Traupel-V2

Traupel-V2 V-Mann

Rainer Traupel hatte schon immer eine innige Beziehung zu großvolumigen V-Motoren.

Mit 18 Jahren sammelte der Hamburger, Jahrgang 1952, auf einer Horex Regina seine ersten Zweiraderfahrungen. Schon bald folgte eine Engländerin, eine BSA, und damit fing eigentlich alles an. Rainer Traupel modifizierte das Triebwerk der englischen Lady, um dessen Standfestigkeit zu verbessern und unterzog weitere BSA-Motoren aus seiner Motorradclique seiner Kur. Die Wirksamkeit der Änderungen sprach sich schnell herum und brachte Rainer Traupel nicht nur im Freundeskreis den Ruf des Spezialisten ein. 1990 machte der Kraftfahrzeugmechaniker sein Hobby endgültig zum Beruf und gründete in der Nähe von Hamburg einen Betrieb zur Motoreninstandsetzung. In dem überholt er, mittlerweile als Kraftfahrzeugmeister, in erster Linie Motorradmotoren, bevorzugt die der Marke BSA.
Die Vorliebe für englische Motorräder beeinflußte auch seinen Plan, seine ganz konkreten Vorstellungen von einem Motorrad in die Realität umzusetzen. Ein großer Sporttourer im Stil einer Brough Superior oder Vincent mit moderner Technik schwebte ihm bei seinem Eigenbau vor. Ein Zweizylinder mit viel Hubraum für kräftigen Antritt bei niedrigen Drehzahlen und rund 100 PS schien ihm die ideale Antriebsquelle.
Die Idee, bereits 1983 entstanden, manifestierte sich 1986 in ersten Zeichnungen. In Ermangelung konkreter Vorbilder - die V2 aus Milwaukee oder deren japanische Nachahmer waren für Rainer Traupel kein Thema - galt es, die konstruktiven Daten festzulegen. Als bester Kompromiß aus Bauraum, Kühlung und Massenausgleich ergab sich ein Zylinderwinkel von 60 Grad. Beim Hubraum legte sich der Konstrukteur auf ein maximales Zylindervolumen von 600 cm³ fest. Nach diesen grundsätzlichen Überlegungen begann Traupel die Konstruktion von der Kurbelwelle ausgehend. Nach Anfertigung der Formen konnten die ersten Kurbelgehäuse gegossen und die Kurbelwelle gefertigt werden. Anschließendes Brainstorming löste auch das Problem des Antriebs der beiden obenliegenden Nockenwellen pro Zylinder. Die aufwendige Fertigung von Zylinderköpfen sparte sich der Erbauer. Modifizierte Teile aus Jawas Bahnmotoren bildeten den krönenden Abschluß. Das Getriebe konstruierte und fertigte Rainer Traupel als separates Bauteil dagegen wieder selbst. Beim Fahrwerk bediente er sich verschiedener Bauteile älterer Motorräder. Der Rahmen, eine modifizierte Doppelschleife von BSA, gab dem Fahrzeug erst seine Identität und somit die Möglichkeit der Zulassung. Im Kfz-Schein ist unter Hersteller BSA mit Eigenbaumotor eingetragen. Eine Marzocchi- Gabel, Naben und Bremsscheiben von Kawasaki mit Sätteln von Brembo und Federbeine von Hagon ergänzten das Fahrwerk.
Am 15. Januar 1996 kam dann der große Augenblick: Nach anfänglichen Problemen mit den Dellortos lief der Motor höchst zufriedenstellend. Auch der erste Termin beim TÜV bereitete wenig Kopfzerbrechen, da das gesamte Projekt von Anfang in ständiger Kooperation verlief. Der Leistungsprüfstand attestierte Rainer Traupel saubere Arbeit. So standen ohne größere Abstimmungsarbeiten 93 PS am Hinterrad, an der Kurbelwelle also deutlich mehr als 100 an.
Bei den ersten Probefahrten überraschte den Konstrukteur zum einen die Laufruhe des Triebwerks, zum anderen die geringen Öltemperaturen des luftgekühlten Zweizylinders. Der zusätzlich montierte Ölkühler erwies sich als überflüssig.
Von der Leistungsbereitschaft des V2 konnte sich MOTORRAD bei Testfahrten überzeugen. Schon aus niedrigen Drehzahlen zieht der Motor wie der sprichwörtliche Ochse an der Kette und legt bei 4500 Umdrehungen noch mal zu. Bereits knapp unter 6000/min steht der Leistungszenit an, bei 7000 ist das Drehzahllimit erreicht. Die Vibrationen sind in allen Drehzahlbereichen für einen 60-Grad-V-Motor verblüffend gering. Auf Landstraßen ist der Fahrer selbst im letzten Gang jederzeit souverän unterwegs und kommt bei Überholmanövern fast ohne Schaltvorgänge aus. Nicht ganz so souverän reagiert das Fahrwerk. Zwar verblüfft es trotz 154 Zentimeter Radstand und 250 Kilogramm Gewicht dank der sinnvollen Reifendimensionierung mit erstaunlicher Handlichkeit, beginnt aber in schnellen, welligen Kurven leicht zu rühren. Und bei der vorderen Bremse wird deutlich, daß es heutzutage wesentlich wirkungsvollere Stopper gibt.
Insgesamt bewiesen die ersten Testfahrten jedoch eindrucksvoll, daß das Konzept des V-Spezialisten Sinn macht. Auch auf Ausstellungen weckte die Traupel-V2 reges Interesse. Deshalb denkt der Erbauer über eine Kleinserie nach, wobei der Preis von 25 000 Mark für den Motor beziehungsweise 50 000 Mark für das komplette Motorrad erst einmal bezahlt sein will. Doch darunter läuft bei einer Kleinserie einfach nichts, selbst ohne Berücksichtigung der bis heute in das Projekt investierten 3500 Arbeitsstunden.
Mit seiner V2 zeigt Rainer Traupel jedenfalls eine echte Marktlücke auf, in die die japanischen Hersteller spätestens dann hineinstoßen werden, wenn sie erkannt haben, daß sich ein großvolumiger V2 nich nur für Chopper oder neuerdings für Sportmotorräder eignet, sondern der ideale Antrieb für einen unverkleideten Tourensportler ist.

Die Technik des Traupel-V2

Drei Maximen diktieren Rainer Traupels Konstruktion. Einerseits soll jedes Teil austauschbar sein, ohne daß ganze Baugruppen ersetzt werden müssen. Andererseits müssen alle Teile ohne Demontage des gesamten Motorrads getauscht werden können. Drittens legt er Wert auf eine robuste, langlebige Konstruktion. Exemplarisch stehen dafür Kurbelwelle und Kurbelgehäuse. Die kräftig dimensionierte Welle ist aus einzelnen Teilen verschraubt. Über dem Hubzapfen sitzt ein Laufring für die Pleuellager, und nur der muß bei Verschleiß zusammen mit den Pleuellagern erneuert werden. Verblüffend, aber wahr: Der Austausch der Kurbelwelle ist bei eingebautem Motor möglich. Dazu ist das Kurbelgehäuse als Tunnelkonstruktion mit zwei seitlichen Schildern zur Aufnahme der Wälzlager aufgebaut. Nach Demontage der Pleuel durch einen Deckel in der Unterseite des Kurbelgehäuses kann die Kurbelwelle seitlich herausgenommen werden, der restliche Motor bleibt im Fahrwerk. Die Kolben legen in den Zylindern mit 92 Millimeter Bohrung 90 Millimeter Hub zurück. Interessant ist auch der zweistufige Nockenwellenantrieb aufgebaut. Ein Ritzel auf der Kurbelwelle treibt über Kette zwei unterhalb der Zylinder liegende Zwischenwellen sowie die Ölpumpe unter dem charakteristisch geformten Seitendeckel an. Um Baubreite zu sparen, sitzen auf den Zwischenwellen zum Zylinder hin versetzte Zahnriemenscheiben, die über Zahnriemen die beiden obenliegenden Nockenwellen pro Zylinder in Rotation versetzen. Die Zylinderköpfe des Jawa-Bahnrennmotors überarbeitete Rainer Traupel fachgerecht und verwendet sogar die originalen wälzgelagerten Nockenwellen. Die betätigen über Tassenstößel die vier Ventile pro Zylinder. Die Gemischaufbereitung erfolgt momentan noch über zwei Dellorto-Rundschiebervergaser, langfristig ist eine Einspritzung geplant. Nach klassisch englischem Vorbild wählte Rainer Traupel eine aufwendige Trockensumpfschmierung. Die geringe Bauhöhe einerseits und die zusätzliche Kühlung des Öls andererseits gaben dazu den Ausschlag. Die Mehrscheiben-Kupplung entstand bis auf die Kawasaki-Nabe in Eigenregie. Der Primärantrieb beteht aus einem wartungsarmen Zahnriemen. Im selbstgefertigten Getriebegehäuse dreht sich der Radsatz einer Kawawsaki GPZ 1100. Beim Fahrwerk griff Rainer Traupel allerdings auf weniger exklusive Teile zurück. Doch der hohe finanzielle und zeitliche Aufwand setzte hier Grenzen. Bei einer Kleinserienfertigung können jedoch individuelle Kundenwünsche jeder Art berücksichtigt werden.

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