwers und Mini Koch (einer der drei ist bei jedem Test dabei), warum gerade diese Streckenabschnitte besonders gut geeignet sind, um bestimmte Eigenschaften zu überprüfen. Aber das hatte das qualifizierte Publikum zumeist ohnehin schon längst gemerkt.
Trotzdem: Auch die Fachleute staunten bisweilen nicht schlecht. Zum Beispiel wenn die Tester bei aberwitzigem Tempo auf fünftklassigem Geläuf die Kickback-
neigung überprüften oder zu zweit auf eben dieser Strecke bei aufsteigendem Hinterrad die Bremsstabilität ins Visier nahmen. Dann trauten sich nur wenige, selber mitzumachen. Wie Uli Bonsels von Triumph, der sich tapfer auf den Sozius-
höcker der Kawasaki ZX-10R schwang, um das Gefühl am eigenen Leib zu erfahren.
Gesprächsstoff gab es also genug,
als am Abend bei herrlichem Blick über den Bodensee das Erlebte noch einmal in allen Facetten beleuchtet wurde. Noch mehr sollte alle Teilnehmer beeindrucken, was die Testmannschaft am nächsten Tag im Top-Test-Parcours vorführte. Egal, ob langsamer oder schneller Slalom, ob Kreisbahn oder Bremsmessung: Die Präzision, mit der die Tester die Übungen auf die Zehntelsekunde und den Zentimeter genau absolvierten, ließ die anwesenden Profis anerkennend mit dem Kopf nicken. Vor
allem, nachdem diese sich selbst im
Slalomfahren übten und nicht nur über
das vorgelegte Tempo, sondern auch über
die Aussagekraft der Übungen staunten, welche die auf der Testrunde gesammel-
ten Eindrücke trefflich unterstützten. Kein Wunder, dass so mancher anwesende
Ingenieur über die Ausweitung des haus-
eigenen Testprozederes nachdachte.
Ebenfalls kein Wunder war, dass
MOTORRAD für den Aufwand, mit dem man jeder Maschine zu Leibe rückt, ausdrücklich gelobt wurde. Weil Produkte, die mit viel Engagement entwickelt werden, Anrecht auf eine ebenso akribische
Beurteilung haben. Und die da waren sich die versammelten Fachleute einig sei mit dem MOTORRAD-Testverfahren gewährleistet. Gewusst wie, eben!