Technik: Honda CBR 600 F und Yamaha YZF-R6

Technik: Honda CBR 600 F und Yamaha YZF-R6 Doppelkopf

Ein Kopf-an-Kopf-Rennen, dessen Ausgang auf dem Feld der Technik vorentschieden wird: Mit neuen Modellen melden Honda und Yamaha zeitgleich den Führungsanspruch in der Klasse der sportlichen 600er an.

Nichts ist so alt wie die Supersport-600er von gestern. Der erbitterte Streit um sportlichen Lorbeer auf der Rennstrecke und um die Gunst des Kunden an der Ladentheke hat zu einem technischen Klassenkampf geführt, der unablässig neue Highlights hervorbringt. Nachdem zuletzt Kawasaki mit der ZX-6R und Suzuki mit der GSX-R 600 die Maßstäbe gesetzt haben, schlagen nun Honda mit der CBR 600 F und Yamaha mit der YZF-R6 gezielt zurück. Wobei die konstruktive Marschrichtung in beiden Fällen lautete: sehr viel Leistung bei sehr wenig Gewicht.
Leicht gesagt, schwer getan, denn in beiden Kriterien hat die Konkurrenz mittlerweile die Meßlatte in schwindelnder Höhe aufgelegt. »Modellkosmetik stand von Anfang an gar nicht zur Diskussion, entstehen sollte ein gänzlich neues Modell...« verrät denn auch der Honda-Pressetext. Als Beweis präsentiert die CBR 600 F einen komplett neuen Motor, bei dessen Konstruktion zwei Schwerpunkte gesetzt wurden: Reduzierung von Gewicht und Reibung, Maximierung des Gemischdurchsatzes.
Das Resultat dieser Bemühungen liefert auf den ersten Blick kein Aha-Erlebnis. In seinen äußeren Abmessungen ist das neue Treibwerk nur minimal geschrumpft, von der Seite betrachtet ist sein Umriß weitgehend deckungsgleich mit dem des Vorgängers, am mittlerweile eher konservativ zu nennenden Layout hat sich nichts geändert. Die Unterschiede zwischen alt und neu liegen im verborgenen: Reduzierte Hubzapfendurchmesser, Metal-Composite-Zylinder und beschichtete Kolben dienen der Reibungsminderung, die Verkürzung des Hubs erhöht die Drehzahlverträglichkeit, engere Ventilwinkel ermöglichen strömungsgünstigere Kanalführungen und kompaktere Brennräume im Zylinderkopf. Ganz nebenbei resultiert ein zurückhaltender Materialeinsatz in einer Gewichtseinsparung von drei Kilogramm.
An der Peripherie des neuen CBR-Vierzylinders sorgt ein komplexes »Direkt Air Induction System« für die kontrollierte Versorgung der über dem Motor gelegenen Airbox mit ausreichenden Mengen kühler, dichter Luft. Von einer Leistungssteigerung durch Staudruck«aufladung« ist in diesem Zusammenhang bei Honda seriöserweise nicht die Rede. Abgasseitig kümmert sich ein Sekundärluftsystem um die Nachverbrennung von Schadstoffen, so daß die Euro-1-Abgasnorm problemlos gemeistert wird.
110 PS bei 12500/min und 67 Newtonmeter bei vergleichweise zivilen 10500/min verspricht Honda für den neuen CBR 600-Vierer - das sind respektable, nicht aber rekordverdächtige Werte.
Für die fühlt sich Yamaha mit dem YZF-R6-Triebwerk zuständig. Nicht weniger als 120 PS bei 12 500/min soll der Reihenvierzylinder auf die Beine stellen - was nichts anderes bedeutet, als daß damit erstmals mit einem Serienviertakter eine Literleistung von 200 PS erreicht wäre. Nicht weniger bemerkenswert ist das Drehzahlmaximum des R6-Motors: 15 500/min - dabei sausen die Kolben mit der rasanten Geschwindigkeit von durchschnittlich 23 Metern pro Sekunde durch die Zylinderbohrungen.
Dieses hohe Niveau resultiert aus den Grundabmessungen des R6ers, die sich mit 65,5 Millimetern Bohrung bei 44,5 Millimetern Hub zwar ausgeprägt, aber nicht extrem überquadratisch darstellen. Zur Beherrschung des beispiellos hohen Drehzahlniveaus hat Yamaha die üblichen Register gezogen: eine in den Motorblock integrierte Zylinderbank mit beschichteten Laufflächen, geschmiedete Kolben, hochfeste Pleuel, einen Ventiltrieb mit hauchdünnen Tassenstößeln und Federn aus besonders widerstandfähigem Werkstoff tragen Sorge, daß ungeachtet des hektischen Treibens jedes Bauteil an seinem angestammten Platz bleibt.
Auch beim R6-Motor sorgt ein sehr enger Ventilwinkel für strömungsgünstig gerade Kanalführungen zu den Brennräumen, desweiteren sorgt eine Zwangsbeatmung mit Lufteintrittsöffnung in der Verkleidungsnase für perfekte Frischluftzufuhr zum Luftfilterkasten. Für das Timing der Verbrennungsabläufe ist eine digitale Kennfeld-Elektronik zuständig, die zündenden Funken liefern einzelne, in die Kerzenstecker integrierte Zündspulen.
Hochmoderne, aber nicht innovative Technik bis hierhin. Daß der R6-Antrieb gleichwohl eine Ausnahmestellung einnimmt, ist dem Gesamtlayout des Motor-Getriebe-Blocks zuzuschreiben: Der glänzt - nach R1-Vorbild - durch eine außergewöhnliche Raumökonomie. Unter der Überschrift »Tri-axis transmission« wurden Ein- und Ausgangswelle des Getriebes übereinandergelegt und in so dichter Dreiecksformation zur Kurbelwelle angeordnet, daß Yamaha mit berechtigtem Stolz vom kompaktesten und kürzesten Triebwerk der 600er Klasse sprechen kann.
Womit unmittelbar der Bogen zum Fahrwerk geschlagen wäre: Die reduzierten Abmessungen der Antriebseinheit gab den Yamaha-Konstrukteuren die Möglichkeit, den Radstand auf Rekordniveau zu kürzen und trotzdem über eine lange Schwinge die gewünschte kopflastige Gewichtsverteilung zu realisieren.
Ob die Kollegen von Honda den kürzeren gezogen haben, weil die neue CBR auf zehn Millimeter längerem Radstand daherkommt, ist an dieser Stelle nicht zu entscheiden. Sicher ist hingegen, daß sie auf dem Gebiet der Gewichtseinsparung ihre Hausaufgaben gemacht haben. Das neue Aluminium-Fahrwerk, das Motorblock und Brückenrahmen zur Schwingenlagerung heranzieht, ist sieben Kilogramm leichter geraten als das stählerne Pendant des Vormodells und trägt entscheidend zum kolportierten Trockengewicht der Maschine von 170 Kilogramm bei.
Auch Yamaha kam beim R6-Fahrwerk nicht am Werkstoff Aluminium vorbei - und landete mit 169 Kilogramm bei einem annähernd identischen Gewichtsresultat. Was zu einer Reihe von Übereinstimmungen zwischen den beiden Kontrahentinnen führt: Hier wie dort unterstützt der Motor den Brückenrahmen in seiner tragenden Funktion, in beiden Fällen ist das Rahmenheck angeschraubt, kann also zum Renneinsatz durch eine filgranere Konstruktion ersetzt werden.
Auch bei den Extremitäten herrscht weitgehende Einigkeit: 120er und 180er Reifen, konventionelle Telegabeln mit 43er Standrohren und Zentralfederbeine mit Ausgleichbehälter - jeweils rundum einstellbar -, Vierkolbenbremszangen, Bremsscheiben mit knapp 300 Millimeter Durchmesser markieren bei Honda und Yamaha einträchtig den Stand der Technik.
Was die beiden High-Tech-Sportler nicht daran hindert, sich ganz unterschiedlich in Szene zu setzen. Die CBR sucht ihr Glück in bewährter Manier als Allrounder, die R6 outet sich im Windschatten der R1 als kompromißloses Renntier - was keine Rückschlüsse darauf zuläßt, wer im Wettkampf der Konzepte die Nase vorn haben wird.

Zur Startseite
Honda CBR 600 F
Artikel 0 Tests 0 Videos 0 Markt 0
Alles über Honda CBR 600 F