Spezial-Kraftstoff von Shell

Spezial-Kraftstoff von Shell V-Power

Unabhängig vom Motorenkonzept propagiert Shell allein durch den neuen, V-Power genannten Wunderkraftstoff eine Leistungssteigerung von bis zu zehn Prozent.

V-Power Bilski

Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die sich nicht erklären lassen und Wunder wirken. Und andere, deren Vorteile trotz plausibler Erklärung im Nichts verpuffen. Offensiv hat Shell vor kurzem seinen neuen Wunderkraftstoff
V-Power lanciert, der aufgrund seiner
chemischen Eigenschaften Leistungsvorteile gegenüber gewöhnlichen Kraftstoffen bringen soll. Ob der Energy-Drink in der Praxis aber tatsächlich Flügel verleiht, gilt es erst einmal zu klären.
Die Oktanzahl (siehe Kasten rechte Seite), ein Maß für die Klopffestigkeit von Benzin, beträgt bei V-Power 100. Damit liegt sie über jener der anderen Benzinsorten auf dem Markt. Zusätzlich soll bei dem neuen Shell-Kraftstoff ein Reibungsverminderer die Beschleunigungs- und Leistungswerte verbessern. Einschränkend erklärt der Mineralölkonzern jedoch, dass sich das Potenzial des Powersprits speziell in modernen Motoren mit so
genannten Klopfsensoren besser entfaltet und mehr Energie in Antriebskraft umsetzt. Diese Sensoren erkennen die Neigung zu unkontrollierter Verbrennung und melden sie an das Motormanagement, das den Zündzeitpunkt an der Klopfgrenze entlangregelt, was sich entsprechend auf die Leistung auswirkt. Bei Flottentests im praktischen Fahrbetrieb wollen die Entwickler von Shell mit V-Power, je nach Motortyp, bis zu zehn Prozent mehr
Leistung und fünf Prozent mehr Dreh-
moment im Vergleich zu normalem Super festgestellt haben.
Bei Motorradmotoren stellt die Klopfregelung jedoch die Ausnahme dar. Die meisten modernen Zweiradtriebwerke besitzen in der Regel erheblich kleinere
Zylindereinheiten mit entsprechend kompakten Brennräumen und haben mit unkontrollierter Verbrennung deshalb weit weniger Probleme als Automotoren. Ein Indiz dafür ist der vom Hersteller vorgeschriebene Kraftstoff. Während die japanischen Motorradfirmen ihren Hochleistungsvierzylindern mit Verdichtungen bis 12:1 Normalbenzin zugestehen, benötigen die meisten Pkw trotz weit geringerer
Verdichtung fast durchweg Super. Bringt V-Power denn dann überhaupt etwas bei Zweiradmotoren?
Zur Klärung dieser Frage schickte MOTORRAD mehrere Probanden mit ganz unterschiedlichen Antrieben auf den Prüfstand:
O Als Vertreter altehrwürdiger Motorentechnik trat eine Moto Guzzi Le Mans Rosso Corsa zum Test an, deren Triebwerkskonstruktion auf die 70er Jahre zurückgeht. Ihre halbkugelförmigen Brennräume mit zwei Ventilen pro Zylinder und somit dezentraler Lage der Zündkerze bieten keineswegs ideale Bedingungen für eine optimale Verbrennung.
O Modernen Motorenbau repräsentiert die Harley-Davidson V-Rod, deren Vierventiler mit zentraler Zündkerze über zeitgemäße Dachbrennräume verfügt.
O Solche besitzt auch die Dritte im Bunde, allerdings in kleinerem Format. Mit einer spezifischen Leistung von über 180 PS pro Liter vertritt die Yamaha YZF-R6 mit 600er-Reihenvierzylinder die Fraktion der absoluten Hochleistungssportler.
Für reproduzierbare Ergebnisse muss-
ten die Motoren aufwendige Messreihen auf dem Leistungsprüfstand – zuerst mit dem vorgeschriebenen Sprit, anschließend mit V-Power – über sich ergehen lassen. Doch die Resultate bestätigten die viel versprechenden Prognosen von Shell nicht (siehe Diagramme). Allein die R6 zeigte mit dem Zaubertrank einen
marginalen Muskelzuwachs im oberen
Drehzahlbereich, der sich aber innerhalb
der Messtoleranz bewegt. In bestimmten
Fällen kann das 100-oktanige Benzin aber seine unbestreitbaren Qualitäten durchaus ausspielen, wie zwei weitere Bei-
spiele zeigten. Die von der Firma Wüdo auf Trab gebrachte BMW Drago (siehe MOTORRAD 15/2003) neigte im unteren Drehzahlbereich bei Volllast zum Klingeln.
Nach dem Betanken mit V-Power verstummten die Klopfzeichen. Auch beim Motocross-Veteran Yamaha HL 500 von Redakteur Gert Thöle kurierte Shell
V-Power das materialmordende Klingeln.
Bleibt als Resümee: Für moderne Zweiradmotoren lohnt sich der finanzielle Mehraufwand des gegenüber Normalbenzin glatte 15 Cent teureren Safts nicht. Bei getunten oder älteren Motorrädern mit ungünstiger Brennraumform kann V-
Power dagegen Motorenleben retten.

Oktanzahl

Die Oktanzahl bezeichnet die Klopffestig-keit eines Ottokraftstoffs: je höher, desto klopffester. Zur Bestimmung der Oktanzahl gibt es zwei Verfahren, die Research- und die Motor-Methode. Die an den Tankstellen angegebenen Werte beziehen sich auf die Research-Oktanzahl ROZ, die als maßgeblich für das Beschleunigungsklopfen gilt. Dabei gibt der Oktanwert bis 100 an, wie viel Volumenprozent des äußerst klopffesten Iso-Oktan sich in einem Gemisch aus klopffreudigem n-Heptan befinden. Zeigt dieses Gemisch in einem Prüfmotor das gleiche Klopfverhalten wie der Kraftstoff aus der Zapfsäule, wird danach dessen Oktanzahl festgelegt. Dem Iso-Oktan sind dabei 100 ROZ zugeordnet, dem n-Heptan 0.

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