Vergleichstest BMW K 1300 R, Buell 1125 CR, Suzuki B-King, Yamaha Vmax
Big Bikes

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Motorradhersteller greifen in die Leistungskiste, und polarisierende Naked Bikes kommen heraus: BMW K 1300 R, Buell 1125 CR, Suzuki B-King und Yamaha Vmax. PS sammelte Impressionen in Südfrankreich.

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Fette Meute

Was für ein Tag. Was für ein Trumm von Motorrad. Böse. Edel. Gewaltig. Schwarz Yamahas Vmax. Jetzt läuft sie wieder, nachdem ich sie drei Stunden vorher fluchend und schwitzend durch die Stadt schieben durfte. Aber der Reihe nach.

Die Geschichte beginnt in Köln, INTERMOT 2008: Am BMW-Stand sammeln sich Menschentrauben um die neue K 1300 R. Stärker als die Vorgängerin soll sie sein; 173 PS, 140 Nm. Klingt viel versprechend. Der Blick schweift über den neu gestalteten unteren Längslenker, die neu abgestimmten Federelemente, verweilt kurz am sechseckigen Endtopf und bleibt schließlich am aufpreispflichtigen Schaltautomaten hängen. Wenn mir vor fünf Jahren jemand erzählt hätte, dass BMW eines Tages über 170 PS starke Naked Bikes mit Schaltautomat bauen würde, hätte ich ihn vermutlich ausgelacht. Dabei ist das noch längst nicht alles.

Der gewohnte rechte Blinkerschalter neben dem Gasgriff – fehlt. Stattdessen findet sich links ein konventionelles Hebelchen, das endlich so funktioniert wie bei den meisten anderen Motorrädern der Welt auch. Darüber tummelt sich ein Kürzeltrio: ABS, ASC, ESA. Hightech in drei Buchstaben. Während das ABS seit Langem BMW-Fahrer vor rutschenden Vorderrädern schützt, regelt die als Zubehör erhältliche Antischlupfkontrolle ASC nun auch das Durchdrehen des Hinterrads beim harten Beschleunigen. Irgendwie wehren sich die Gehirnwindungen immer noch dagegen, BMW mit den Begriffen "Schaltautomat" und "Traktionskontrolle" zu vernetzen. Beim elektronisch einstellbaren Zubehör-Fahrwerk ESA, 2009 in der zweiten Generation, fällt das leichter: Außer "Sport" und "Normal" lässt sich auch "Comfort" einstellen.

Ein irritierendes Geräusch beendet den Kampf meiner grauen Zellen. Eine Mischung aus Bellen, Schreien und Bollern kommt aus der Nachbarhalle. Yamaha präsentiert die Vmax. Ein Monstrum an Motorrad. Allein die Eckdaten polarisieren: 310 kg, 200 PS, 167 Nm, 1679 cm³. Dazu dieser Sound. Einzigartig. Trotz des komplett anderen Charakters fallen einige Ähnlichkeiten zur BMW auf: der Kardanantrieb, das ABS. Und die Unmenge an Technik. Natürlich auch hier verpackt in lustige Kürzel, die sich unter dem Oberkürzel G.E.N.I.C.H zusammenfassen lassen.

Unsere Highlights

Ab in die Provence!

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Vier starke Charaktere unterwegs auf den Straßen der Provence.

Es steht für "Genesis in Electronic engineering aimed at New, innovative Control technology based on Human sensibilities." Na dann. Dahinter stecken dievariable Ansaugluftsteuerung YCC-I und der Elektronikgasgriff YCC-T. Die vordere Bremsanlage stammt von der R1. Ansonsten bleibt die Vmax zumindest optisch ihrer Ahnin recht treu, erst im Detail finden sich Unterschiede. Die Hutzen versorgen nun wirklich die auf die doppelte Größe angewachsene Airbox mit Frischluft, der 65-Grad-V4 baut 27 mm kürzer als sein Vorgänger. Um die brachiale Leistung des Übermotorrads auf den Boden zu bringen, wuchs außer der Schwingenlänge auch die Hinterradfelge. 18 Zoll Durchmesser und 6 Zoll Breite bieten Platz für einen 200 mm breiten Hinterreifen. Vorn führt eine 52-mm-Gabel das ebenfalls 18 Zoll große Vorderrad. Der 15-Liter-Tank bleibt wie bisher unter dem Sitz, die Tankattrappe beherbergt lediglich die Airbox und eine neue multifunktionale Instrumentenkonsole. Stuttgart, zwei Monate später. Die beiden Neuen stehen endlich in der Redaktionsgarage. Eine Buell 1125 CR, ebenfalls neu, abgesehen von der Front und einer geänderten Übersetzung der 1125 R aber sehr ähnlich, und Suzukis Individualisten-Bomber B-King haben sich in der Zwischenzeit dazugesellt und warten gemeinsam mit K 1300 R und Vmax auf ihren Abtransport zum Vergleichstest in der Provence. Einige zähe Autobahnstunden später stehen die vier Bikes fahrbereit am Straßenrand eines kleinen südfranzösischen Dorfs in Steinwurfweite der Rennstrecke von Le Castellet.

Ich schnappe mir als Erstes die B-King. Bewährt, unkompliziert und dabei für jeden Spaß zu haben. Genau das Richtige, um mit unbekannten Hinterlandpässchen warm zu werden. Der Druck auf den Startknopf überrascht jedes Mal wieder. So extravagant und schreiend die monströsen B-King Endtöpfe aussehen, so dezent summen sie im Standgas vor sich hin; von Bad-Boy-Image keine Spur. Das gilt auch fürs Handling. Eine Tatsache, die eigentlich bekannt ist, die man beim Anblick und beim Rangieren dieses Riesentankers aber einfach nicht wahrhaben möchte. Das sollen 259 Kilogramm sein? Willig, handlich und unkompliziert lässt sich das extrovertierte Big Bike durch die engen Sträßchen zirkeln, neigt lediglich bei sehr niedrigen Geschwindigkeiten dazu, in der Kurve nach innen zu kippen. Den größten Spaß hat man mit der B-King dennoch auf den Geraden. Ihr Motor läuft seidenweich, geht sanft ans Gas und hat dabei immer und überall Druck. Bereits ab Standgas schiebt die dicke Suzi so kräftig nach vorn, dass der 200er-Dunlop Qualifier bisweilen schwer zu kämpfen hat und das eine oder andere Mal den Längsgrip verweigert. Bis zum Drehzahlbegrenzer legt das modifizierte Hayabusa-Triebwerk linear und kontrollierbar stetig Leistung nach und scheucht die Dicke mit gehörigem Nachdruck der nächsten Kehre entgegen.

Nach der zahmen B-King folgt die BMW K 1300 R

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BMW K 1300 R: Big Bike mit Schaltautomat und Traktionskontrolle.

Dort malt die Bremsanlage das Bild vom Saubermann weiter aus: Sauber dosierbar, mit gutem Druckpunkt und völlig entspannt lässt sich das japanische Designerstück zusammenstauchen. Das ABS ist zwar nichts für echte Sportfahrer, für den Landstraßengebrauch aber in Ordnung. Gleiches gilt für das Fahrwerk, das eher auf der komfortablen Seite angesiedelt ist. Anhalten, Fahrerwechsel. Ein letzter Blick zur B-King. Sie macht alles gut und unauffällig, typisch Japaner, ohne große Emotionen zu wecken. Irgendwie seltsam bei diesem aggressiven Design. "Sag mal, schläfst du?" Die Testkollegen reißen mich aus meinen Gedanken. Ach ja, Fahrerwechsel; die BMW K 1300 R wartet. Das Münchner Naked Bike streckt seinen Piloten spürbar weiter über den Tank als die B-King. Dafür fällt der Kniewinkel angenehm moderat aus. Wieder überrascht der Motorklang. Rau, bissig, aggressiv bruddelt der Reihenvierzylinder aus dem Sechseck-Endtopf. Wieder wehren sich meine Hirnwindungen gegen die Verknüpfung dieser Begriffe mit BMW. Erster Gang und los. Bereits auf den ersten Metern unterstreicht der bayerische Landstraßenbrenner seinen angriffslustigen Charakter und stürmt vehement nach vorne. Einige Bodenwellen bringen Unruhe ins Fahrwerk und lösen damit das ASC aus, das mit etwas unsensiblen Regelintervallen versucht, das durchdrehende Hinterrad im Zaum zu halten. Wie sich dieser Auftritt wohl ohne elektronische Gasfessel anfühlt?

Ein kurzer Druck auf den ASC-Knopf bei voller Fahrt schaltet die Traktionskontrolle schlagartig ab und erlaubt unzensierten Vorwärtsdrang. Das Vorderrad verliert den Bodenkontakt. Hochschalten. Eine kleine Fußbewegung, ein kleiner Ruck, zweiter Gang. Der Schaltautomat funktioniert auch auf der Landstraße gut, reagiert aber auf Gangwechsel unter Teillast gelegentlich mit Knallgeräuschen aus dem Getriebe. Was nicht weiter stört, denn es macht ohnehin wesentlich mehr Spaß, die Gänge voll durchzuladen, den brutalen Vortrieb ab 7000/min kombiniert mit dem wilden, aggressiven Vierzylinderschreien zu genießen. Vom Horizont rast mit hoher Geschwindigkeit eine Kehre auf mich zu. Dank Duolever, ESA-Sportmodus und ABS lässt es sich mit der K so spät bremsen wie mit keinem anderen Big Bike. Rein in die Eisen. Das konstruktionsbedingt geringe Feedback des Vorderrads schmälert mein Vertrauen etwas, also lieber vorsichtig einlenken. Hey, ist ja ganz handlich, die K, trotz langem Radstand. Allerdings bevorzugt sie eher die weite Linie und springt am Kurvenausgang etwas hart ans Gas. Erneuter Zwischenstopp; die Buell ist dran. Beim Aufsitzen fühlt man sich im Vergleich zur BMW wie ein Affe auf dem Schleifstein: hohe Rasten, nah am Fahrer positionierter Lenker, alles sehr, sehr kompakt. Dazu die dank Heizgriffen sehr dicken Griffgummis.

Buell 1125 CR und Yamaha Vmax

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Buell 1125 CR: Der Rotax-V2 ist der perfekte Antrieb für die Buell.

Nach einigen Metern habe ich mich daran gewöhnt und beginne, den Motor zu genießen. Weich das Gas anlegen, mit typischem V-Bollern aus engen Ecken ziehen und auf dem Hinterrad die Geraden entlangfeuern. That's Buell. Der 72-Grad-Rotax-V2 der 1125 CR ist ihr Glanzstück und überzeugt voll. Viel Druck überall, dazu die weiche Gasannahme und die lineare Leistungsentfaltung. Nie fuhr eine Buell besser. Mit einer Einschränkung: Wer bei knapp 50 km/h im zweiten oder dritten Gang Vollgas gibt, erntet ein müdes „Moaaaaaah“, das sich anfühlt, als wäre der Sprit alle. Und das über mehrere Sekunden. Ein sehr primitiver und nerviger Trick, um die Fahrgeräuschsmessung zu bestehen, die exakt in diesem Bereich stattfindet. Liebe Buell-Leute, das ginge auch eleganter! Nächste Kehre. Ankern. Die weiche Gabel sackt tief ein. Die Einscheibenbremse packt erst zaghaft, dann umso nachdrücklicher zu und zieht dabei leicht nach links. Gewöhnungsbedürftig. Ebenso gewöhnungsbedürftig ist das starke Aufstellmoment, das beim Bremsen in Schräglage auftritt. Auch ohne Bremse lenkt die Buell nur etwas widerwillig ein. Sie mag lieber Wechselkurven, in denen sie sich leichtfüßig von einer Seite auf die andere schmeißen lässt und mit viel Schmackes durchs Geschlängel blubbert. Was, schon wieder Fahrerwechsel? Okay, ab auf die Vmax. So muss sich Arnie in Terminator 2 auf seiner Harley gefühlt haben – breiter Lenker, breiter Tank, breiter Sitz.

Nur mit Mühe bekomme ich meine Füße auf den Boden. Das Gewicht dieses Material- und Hightech-Haufens stört nur auf den ersten Metern. Recht problemlos lässt sich die Vmax durch die Kehren zirkeln, verlangt aber leichte Lenkkorrekturen. Die R1-Bremse verzögert ordentlich, ohne wirklich sportlich zu wirken, das ABS arbeitet etwas grob. Der Motor blubbert seidenweich und lammfromm vor sich hin, geht weich ans Gas und schiebt auch unter 2000/min noch gutmütig aus der Kurve. Auf der nächsten Geraden gilt es: Vollgas! Meine Herrn, wieso kommt dieses Triebwerk erst jetzt? Die 192 PS und 165 Nm brüllen aus den Endtöpfen, dass es mir die Nackenhaare aufstellt, und schießen dieses 314-kg-Monster derartig nach vorne, dass einem Hören und Sehen vergeht. Der Hinterreifen winselt um Grip und zieht einen langen schwarzen Strich. Wer irgendwo die Möglichkeit hat, Vmax zu fahren, sollte das unbedingt tun. Dieses Gefühl, in Chopperposition von der Startrampe eines Flugzeugträgers geschossen zu werden, ist unvergesslich. Das Vmax-Federbein ist dieser Leistung leider nicht gewachsen und fängt früh an, unter Last zu pumpen. Auf der nächsten Geraden das gleiche Spiel von vorn: Hahn auf und... Moooooaaah. Der Motor stirbt ab und ich rolle aus. Der Blick auf die schmucke Zusatzanzeige der Tankattrappe erklärt: 35 Kilometer auf Reserve, Gesamtstrecke seit dem letzten Tankstopp: 128 km. Sprit alle. Nach 128 Kilometern! Zum Glück geht es bergab. Ich lasse die Vmax bis zur nächsten Stadt rollen und schiebe sie zur Tankstelle. 15,5 Liter passen in den laut offiziellen Angaben 15 Liter großen Tank. Macht einen Verbrauch von 12 Litern auf 100 km. Ich bin nicht böse. Dieser Motor darf das. Die Sonne verschwindet am Horizont. Ein schöner Tag.

Fazit

K
Yamaha Vmax: 314 kg, 192 PS, knapp 170 Nm, 12 Liter Sprit auf 100 km.

Vier Charakterdarsteller, die sich nur schwer in ein Punkteschema packen lassen. Jedes der vier Big Bikes hat seinen ganz eigenen, unverwechselbaren Charme, der Liebhaberherzen höher schlagen lässt. Allen gemeinsam ist ein toller Motor, der auf der Landstraße unheimlich viel Spaß macht. Wer die Möglichkeit hat, eine Vmax zu fahren, sollte diese auf jeden Fall nutzen – und vorsichtshalber einen Spritkanister mitnehmen.

PS-Bewertung

Die aktuelle Ausgabe
PS 6 / 2023

Erscheinungsdatum 10.05.2023