Tuner-GP Teil II

Tuner-GP Teil II Volle Brause

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Der zweite Teil des beliebten Tuner-Wettstreits in Hockenheim. Keine Limits. Immer weiter, Vollgas. Alles geht. Und wie. Die Welt knapp vor und auch über der 200-PS-Marke als Normalzustand. Die großen Jungs sind dran. Rundenzeiten? Gibt es auch. Alle und erschöpfend.

Volle Brause

Biker Box Kawasaki ZX-RR

Sie schiebt und schiebt und schiebt! Welche Pracht, welche Macht! Einbiegen in die Parabolika, den Dritten ausdrehen, den Vierten ausdrehen, den Fünften ausdrehen. Eine kleine 600er wird aufgeschnupft, verglüht regelrecht im Abgasstrahl der ZX-RR. Die Nadel des Drehzahlmessers steht wieder im roten Bereich, der Schaltblitz flackert nervös. Den Sechsten nachschieben, und weiter geht’s. Schon kommt die Spitzkehre in Sicht, noch kurz stehen lassen und möglichst knapp vor den links beginnenden Curbs den Anker werfen. Juhu, das Getriebe wieder durchsteppen von sechs nach eins, umlegen und den Hahn wieder öffnen – geil! Es soll ja Racer geben, die es dämlich finden, dass auf die schnellste Stelle des Hockenheimer Kurses – die Parabolika – die langsamste, also die Spitzkehre folgt. Auf der ZX-RR aus der Biker Box ist das wurscht: In der Parabolika ist man mit ihr einer der Schnellsten, auf der Bremse schwer zu biegen und beim Spurt aus der Spitzkehre Richtung schneller Rechtsknick der Wheelie-King.

Das Schöne am PS-Tuner-GP ist, dass die Autoren und Tester jedes Jahr neuen Tunern und ihren Projekten begegnen. Die Biker-Box-Kawasaki, Schrauber wie Fahrzeug dem Autor gänzlich unbekannt, sorgte für große Neugier und eine gehörige Portion Skepsis. Diese verfliegt aber bereits in der ersten, gemütlichen Runde, denn die ZX verströmt ihr schnell machendes Vertrauen sofort mit dem Aufsitzen. Ohne Übertreibung: Diese Zehner ist die beste, auf der sich des Autors vier Buchstaben je betten durften – Glückwunsch und Dank an den Erbauer Sepp Buchner.

Ein Blick in Sepps Biografie erklärt, woher die Hingabe und Erfahrung des Bayern kommt: Eigentlich schon immer vom grünen Kawa-Virus infiziert, betrieb er bereits von 1995 bis 1998 ein eigenes Supersport-Team in der Deutschen Meisterschaft – natürlich mit Kawa. 2003 heuerte er beim WM-Team von Harald Eckl an und war dort für die Motoren von Supersport-WM-Pilot Fabian Foret zuständig. 2004 erfolgte der Wechsel in den MotoGP, wo er von 2004 bis 2006 Shinya Nakano als Mechaniker betreute.

Seit Anfang des Jahres ist er wieder in seinem eigenen Laden in Feichten am Werkeln und baute extra für den PS-Tuner-GP diese exquisite Bombe auf. Mit 204 PS an der Kurbelwelle wird die Zehner nur von Kainzingers GSX-R überflügelt. Diese allerdings schöpft ihre Power aus 1150 Kubik. Wirklich beeindruckend wird die Kawa, wenn die Zahlen in Relation gebracht werden: 188 PS am Hinterrad beflügeln 179 Kilogramm. Ein Leistungsgewicht von 0,95 Kilo/PS ist Feuer pur, selbst wenn da noch ein Pilot mit eingerechnet werden muss. Entfacht wird es von einem stramm überarbeiteten Motor, der hauptsächlich im Zylinderkopf- und Ansaugtraktbereich optimiert wurde. Eine Kit-Einlassnockenwelle sowie überarbeitete Einlasskanäle lassen mehr Frischgas in die Brennräume strömen, wo die Mischung auf 14,2:1 verdichtet wird. Ihr Luftanteil wurde davor in der vergrößerten Airbox gereinigt, mittels selbst angefertigter Ansaugtrichter durch die originalen Drosselklappenkörper gezogen und dort von der programmierbaren Kit-ECU mit der richtigen Menge Sprit zu einem optimalen Gemisch aufbereitet. Die standesgemäße Abgasentsorgung erfolgt über eine Akrapovic-Komplettanlage.

Zahlreiche kleinere Überarbeitungen machen die kleine Bikerbox Ninja zur Rennsemmel erster Güte.

Wer mit über 180 km/h und erhobenem Vorderrad auf die Sachskurve zustürmt, muss sich auf Fahrwerk und Bremsen ebenso bedingungslos verlassen können wie auf seinen Motor. Die Biker Box-ZX verwöhnt ihren Piloten auch fahrwerksseitig. Sehr wichtig bei dem ungeheuren Antrieb ist das Gefühl fürs Hinterrad. Glasklar und transparent rapportiert es an das Popometer, liefert Grip und Feedback auf allerhöchstem Niveau. Auch harte Bremspassagen wie eben vor der Sachskurve meistert es sehr gut. Allerdings gelingt es der überarbeiteten Seriengabel nicht ganz so direkt und berechenbar wie der Hinterhand, über Grip oder Nicht-Grip zu berichten. Die Front agiert zwar auf hohem Niveau, erreicht aber die meisterlich unverfälschte Art des Hecks nicht ganz. Ebenso fällt auf, dass nach mehreren scharfen Runden die Dämpfung insgesamt nachlässt, die feingetunten Serienteile an ihr Limit geraten. Dieses Nachlassen ändert aber nichts an der tollen Balance der Kawa, die zwar nicht fahrradmäßig, aber immer noch sehr handlich, vor allem aber sehr direkt und stabil abbiegt und um die Kurve düst. Auf 16,5-Zoll-Magnesiumrädern natürlich, die, woher auch sonst, von JB Power Magtan und direkt aus dem MotoGP stammen.

Geschmackssache ist die Vorderradbremse. Auch hier fehlt das brachiale Zupacken einer Triumph 675 oder Ducati 1098. Die Brembo-Radialpumpe liefert einen weniger aggressiven Biss bei etwas mehr Hebelweg, ist dafür aber sämig zu dosieren und ermöglicht konstante, standfeste Verzögerung. nsgesamt ist die ZX-RR ein sehr gelungenes Motorrad und für den Autor eines der Highlights des PS-Tuner-GP 2007.


Messung:
Was soll man dazu noch sagen?
Von dem Knick bei 10000/min
merkt man wirklich nix.

GEWICHT179 kg
vorn/hinten:52,6/47,4%
PREIS (Umbau):13400 Euro

BIKE Shop Kawasaki ZX-6R

Einfach den Hahn aufreißen und ab die Post. Das ist so ziemlich das schönste Gefühl, das einem ein Motorrad geben kann. Kein Stress von wegen Highsider, kein Schockerlebnis auf der Bremse, kein Zappeln im Gebälk. Aber was tun, wenn die Kosten für ein Renneisen in einem erträglichen Rahmen bleiben sollen?

Bike Shop Lüchow weiß Rat. Inspiriert durch deren GEC-Teilnahme heißt das: ein Serienmotorrad im Race-Trimm. Von Haus aus ist die Kawa schon mit sehr guten Federelementen ausgestattet, dennoch hat sie der Tuner überarbeitetet. Für ein Maximum an Performance gab es eine Leo-Vince-Anlage, einen Powercommander, Race-Luftfilter, LSL-Lenkungsdämpfer und -Stummel sowie andere Hebeleien an Bremse und Kupplung. Der Rest ist weitestgehend Kür für Gewicht, Optik und Wohlgefühl, etwa die optionalen Carbonteile, Blinker und die Rastenanlage von Lightech.

Wie das funktioniert! Gleich hinter der Spitzkehre liegt das Motorrad-Paradies: Im zweiten Gang bei nötig hohen Drehzahlen noch in Schräglage ohne Skrupel den Drehgriff sofort auf Anschlag, und die ZX-6R stürmt mit infernalischem 600er-Gebrüll und leichtem Vorderrad Richtung Mercedes-Tribüne. Nach dem schnellen Rechtsknick wartet dort ein weiteres Sahnestück. Denn dank der geänderten Geometrie im Zuge der Fahrwerksoptimierung gibt sich die Bike-Shop-Kawa wesentlich vorderradorientierter als die Serie. Damit schnalzt der grüne Brenner so vehement unter Zug um die 90-Grad-Links, dass es einem Freudentränen in die Augen treibt. Sauber umgelegt auf rechts geht’s mit sattem Vortrieb weiter. Stabil liegt die Kawa in der Sachskurve; was soll man sagen: Die Dämpfung passt einfach. IDM-Kawa-Supersportler Sebastian Diss hat dieses Bike sauber abgestimmt, das Vertrauen in Hinter- und Vorderhand scheint grenzenlos – die nötige Härte hier, die erforderliche Dämpfung dort, glasklares Feedback. Bestes Beispiel: das Bremsverhalten. Stur auf Linie lässt sich die Kawa gewaltig scharf verzögern. Gerade für den, der nicht ständig Supersportler auf einer Rennstrecke ausquetscht, ist es kaum fassbar. Der Druckpunkt ist verlässlich, wenn Karsten Bartschat nicht an der Fernbedienung fummelt – als Clou ist der Druckpunkt nämlich per Knopfdruck aus der Handfläche verstellbar (249 Euro Gimmick-Aufpreis). Die Dosierbarkeit passt ebenfalls. Die Bremse ist super leichtgängig, nicht zuletzt wegen der nachpolierten Kolben. Dagegen stinkt die Serie gnadenlos ab.

Die Lohmann ZZR ist kein leichter aber extrem starker Dampfer.

Der Vergleich zur Serie ist auch bei der Motorperformance aufschlussreich: Gemäß dem Anspruch an ein seriennahes Tuning fällt der Leistungsgewinn bei der Lüchow-Kawa eher moderat aus. Verglichen mit dem Test-Bike aus PS 8/07 bringt sie gerade mal knapp vier Mehr-PS. Auch die Leistungsentwicklung gleicht fast dem Laden-Motorrad – unter 10000/min braucht man erst gar nicht anzufangen. Aber das ist das Geheimnis einer 600er: drehen, drehen, drehen, und das ohne Rücksicht auf Verluste, dazu ein beherzter Stepptanz auf einem gut funktionierenden Getriebe. Das stresst nicht, macht entspannt Spaß und öffnet die Pforten zum Paradies, das da ausgebreitet aus Asphalt vor uns liegt. Leistungsfetischisten mögen jetzt widersprechen – ist mir egal!


Messung:
Der Motor erzeugt prima abrufbaren, linearen Druck, wie sich das für eine richtige 600er gehört.


GEWICHT189,1 kg
vorn/hinten:52,6/47,4%
PREIS:14700 Euro


MCT Lohmann Kawasaki ZZR 1400

Das hätte er nicht tun sollen. Panik steht dem GSX-R-1000 Fahrer im Gesicht, als er sich eingangs der Parabolika umdreht und in die riesige Vieraugen-Front der ZZR 1400 blickt. Mit der Ruhe eines Supertankers schiebt sie in ihrer Bugwelle den Suzuki-Sportler vor sich her. Erhabene 150 Nm Drehmoment und 194 PS erzeugen Gelassenheit. Michael Lohmann hat sich der Optimierung dieses Flaggschiffs angenommen. Eine erleichterte Kurbelwelle, Entfall beider Ausgleichswellen, leicht erhöhte Verdichtung und einige andere Dinge sorgen für die Extrapower. Nur leicht hinter die Touringscheibe geduckt hat der Kapitän dem Maschinenraum vollen Schub befohlen. Per MCT-Quickshift-System wählt er ohne Druck-verlust immer höhere Gangstufen aus. Für maximalen Schaltkomfort sind die Klauen der Getrieberäder um einige Grad hinterschliffen.

Der Gixxer-Treiber hat keine Chance gegen das große Herz der ZZR. Fast aufrecht sitzend beobachtet der Kapitän, wie die eigentlich gut im Futter stehende 1000er linker Hand aus den Augenwinkeln verschwindet.

Das Leben könnte so schön sein, wäre da nicht die unglaublich langsame Kehre am Ende der Parabolika. Kein Geschenk für die mit Braking-Scheiben ausgerüstete Bremsanlage: Knapp 250 Kilogramm vollgetankt schieben nachhaltig. Da hilft es auch nix, dass die Dicke im Vergleich zur Serie zehn Kilo abgespeckt hat. Nach einigen scharf gefahrenen Runden wandert der Druckpunkt der Bremse deutlich spürbar. Die bissigen Scheiben haben die Zubehör-Bremsbeläge wortwörtlich aufgefressen. Eine Umrüstung auf Originalbeläge bringt Besserung und hält den Druckpunkt stabiler. Das serienmäßige ABS ließ sich selbst bei dieser Fahrweise nicht zum Auslösen bringen.

Hat der Dampfer die Kehre dann umschifft, lässt er sich erstaunlich leicht durch das folgende Geschlängel dirigieren. Auch wenn die ZZR naturgemäß nicht so knackig wie ein Supersportler agiert, liefert das gut ausbalancierte Öhlins-Fahrwerk klares Feedback und bereitet mächtig Spaß beim Ärgern des nächsten Supersportlers. Unvorsichtige Vertreter dieser Gattung schauen schneller in die beiden unters Heck verlegten Motacc-Auspufftöpfe, als ihnen lieb ist. Merke: Der Dampfhammer lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und folgt gutmütig der gewählten Linie.

Die Lohmann-ZZR kann Rasen und Reisen.

Beim Kuppeln fallen die extrem niedrigen Handkräfte auf. Verantwortlich dafür ist ein von MCT entwickeltes Clutch-by-wire-System, bei dem der Kupplungshebel nur ein elektrisches Signal an eine ausgeklügelte Hydraulik weitergibt.

Brutales Anbremsen auf der letzten Rille und gleichzeitiges Runtersteppen der Gänge mit Zwischenkuppeln benötigt etwas Gewöhnung. Alte Seebären genießen die geringen Handkräfte, wenn sie auf großer Tour die schönen Ecken dieser Welt erkunden. Und die gibt es bekanntermaßen auch abseits der Rennstrecke.

Die Lohmann-ZZR kann beides: Rasen und Reisen. Also, meine lieben Herren Rennfahrer: Wenn Sie das formatfüllende, orangefarbene, freundliche Gesicht hinter sich erblicken, haben Sie bitte keine Angst. Wir kommen in Frieden. Und sind schnell vorbei. Versprochen.


Messung:
Ohne Fehl und Tadel: Eine
Bilderbuch-Leistungskurve
made by Herrn Lohmann.

GEWICHT248,8 kg
vorn/hinten:50,9/49,1 %
PREIS:ca. 29000 Euro


Micron Systems Kawasaki ZZR 1400

Statt des erwarteten brutalen, rücksichtslosen Monsters entpuppt sich die ZZR von Micron als gutmütiger Kumpel. Fast unspektakulär schiebt die blaue Dicke mit sanfter, aber stetiger Gewalt los. Selbst im zweiten Gang sind bedenkenlos und gefühlsmäßig alle 200 Pferde abrufbar. Kein rutschendes Heck, kein steigendes Vorderrad, dank hervor-ragendem Windschutz nicht einmal son-derlich großer Winddruck. Ein schneller Sporttourer, dessen Leistung problemlos umgesetzt werden kann. Noch nie war Rasen entspannter.

Hinter diesem völlig selbstverständlich anmutenden Auftritt steckt allerdings jede Menge Hirnschmalz. Armand Mottier, Micron- und Powercommander-Importeur, zog alle elektronischen Register, um die übervorsichtigen japanischen Ingenieure zu überlisten. Um die serienmäßige Drosselung der Gänge eins bis vier und sechs zu umgehen, gaukelt ein G-Pack dem Kawasaki-System permanent die ungedrosselte fünfte Gangstufe vor. Die sekundären Drosselklappen, hauptverantwortlich für die Leistungsdämpfung, wurden vorsorglich ausgebaut. Ein sauber abgestimmter Powercommander – natürlich – steuert die Einspritzung und verhilft dem Dickschiff in Verbindung mit der Micron-Komplettanlage zu mehr Leistung. Ein Quickshifter ermöglicht schnelles Hochschalten. Armand Mottier ging noch einen Schritt weiter und ver-passte seiner ZZR neben einem Lenkerschalter zur Wahl des Einspritzmappings zusätzlich ein asynchrones Zündsteuergerät. Dieses sogenannte ARC2 optimiert bei hohen Drehzahlen die Zündzeitpunkte der einzelnen Zylinder, die sich im Serientrimm aufgrund des Drucks in den Brennräumen und der schnellen Zündfolge leicht gegeneinander verschieben. Ein Touchscreen zur Steuerung des Powercommanders und zur korrekten Anzeige von Geschwindigkeiten jenseits der 300 km/h sowie ein Schaltblitz in Laserpointer-Form von Dynatek komplettieren die James-Bond-tauglichen Technik-Gadgets.

Die Kainzinger GSX-R reißt mit aberwitzigen 218 PS an der Kette.

Neben mehr Leistung stand natürlich auch Abnehmen auf dem Programm. Allein die Micron-Auspuffanlage wiegt ganze zwölf Kilogramm weniger als das Serienblei. Durch zusätzliches Einsparen einiger Kleinteile wurde die übergewichtige Kawa so um insgesamt 20 kg abgespeckt.

Das lohnt. Zwar mutiert der blaue Torpedo nicht zum Handlingwunder, doch gleitet die ZZR zielgenau und neutral durch die Kurven. Das von SO-Products überarbeitete Fahrwerk bildet einen gelungenen Kompromiss zwischen Komfort und Sportlichkeit. Die Bremse wurde nur sanft verbessert, die Kombination aus Originalbremsscheiben und Nissin-Racingbelägen funktioniert tadellos und kommt mit der slickbereiften ZZR gut zurecht. Der Bremspunkt sollte geschwindigkeits- und gewichtsbedingt allerdings etwas früher gesetzt werden als bei der Konkurrenz. Was bleibt, ist der Respekt vor so angenehm zu fahrenden 200 PS.


Messung:
Leistung nicht als Kurve, sondern als Gerade. Schön und angenehm zu fahren.

GEWICHT239,5 kg
vorn/hinten:52,5/47,5 %
PREIS (Umbau):ca. 7500 Euro


Kainzinger Suzuki GSX-R 1000

Wenn man das Biest nicht bändigen kann, sollte man es nicht reizen. Diese Taktik empfiehlt sich im Umgang mit der bei weitem stärksten Maschine des diesjährigen PS-Tuner-GP. Denn die von Herbert O. Kainzinger aufgebaute Suzuki GSX-R 1000 K6 mit 1148er-Motor drückt aberwitzige 218 PS. Was passiert, wenn diese bei strammen 12100 Umdrehungen wüten, ist auf dem großen Kurs in Hockenheim ansatzweise erfahrbar.

Vollgas bei der „richtigen“ Drehzahl in der langgezogenen Parabolika? Nicht daran zu denken. Was mit den 170 PS einer Serien-1000er als schwungvolle, doch vergleichbar leichte Übung erscheint, fühlt sich auf der Kainzinger-Suzi an, als hätte plötzlich einer die Kurve nach innen gebogen und würde bösartig das Hinterrad nach außen ziehen. Balanciert man wirklich am Rand des Highsiders, oder ist das einfach nur ungewohnt? Man will es lieber nicht probieren. Auf den scheinbar wenigen Metern Gerade vor der Spitzkehre mit endlich voll aufgerissenen 54er-Drosseln genügt der 1148er schon der halbe Weg bis zum anvisierten Bremspunkt, um die ganze Kalkulation in Hysterie umkippen zu lassen. Bremsen, stopp, aus, das Pfeifen des Fahrtwinds, den Tunnelblick und das Pochen des Bluts im Kopf wieder auf Normalmaß zurückfahren. Natürlich viel zu früh. Man hätte, man könnte...

Man muss einfach eine ganz andere Einstellung finden zu diesem Leistungsangebot. Nämlich auf der Rennstrecke fahren wie mit einer normalen 1000er auf einer engen Landstraße. So viel Power nutzen, wie einem gut tut, und den großen Rest mit Anstand stecken lassen. Das funktioniert, weil die Kraft sich wunderbar linear aufbaut. Kainzinger hat erkennbar viel Mühe darauf verwendet, die von ihm aus Komponenten verschiedener Hersteller selbst entwickelte Einspritzanlage mit zwei im Saugrohr und einer über den Trichtern angeordneten Düse pro Einlass abzustimmen. Die Lastwechsel halten das richtige Maß zwischen zu scharf und zu indirekt, die Zoomgeschwindigkeit zwischen zwei Kurven lässt sich perfekt per Gasgriff dosieren. Dieser geht allerdings etwas schwer, was der Tuner als seine persönliche Traktionskontrolle mit Absicht so herbeigeführt hat. Wer den mächtigen Geist der Beschleunigung rufen will, muss dies mit bewusstem Krafteinsatz tun. Wer lange Turns fährt, kämpft allerdings schwer gegen Muskelverhärtung im rechten Unterarm.

Einen nicht unerheblichen Anteil daran hat auch die Sitzposition auf der GSX-R 1148. Fast geradewegs zur Seite stehen die Lenkerhälften von den Gabelbrücken ab. Haudegen, die ihr Moped wie einen Stier bei den Hörnern packen, zum Beispiel der amtierende Superbike-Meister Jörg Teuchert, bevorzugen eine solche Haltung. Der Tester hätte die Lenkhebel lieber etwas stärker gepfeilt und dafür weiter unten gehabt. Weiter unten ist auch aus anderen Gründen ein wichtiges Stichwort. Denn im Bestreben, seinem Motorrad viel Schräglagenfreiheit zu geben, hat Herbert Kainzinger Front und Heck angehoben. Überdies bevorzugt er knallharte Federn in Gabel und Federbein. An der luftigen Höhe über der Straße ändert sich also nur wenig, wenn der Fahrer aufsitzt; die ersten Kurven fühlen sich an, als säße er rittlings auf einem Baugerüst, das langsam umkippt. Mit Gewöhnung und steigendem Tempo lassen sich Gabel und Federbein zu etwas Ähnlichem wie Einfedern nötigen, das Handling wird geschmeidiger. Wie hart man fahren muss, um es richtig geschmeidig zu machen, kann sich der Tester nicht vorstellen.

Messung:
Linear und gut dosierbar baut sich die Leistung auf. Irgendwann ziehen alle 218 Pferdchen furchtbar zornig.

GEWICHT172,7 kg
vorn/hinten:53/47%
PREIS:keine Angabe

Hertrampf Suzuki GSX-R 1000

Wie Sie sehen, sehen Sie nichts.“ Die GSX-R 1000, eine aktuelle K7, wirkt auf den ersten Blick fast serienmäßig. Das Briefing des diesjährigen Tuner-GP ist gerade vorüber, in Box 23 herrscht reges Treiben um diverse wild gepimpte Boliden. Die Kilo-Gixxe hingegen wirkt fast etwas underdressed. Weder knallige Kriegsbemalung noch ein All-inclusive-Carbonpaket zieren den japanischen Supersportler. Gäbe es eine Kleiderordnung, müsste sich die von Denis Hertrampf an den Start gestellte 1000er beim Türsteher wohl etwas einfallen lassen, um reinzukommen.

Einzig die wunderschön verarbeitete 4-in-2-Yoshimura Auspuffanlage mit den wahrscheinlich geilsten Endkappen des Universums sorgt für erste Verdachtsmomente, dass hier nicht alles mit serienmäßigen Dingen zugehen kann. Schön, einfach nur schön anzusehen.

Denis, der Juniorchef von Motorrad Hertrampf aus Nordhorn, ist seit vielen Jahren in der IDM und anderen Rennserien aktiv und dadurch auch mit dem aktuellen Suzuki-Serienmaterial auf Du und Du. Dieses Jahr wählte er einen ganz einfachen Ansatz beim Aufbau seines Tuner-GP-Gerätes. Die 2007er GSX-R wurde von ihm nur an grundsätzlichen Komponenten wie Motor und Fahrwerk weiter verfeinert – nebenbei ein famoses Bike, das sowohl für den täglichen Straßeneinsatz als auch für die ganz besonderen Momente im Leben taugt. Die Gabel erhielt dabei vom hauseigenen Hertrampf Performance Center (HPC) einen sogenannten Street-Umbau, bei dem hauptsächlich die vorhandenen Innereien überarbeitet werden. Hinten ist ein von HPC optimiertes Öhlins TTX-Federbein im Einsatz. Der Motor bekam eine komplette Kopfüberarbeitung verpasst und wurde per Dynojet PC III auf die Yoshimura-Anlage abgestimmt. Das Ergebnis dieser Bemühungen sind über jeden Zweifel erhabene 198 PS und 116 Nm.

Das optische Understatement setzt sich in den ersten locker gefahrenen Runden fort. Die Suzuki fährt einfach. Katapultgleich und ohne irgendwelche Löcher oder wilden Gefühlsausbrüche schiebt der fein abgestimmte Big Block über das gesamte Drehzahlband voran. Selten fühlten sich knapp 200 PS so unspektakulär an. Das Fahrwerk hält sich dazu passend dezent im Hintergrund und funktioniert unauffällig. Es ist die sprichwörtliche Leichtigkeit des Seins, die dieses Motorrad verbreitet: Sollen die anderen doch erst mal überholen. Wir könnten ja, wenn wir wollten.

Wie gut wir können, zeigt sich, wenn dieser Wolf im Schafspelz losgelassen wird. Der Fahrer der R1, der sich eben noch auf der Bremse vorbeigedrückt hat und damit keck den Jagdtrieb des Suzuki-Piloten weckte, weiß wahrscheinlich nicht, wie ihm geschieht. Spontan am Kurvenausgang das Gas ultrafrüh aufgezogen, und schon schieben die im direkten Vergleich gewaltig drückenden 198 PS spielerisch am nicht mehr ganz so stolzen Yamaha-Fahrer vorbei. Was glaubt der, wer er ist? In den folgenden Kurvenkombinationen darf auch das Fahrwerk endlich mal etwas mehr zeigen. Selbst bei extremen Bremsmanövern oder heftigem Umlegen im Motodrom-Geschlängel lässt sich die Suzuki nicht aus der Ruhe bringen. Trotz der eher weichen Abstimmung informieren dich die Federelemente jederzeit penibel über den Zustand des amtlichen Ziehungsgerätes.

Beim Zurückrollen in die Boxengasse grinst Denis Hertrampf dich an. Ok, zugegeben: Dieses Motorrad ist stärker als ich. Bei ambitionierten Hobbyzeiten um 1:55 gibt es keinen Anlass, irgendwelches Werkzeug zwecks Fahrwerksanpassung herauszuholen. Lediglich der nicht einstellbare, serienmäßige Lenkungsdämpfer stößt dann an seine Grenzen. Aber das sind Peanuts. Die Warnung am Heck dieses Boliden sollte daher verdammt ernst genommen werden. Wenn dich eine blauweiße Suzuki im Straßenkleid überholt, denk’ lieber zweimal nach, wie deine Antwort ausfallen wird: „Jage nicht, was du nicht töten kannst.“


Messung:
Setzen, eins: brutale, aber zugleich unheimlich benutzerfreundliche Leistungskurve.

Gewicht200,4 kg
vorn/hinten:51,9/48,1%
Preis:ca. 18490 Euro

Die Höly GSX-R begeistert mit samtweichem Motorlauf.

Höly/Speed-Tec Suzuki GSX-R 800

Es ist ein ebenso seltenes wie schönes Erlebnis, auf ein unbekanntes Motorrad zu steigen, langsam auf die Strecke zu rollen und schon nach den ersten 20 Metern zu wissen: Das wird gut. Die Suzuki GSX-R 800 von Speed-Tec kann einem dieses Erlebnis verschaffen. Okay, die Position der ABM-Fußrasten mutet ein wenig merkwürdig an, und der stramm eingestellte Lenkungsdämpfer muss gleich etwas aufgedreht werden. Aber was tut’s? Der Motor läuft, als hätte er samtene Gleitlager, und die probehalber in schneller Folge von eins bis vier und von vier bis zwei hinauf- und heruntergeschalteten Gänge hätte man auch mit einem Wattebausch hineintupfen können.

Erste Anläufe auf fünfstellige Drehzahlen unternimmt der aufgebohrte Vierzylinder mit ebenso tadelloser Laufkultur. Er behält sie auch dann noch bei, wenn er nach zwei Runden in seinen höchsten Tönen jubilieren darf. Über 14300 dreht der 793er dann und lässt subjektiv spüren, was der Prüfstand objektiv bestätigt: Die Leistung steigt fast perfekt linear an, und es ist reichlich davon vorhanden. Knapp 158 PS an der Kurbelwelle, um genau zu sein. Der tatsächliche Leistungsgewinn gegenüber der nominellen Serienleistung von 150 PS beträgt übrigens deutlich mehr als acht PS. Denn bei Tests hat noch keine aktuelle GSX-R 750 mehr als 140 PS auf die Prüfstandsrolle gebracht.

Gegenüber dem Serienaggregat hat der Motor zwei Millimeter an Bohrung und damit 43 cm3 Hubraum gewonnen. Bei der Wahl der größeren Kolben, die durch das Aufbohren nötig wurden, blieb Cheftuner Dieter Brise von Speed-Tec innerhalb der Suzuki-Familie – es passen die Teile von der GSX-R 1000 des Jahrgangs 2001. Das senkt die Kosten und verheißt gute Zuverlässigkeit. Mit mehr Hubraum allein war es allerdings noch nicht getan. Umgeschliffene Seriennockenwellen sorgen für längere Öffnungszeiten und größere Ventilhübe, größere Lufteinlässe sollen mehr Sauerstoff in die Airbox leiten, die Einspritzung wurde mittels Powercommander angepasst. Auf der Auslass-Seite kommt ebenfalls Bewährtes zum Einsatz. Eine Komplettanlage von Akrapovic verhilft zu mehr Durchsatz und einem Ton, der selbst bei den höchsten Drehzahlen sein angenehm dunkles Timbre nicht verliert.

Der Rest besteht aus emsiger Detailarbeit, die beim feingewuchteten Kurbeltrieb anfängt und bei den leicht nachgeläppten Schaltgabeln noch lange nicht aufhört. Solche unspektakulären, doch zeitraubenden Sorgfältigkeiten sind der Grund für den fast vibrationsfreien Lauf des Vierzylinders und die geschmeidigen Gangwechsel. Geschmeidig ist auch der passende Begriff, wenn es gilt, das Ansprechverhalten des Tuningmotors zu beschreiben. Gasanlegen in der Kurvenmitte bei voller Schräglage gelingt locker nebenher, ohne dass der Fahrer abgelenkt wird. Das will etwas heißen in Hockenheim, weil gleich dreimal auf Hochgeschwindigkeitspassagen ausgesprochen hakige Kurven folgen, aus denen sogleich wieder voll und anhaltend beschleunigt werden muss. Der mögliche Grund für das Wohlverhalten ist beim Gaswegnehmen vor der Kurve zu hören: Gelegentliches Patschen im Auspuff zeugt von einer eher fetten Abstimmung.

Der gleiche zielgerichtete Pragmatismus wie beim Aufbau des Motors waltete bei der Modifikation des Fahrwerks. Viele Serienteile, wo es nötig schien verfeinert, ergänzen sich mit Zubehörteilen zu einem harmonischen Ganzen. An erster Stelle zu nennen sind hier die überarbeitete Seriengabel und ein modifiziertes WP-Federbein, die von den Spezialisten der Firma SO ein typisches Rennstrecken-Setup verpasst bekommen haben. Straffe Federn, reichlich Dämpfung – da gerät das Fahrwerk nicht einmal bei härterer Gangart in Wallung. Komfortabel ist das nicht, doch für Hockenheim gerade richtig, zumal die Balance stimmt und die Bridgestone BT 002 sehr homogen in knackige Schräglagen und wieder zurück finden – also ohne dass das Motorrad kippelt oder störrisch wirkt. Weil man sie von außen nur schwer erkennt, sie aber vom Streben nach Leichtgängigkeit und Präzision sprechen, seien hier auch die Lenkkopflager von Emil Schwarz erwähnt, mit denen die 800er ausgerüstet wurde.

Den größten sichtbaren Aufwand an Zubehörteilen betreibt Speed-Tec bei der Bremsanlage. ABM-Bremsscheiben und – beläge arbeiten mit den serienmäßigen Zangen, den Aufbau des Bremsdrucks übernimmt eine Radialpumpe von Spiegler. Und selbstverständlich darf einer dieser fein modellierten Bremshebel mit Schnelleinstellung, die momentan sehr in Mode sind, nicht fehlen. In der Charakteristik erinnern die Bremsleistungen dieses Ensembles an die der Serienausrüstung: Erst wenn alles heißgebremst ist, geht die Anlage richtig zur Sache. Und das dann auch mit höherer Leistung und besser definierter Rückmeldung als die Serienbremsen.

So kam es, dass der Tester nach 20 Runden mit der GSX-R 800 immer noch das gleiche gute Gefühl hatte wie nach 20 Metern. Die letzten zehn Runden dienten ohnehin nur noch dem reinen Vergnügen. Aber das ist schließlich auch eine Art von Testaussage.


Messung:
Fast linear entfaltet sich die Leistung des 793ers. Sein Drehvermögen reicht fast an einen 600er heran.

GEWICHT184 kg
vorn/hinten:51,7/48,3 %
PREIS:19800 Euro

Bei der Daytona 675 von Sport Evolution gehts nur um eins: Rundenzeiten.

SPORT Evolution Triumph Daytona 675

Wer beim Tuner-GP 2007 mit Rico Penzkofers IDM-Motorrad fahren will, muss Schlange stehen. Nicht Menschentrauben und Blitzlichtgewitter sind das Problem, sondern Rico Penzkofer, Christian Kellner und Arne Tode sowie ein paar ausländische Journalistenkollegen. Bei diesem Who’s who des deutschen Motorradsports wartet man gern.

Die von Sport-Evolution-Chef Dietmar Franzen gemeinsam mit Markus Hehl von Hehl-Racing aufgebaute 675 ist auf Effizienz ausgerichtet, nicht auf Effekthascherei. Trotz der edlen Lackierung in Matt-weiß und Gold von Designer Björn Gericke geht es bei dieser Triumph nur um eins: Rundenzeiten.

Das Öhlins-Federbein fällt straff aus und gibt dem Piloten permanent Informationen über Straßenzustand und vorhandenen Grip weiter. Die von Franzen mit Öhlins-Teilen überarbeitete Gabel – „Ausbaustufe 2“ – spricht toll an und bietet auch bei harten Bremsmanövern noch etliche Reserven. Die Bremse dankt es: Das Team aus Motomaster-Bremsscheiben und Lucas-SRQ-Belägen zeigt sich von seiner besten Seite und fasst so energisch zu, dass einem das Herz aufgeht. Mit minimaler Fingerkraft lässt sich das zierliche Präzisionsinstrument brachial verzögern und verleiht dem Piloten dabei stets ein Gefühl uneingeschränkter Sicherheit. Dieses Vertrauen wird verstärkt durch die unauffällig, also toll funktionierende hauseigene Kit-Anti-hopping-Kupplung. Am Ende der Parabolika ankern, Kupplung ziehen, fünfmal runterschalten, Kupplung loslassen, abwinkeln. Funktioniert in der Praxis genauso einfach, wie es klingt: Nichts wackelt, nichts rutscht.

Für noch mehr Stabilität wurde zusätzlich die Front angehoben. Die kleine Triumph reagiert sehr sensibel auf Änderungen der Geometrie, selbst eine optimierte Positionierung der LSL-Lenkerstummel oder Fußrasten macht sich laut Franzen sofort im Fahrbetrieb bemerkbar.

Überhaupt bestand ein Großteil der Arbeit beim Aufbau des IDM-Motorrads aus dem Perfektionieren von fast unsichtbaren Details. So wurden sämtliche Spiele des kleinen Dreizylinders minimiert, der Zylinderkopf überarbeitet. Powercommander, Tuneboy, andere Ansaugtrichter und optimierte Steuerzeiten sorgen für mehr Explosivität im Brennraum, ein angehobenes Drehzahllimit für mehr Feuerwerk, die Abgasentsorgung übernimmt eine Arrow-3-in-1-Titananlage.

Resultat der Überarbeitung sind 144 PS, welche die 166 kg leichte Triumph energisch vorantreiben. Fast im Sekundentakt muss der Quickshifter die Zündung unterbrechen, weil der Pilot hochschalten will. Trotz aller Agilität liegt die 675 immer stabil und wirkt, als würde sie deutlich mehr Leistung vertragen.

Am Kurveneingang arbeitet sie nicht so überhandlich wie erwartet. Stattdessen folgt sie neutral und gehorsam den Anweisungen des Piloten und schneidet viele Zehntel aus allen schnellen und langsamen Bögen des Hockenheimer Rundkurses.


Messung:
Etwas weniger Drehzahl als im IDMTrimm, dafür mit überarbeitetem Zylinderkopf. Die Kurve der 675 überzeugt.


GEWICHT166 kg
vorn/hinten:52,4/47,6 %
PREIS:19000 Euro



"Thumps up" für die TTSL R1 meint auch unser Tester.

TTSL Yamaha YZF-R1

Weniger ist manchmal mehr. Wo-her käme der Smart-ForTwo-Slogan „Reduce to the max“ denn sonst? Im Falle der von TTSL aufgebauten 2007er-Yamaha YZF-R1 heißt dies nicht, am falschen Platz zu sparen. Nein, Rainer Tschauder und Franz Lesl wollten das volle Potenzial der aktuellen R1 freilegen.
Die beiden detailverliebten Tuner haben hier nur bedingt ein seriennahes Renntrainings-Krad an den Start geschoben. Carbon an allen Ecken und Enden, in Form von Rahmen- oder Schwingenschonern, keckem und leichtem Höcker. Hingucker ist nach dem Heck auf alle Fälle der 22 Liter fassende Carbontank. Fußrasten, Lenkerstummel und Sturzpads stammen von PP, die sehr effektive Anti-Hopping-Kupplung von TSS. Zur schnelleren Beschleunigung trägt ein Tellert-Schaltautomat bei. Je nach Gusto lässt sich an den PP-Rasten das Schaltschema blitzschnell umbauen.
Der nicht gerade schwächliche Vierzylinder blieb unangetastet, zumindest was seine Innereien angeht. Viel Feinarbeit dafür an der Peripherie: Die Akrapovic-Titan-Komplettanlage ist nur der größte sichtbare Baustein. Dem berühmten ersten Blick entziehen sich ein DNA-Luftfilter, der Dynojet-Powercommander sowie das Dynojet-Zündmodul. Im Verborgenen sorgen sie erfolgreich für erstarkten Vorwärtsdrang. 187 Pferde versammeln sich bei der TTSL-R1 an der Kurbelwelle, bereit, auf Geheiß des Piloten den Gummi des Bridgestone-Langstrecken-Slicks auf der Serienfelge in fette, schwarze Striche zu verwandeln. Mit astreinen Manieren tritt die Herde an, stiebt über den Gasgriff fein dosierbar voran und überrascht den Reiter nie mit unkalkulierbaren Hinterhältigkeiten. Hier spürt man unmittelbar, wie viel Hirnschmalz und Feingefühl in die Abstimmung der Yamaha geflossen ist. Fette Power, aufs Feinste abzurufen – einfach klasse.
In derselben Liga spielt die R1 in Sachen Handling. Nicht ganz so handzahm, dafür um so präziser gestaltet sich das Kurvenräubern mit der TTSL-R1. Wie das berüchtigte Skalpell fährt die Yam über das Vorderrad, zieht enge und engste Linien, ganz wie es dem Piloten beliebt. Tranchiert die Radien so fein wie TV-Koch Tim Mälzer ein Lachsfilet. Und dies trotz der radikalen statischen Radlastverteilung: 53,7 Prozent des Gesamtgewichtes lasten im Stand auf der Vorderachse. Einziges Manko der R1: In der langen Parabolika, wo vom 3. bis in den 6. Gang voll durchbeschleunigt wird, beginnt sie jenseits von 250 km/h zu pendeln. Außerdem nimmt sie Bodenwellen unter Zug gerne und willig zum Anlass, um den Lenkkopf zu rühren. So eine Unart lässt den Wunsch nach einem strammen Lenkungsdämpfer aufkommen. Die Nervosität ist eine direkte Ursache des sehr auf Handlichkeit gebauten Dunlop-Slicks am Vorderrad. Ein weniger agiler Gummi würde die R1 an dieser Stelle sicher beruhigen, ihr aber auch etwas von ihrem brillanten, sehr direkten Einlenkverhalten nehmen. Sportlich straff und völlig unkapriziös geigt das Chassis sonst auf. Die von Andreani nachgearbeitete Gabel und das neue Öhlins-TTX-Federbein sind gut aufeinander abgestimmt, bleiben sowohl beim harten Ankern wie beim feisten Anfeuern aus den Kurven heraus spurstabil und knicken nicht ein.
Ebenso unbeirrbar treten die Bremsen auf: Die Mixtur aus der radialen Brembo-Pumpe mit serienmäßigen Sätteln, Galfer-Scheiben und Lucas-Belägen funktioniert prächtig. Üppiger, aber kein extremer Biss und sehr hohe Standfestigkeit lassen den Piloten mit Genuss an diesem Cocktail nippen.
Wer also Lust auf eine scharfe, perfekt aufgebaute Yamaha hat, sollte dringend mal mit den Jungs von TTSL Kontakt aufnehmen.



Messung:
Feine, bauchige Leistungskurve mit viel Druck vor allem im mittleren Drehzahlbereich. So muss das sein.


GEWICHT191,6 kg
vorn/hinten:53,7/46,3%
PREIS:ca. 29000 Euro


Amann Motorsport Aprilia RSV 1000

Es sind ziemlich genau 293 km/h, bei denen die Amann-getunte Aprilia RSV 1000 vor der Spitzkehre in den Begrenzer rennt. 293 Sachen, aus denen auf etwa 60 heruntergebremst werden muss. Über eine von Formel-1- und DTM-Autos

zusammengeschobene Asphaltdünung, die den Vorderreifen quiekend von Welle zu Welle hüpfen lässt. Man kann es mit nachlassendem Fahrtwind immer lauter hören.

Das Schönste daran: Der Fahrer fühlt sich sicher. Die Aprilia gibt ihm das Gefühl, alles im Griff zu haben, indem sie ihn eins zu eins in den Lenkergriffen spüren lässt, was ihr Vorderrad gerade anstellt. Und die erwähnten 293 km/h fühlen sich nicht entfernt so dramatisch an, wie sich diese Zahl vielleicht lesen mag. Da spielt die unauffällig-gelungene Fahrwerksabstimmung ebenso eine Rolle wie der traditionell gute Windschutz der RSV-Modelle und ein Charakteristikum aller supersportlichen Zweizylinder: Sie klingen selbst bei Höchstdrehzahl bärig und gelassen.

Ein Eindruck, welcher bei der Amann-RSV durch die Motorcharakteristik noch verstärkt wird. Zwar geschah die Hubraumerweiterung auf knapp 1100 cm3 allein über die um fünf Millimeter größere Bohrung, die jetzt 102 Millimeter beträgt. Doch selbst mit dem serienmäßigen Hub von 67,5 Millimetern behält die 1100er-RSV verglichen mit einer Ducati 1098

eine relativ langhubige Auslegung sowie in Kombination mit den Standard-Nockenwellen und -ventilen einen satten Drehmomentüberhang. Bei fast gleichem Hubraum hält der Aprilia-Motor also drei bis fünf PS weniger Spitzenleistung parat als die besten bisher gemessenen Serien-1098, dafür aber im Maximum drei Newtonmeter mehr Drehmoment. Zudem geriet die Drehmomentkurve subjektiv deutlich fülliger. Den genauen Verlauf aufzuzeichnen war wegen des für den Prüfstand unlesbar codierten Drehzahlsignals der Aprilia zwar nicht möglich, doch die Maximalwerte stimmen und der subjektive Eindruck täuscht nicht. In Relation zu einer Serien-Aprilia mit 139 PS und 103 Nm ist die Amann-RSV ohnehin eine Bombe.

Wie schon bei der Speed-Tec-GSX-R 800 oder der 1148er von Herbert Kainzinger reichte die Hubraumerweiterung natürlich nicht, um ein solches Ergebnis zu erzielen. Spektakuläre Spitzenwerte allein helfen ja auch nicht beim Schnellfahren. Deshalb wurde auch der Amann-RSV unvermeidlicherweise eine Menge unsichtbarer Feinarbeit zuteil, die der Tuner selbst, um nicht zu viel zu verraten, in dürren Worten beschreibt: „Kanäle und freie Ventilquerschnitte überarbeitet“ oder „Einspritzung optimiert“ nennt dann das Datenblatt, was in der Realität wahrscheinlich Hunderte von Stunden Entwicklungszeit gekostet hat.

Nur diese Fleißarbeit ermöglicht es den Fahrern am Ende, das Potenzial auch mit wenig Stress umzusetzen. Sauberes Ansprech- und Lastwechselverhalten sowie das problemlose Dosieren der abgerufenen Leistung machen erst die wahre

Tuning-Kunst aus. Die Amann-RSV hat in dieser Beziehung voll überzeugt, wie übrigens alle Maschinen, die der Tester beim diesjährigen Tuner-GP fahren durfte.

Gibt es etwas zu kritisieren? Eine Kleinigkeit. Die auf dem großen Kurs in Hockenheim geforderten heftigen Bremsmanöver – hier kommen die 293 km/h wieder ins Spiel – sorgten nach zwei bis drei

Runden dafür, dass der Druckpunkt am Bremshebel etwas nachgab. Er blieb dann aber konstant, und die Bremsleistung behielt ein hohes Niveau. Wer es weiß, stellt den Hebel von Anfang an etwas weiter vom Lenker ab und kann dann unbeschwert einen ganzen Tank leerfahren. Wenn er kann.

GEWICHT194,1 kg
vorn/hinten:50,4/49,6%
PREIS:ca. 25000 Euro

Fulminante Darbietung der Berliner Ducati. Leider mit rauchendem Ausgang.

Ducati Berlin Ducati 1098 S

Es war eine Liebesgeschichte, sogar eine schöne, obgleich sie tragisch endete. Und wie es oft auch im richtigen Leben geschieht, begann sie mit einer faszinierend-aufreibenden Eingewöhnungsphase. Denn die von Ducati Berlin getunte 1098S, stolze 175 PS stark, entfaltete ein Temperament, mit dem man umzugehen wissen muss. Insbesondere ab 7500/min, wenn die Drehmomentkurve Anlauf auf die fast 130 Nm Spitzenwert nimmt, trat die Duc dermaßen an, dass die Lenkung sich während längerer Beschleunigungsphasen mit jener aufreizenden Leichtigkeit bewegte, die ein abgehobenes Vorderrad signalisiert. Manches Gaswegnehmen vor den schnelleren Kurven des Hockenheimrings geriet allein deshalb etwas zu ausgeprägt, weil es galt, dem Vorderrad vor dem Einlenken wieder satten Bodenkontakt zu verschaffen.

Schon paradox: Im Alltagsbetrieb erscheint einem die Feder des Standard-Federbeins als zu hart, auf der Rennstrecke benötigt das auf 182,4 kg erleichterte Tuning-Exemplar sogar eine deutlich härtere. Aber sie hat es gebracht. Im Zusammenspiel mit Öhlins-Gabel und Stufe-3-Kit, vor allem auch den superleichten Carbonrädern gewann die Duc mit einer 90er-Feder Stabilität und Handlichkeit in gleichem Maß; sie lag so satt und ließ sich so leicht in die Ecken fädeln, dass der Tester seine Rundenzeit von Umlauf zu Umlauf im Sekundenbereich reduzierte. Dass er instinktiv und in Unkenntnis der ermittelten Leistungskurve deutlich vor der per vierstufiger Anzeige signalisierten Schaltdrehzahl den nächsthöheren Gang einlegte, tat dem keinen Abbruch, weil die Leistungskurve oben ganz flach verläuft. Die anliegende Hinterradleistung fällt in diesem Bereich wegen der mechanischen Widerstände bereits wieder.

Frappierend, wie energisch der Motor dank der erleichterten Schwungmassen – auch leichte Zahnriemenrollen und Titanpleuel waren eingebaut – hochdreht. Nach einigen Versuchen im ersten nahm der Tester die Spitzkehre sogar ziemlich untertourig im zweiten Gang. Kaum dreißig Meter später drohte ihm schon wieder die Verkleidungsscheibe ins Gesicht zu hüpfen. Leider folgte kaum eine halbe Runde später der Super-Gau: Beim Beschleunigen auf die Zielgerade explodierte bei zirka 10000/min der Motor. Was sich im hinteren Zylinder eben noch bewegt hatte, wurde in Sekundenbruchteilen zerschlagen. Welches Teil der Auslöser gewesen war, ließ sich nicht mehr sicher sagen. In Frage kommen eines der Serien-Einlassventile, dessen Trümmer eine merkwür-dige Gefügestruktur zeigten, oder der Pistal-Kolben, der unter Ducati-Spezialisten eigentlich als zuverlässig gilt. Obwohl die Duc in einer Rauchwolke mit gezogener Kupplung über die Ziellinie rollte, lag die Rundenzeit immer noch unter zwei Minuten. Das spricht für ihr Potenzial und lässt auf eine erfolgreichere Zukunft mit neuem Motor hoffen. Und falls sie mich noch mag...

Messung:
Fulminant wird die Darbietung des 1098ers ab 7500/min. Oben flacht die Kurve ab, Ausdrehen ist unnötig.

GEWICHT182,4 kg
vorne/hinten:49,8/50,2 %
PREIS:ca. 34000 Euro

Fazit: Viel Stress, viel gelacht, viel gestaunt – und am Ende haben alle hoffentlich wieder ein Stückchen was dazugelernt. Der fünfte Tuner-GP hat jedenfalls gewaltig Spaß gemacht. Die Veranstaltung verzeichnete dank eines von unserem Partner Bike Promotion perfekt organisierten Renntrainings einen neuen Teilnehmerrekord. PS möchte im nächsten Jahr ganz bestimmt ein feines Rückspiel, eine Wiederholung der großen Sause. Mit vielen gut gelaunten Gästen, Freunden und netten Kollegen aus den europäischen Nachbarländern. Berichte über den diesjährigen PS-Bridgestone-Tuner-GP finden sich dieses Jahr in Frankreich (Moto Journal), Griechenland (MOTO magazine) und bei den wilden Kollegen von Performance Bikes aus England. Auch ein Vertrauensbeweis und Beleg für die einzigartige Motorrad-Tuner-Szene in Deutschland (und auch in Österreich). Wir sehen uns. Nächstes Jahr in Hockenheim.

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