Die drei 600er von Kawasaki, Triumph und Yamaha sind für die Rennstrecke geboren. Dieser Tracktest klärt die Hackordnung.
Die drei 600er von Kawasaki, Triumph und Yamaha sind für die Rennstrecke geboren. Dieser Tracktest klärt die Hackordnung.
Zwei neue, mal mehr, mal weniger stark überarbeitete Supersportler alias Kawasaki ZX-6R und Triumph Daytona 675 treffen auf die etablierte Yamaha YZF-R6. Im Gepäck haben sie einheitliche Bridgestone-Reifen und den IDM-Rennfahrer Arne Tode.
Treffpunkt ist die Rennstrecke in Calafat nahe Barcelona, wo sich seit letztem Jahr einiges geändert hat: Der wellige Asphalt, die kniehohen Curbs und die grobschlächtigen Kiesbetten sind Vergangenheit; ebener Belag, flachere Randsteine und neue Kiesbetten.
Kawasaki ZX-6R
Für 2009 haben die Kawasaki-Ingenieure aus der übergewichtigen ZX-6R ein viel zierlicheres Motorrad gemacht: 10 Kilogramm leichter, mit einer Großkolben-Gabel (Big-Piston-Fork) von Showa ausgestattet, im Aussehen stark an die große Schwester ZX-10R angelehnt und den Motor nachhaltig überarbeitet. Stehen die drei Testkandidaten dicht beieinander, wirkt die Kawasaki dennoch mächtig, weniger drahtig als die anderen beiden.
Triumph Daytona 675
Die Triumph wurde optisch und technisch dezent überarbeitet. "Feinschliff" nennen es die einen, "Politik der kleinen Schritte" die anderen. Die Briten spendierten der Daytona 400/min mehr Drehvermögen, eine 3 PS höhere Spitzenleistung und ein 3 Kilogramm niedrigeres Gesamtgewicht.
Yamaha YZF-R6
Die unveränderte Yamaha YZF-R6, die optisch Asketischste und Radikalste des Trios, bekommt auf der Waage die rote Laterne: Ihren 192 Kilogramm stehen 190 kg von Kawa und 675 entgegen. Gelassen kontert die Yam: Sie massiert ihren Hinterradgummi mit 116 PS auf den Asphalt, so viel Leistung hat keine der beiden anderen.
Triumph Daytona 675
An der 675 ist die Druckstufendämpfung von Federbein und Gabel nun für den High- und den Low-Speed-Bereich getrennt einstellbar.
An der Triumph-Gabel arbeitet die neueste Generation der Nissin-Bremssättel: Diese aus einem Stück gefertigten Monoblocks sollen für ein noch besseres Bremsgefühl sorgen und fassen je Zange zwei Beläge.
Wie wichtig Triumph Grip und Feedback bei der 675 sind, beweist die Bereifung: Der neue Pirelli Diablo Supercorsa in straßenzulassungsfähiger "SP"-Variante gibt sich die Ehre.
Kawasaki Ninja ZX-6R
Die Kawasaki vertraut auf den alltagstauglicheren Bridgestone BT 016 in Sonderspezifikation "L" und trumpft bei den Bremsen auf: Auch sie besitzt die neuen Monoblöcke von Nissin, allerdings in der aufwendigeren Variante mit Einzelbelägen, also vier Pads pro Zange.
Yamaha YZF-R6
Das Testexemplar der R6 trug ebenfalls Bridgestone BT 016-Reifen in der "F"-Variante; die bisher traditionell aufgezogenen Serienpellen, die suboptimalen Dunlop Qualifier, waren verschwunden.
Gegen die Uhr
Die Strecke im spanischen Calafat wurde, wie gesagt, Ende letzten Jahres neu asphaltiert und stellenweise etwas breiter. Nicht einmal wir konnten vorhersagen, wie sich das auf die Rundenzeiten auswirken würde. Ahnen konnte man allerdings, dass Arne Tode als IDM-Supersport-Champion 2008 auf einer alten Triumph Daytona 675, einen gewissen Trainingsvorsprung gegenüber den Konkurrentinnen haben würde.
Ein weiterer Faktor, der die Rundenzeiten beeinflusste, waren feuchte Flecken auf der Strecke. Im ersten Turn auf der Yamaha wusste Arne nicht genau, wie viel Grip er dort haben würde. Diesen Nachteil hätte man durch einen zweiten Turn abfangen müssen, dazu fehlte uns jedoch die Zeit, und das Wetter spielte auch nicht ordentlich mit.
Ärgerlich, aber in PS 4/2009 steht ein großer 600er-Vergleichstest mit allen Japanern und ebenfalls mit Rundenzeiten aus Calafat unter vergleichbareren Bedingungen.
Die Yamaha YZF-R6 ist ein pfeilschnelles Motorrad, aber eben auch ein radikales, verschlossenes und vor allem ein sehr forderndes; eine R6 muss sich der Pilot erarbeiten. Zwar erschließt sich ihr gieriges Einlenkverhalten jedem, doch es wirksam einzusetzen, benötigt Übung.
Ihr potenter Motor besitzt eine spitze Leistungscharakteristik, auch das ein spezieller Charakterzug, der erst einmal abschreckt, eher er schnell macht. Passt der Gang nicht, wirst du vernascht; passt der Gang, reißt du alles nieder.
Wie harsch die R6 zur Sache geht, erklärt das Datarecording. Im Omega fährt Tode die langsamste Kurvengeschwindigkeit auf der R6, weil er dem Grip auf den feuchten Flecken nicht traut.
Nach dem Scheitelpunkt auf trockener Strecke zieht er aber voll am Kabel. Die Yamaha bewältigt trotz der niedrigsten Grundgeschwindigkeit den Sprint von 75 auf 180 km/h über eine Strecke von knapp 200 Metern in 4,6 Sekunden.
Die drehmomentstärkere Triumph verliert alleine bei dieser Aktion auf derselben Distanz eine Zehntelsekunde, die Kawasaki gar zwei. Auf nur 198 Metern!
Was allerdings nicht ins Bild des heißen Jägers R6 passte, waren die müden Bremsen des Testexemplars und dessen harte Gasannahme.
In diesen Disziplinen punktete die Triumph Daytona 675 voll. Ihre Nissin-Bremsen beißen kräftig, aber wohldosierbar zu, der Dreizylinder-Motor geht weich ans Gas und drückt gleichmäßig an. Die höhere Maximaldrehzahl verleiht dem Drilling die benötigte Überdrehreserve und vervielfacht den Spaß.
Lediglich ihr immer noch hart zu schaltendes Getriebe bleibt zu bemeckern, und die fehlende Anti-Hopping-Kupplung kommt auf die Wunschliste für die nächste Generation der 675.
Das Handling und die Ausgewogenheit der Engländerin ragen heraus. Sie ist ein Anti-Stress-Bike, elektrisiert zwar den Fahrer, zwingt ihn aber zu nichts. Vielmehr lockt sie ihn immer ein Stückchen weiter an sein Limit; verbreitet entspannende Freude am schnellen Fahrern, keinen Leistungsdruck.
Die Kawasaki Ninja ZX-6R achtet eher auf die Alltagstauglichkeit als auf die letzte Zehntelsekunde. Dennoch schlägt sie sich in Calafat sehr wacker: Ihr Motor geht er richtig gut. Sein üppiger Druck zwischen 6000 und 10000/min verzeiht den einen oder anderen Schaltfehler. Oberhalb von 14000/min fühlt er sich allerdings mau an.
Allerdings plagte sich die Sechser im Test mit Chattering, das vor allem mit dem Rennreifen auftrat. Selbst ein weicherer Hinterreifen (Typ 4) brachte nur geringe Linderung. Daher musste die etwas verwegene, aber praktikable Fahrwerkseinstellung Herrn Tode auf der schnellen Runde unterstützen: Die vollständig geschlossene Zugstufe am Federbein sorgte einigermaßen dafür, die Schwingungen zu unterbrechen und das Symptom zu mildern. Allerdings lief die Kawa auch etwas weitere Bögen am Kurvenausgang und fuhr nicht so präzise und exakt wie Triumph und Yamaha.
Beachtliches brachte das Datarecording zu Tage. Die unhandlichste 600er des Test durcheilte die schnelle Schikane am schnellsten. Jawohl, die Kawasaki Ninja ZX-6R brannte mit 114,7 km/h durch die Wechselkurve, die Yamaha mit 114,5 und die Triumph mit 114,0. Klar ist das keine Welt, nicht einmal eine kleine, aber bemerkenswert. Handlichkeit beginnt also dort, wo die Kraft des Piloten aufhört.
Was ein professioneller Rennfahrer mit diesen kleinen Raketen leisten kann, beeindruckt: In Calafat mit 111 Hinterrad-PS eine 1:31,40 min zu fahren, ist hohe Handwerkskunst und vom Fahrer und von Konstrukteuren des Motorrads. Diese Rundenzeit war 4,1 Sekunden schneller als die Bestzeit des Vorjahrs (siehe PS 4/2008).
Dank 2D-Datarecording stehen jede Menge Daten von Arne Todes schnellen Runden zur Verfügung. Der große Zeitunterschied der Bestzeiten beruht auf einem Trainingsnachteil mit der Yamaha YZF-R6: Mit ihr ging Tode als Erstes auf die mit feuchten Flecken übersäte Strecke und musste sich ans Limit erst herantasten.
In PS 4/2009 wird der Alltagsaspekt der neuen Sechshunderter eine Rolle spielen. Es bleibt also spannend, auch wenn im erlesenen Kreis von Kawasaki ZX-6R, Triumph Daytona 675 und Yamaha YZF-R6 die Würfel auf der Rennstrecke hiermit gefallen sind.
Rundenzeiten sind nicht alles, sie geben lediglich einen Eindruck davon, was die Hardware zu leisten vermag. Der Sieg der Triumph Daytona 675 geht in Ordnung. Sie ist das beste Paket zum stressfreien Schnellfahren und leistet sich kaum Patzer. Die Yamaha YZF-R6 ist eine Rennsau und belegt den zweiten Rang. Aggressiver und fordernder geht kaum ein Bike ab. Der dritte ist für die Kawasaki Ninja ZX-6R ist keine Niederlage, sondern aller Ehren wert: Sie ist insgesamt sehr brav und friedlich, weit weg vom früheren "mean green". Ihr fehlt der Kick, der Charakter der beiden Kontrahenten.
Kawasaki ZX-6R: Platz 3 (17 Punkte)
Antrieb *****
Die Kawa geht sanft ans Gas, hat eine super Anti-Hopping-Kupplung und viel Druck in der Mitte. Obenrum dürfte gerne
noch etwas mehr gehen.
Fahrwerk ***
Die ZX-6R wurde von Chattering geplagt und ging am Kurvenausgang etwas weit. Zudem verlangt sie am meisten Kraft beim Umlegen in Schikanen.
Ergonomie *****
Die neue Ninja bietet ihrem Piloten viel Platz und ordentlichen Windschutz. Zum Brennen taugt sie sehr gut, da versammelt gesessen wird.
Fahrspaß ****
Die Kawa hat 10 Kilo abgenommen. Trotzdem ist sie lange nicht so agil wie die beiden anderen, was den Spaß etwas trübt und auf dem Track Kraft kostet.
Urteil
Schlanker und leichter ist sie geworden, die ZX-6R. Allerdings muss sie noch an Agilität und Präzision zulegen, um voll bei der Musik dabei zu sein.
Triumph Daytona 675: Platz 1 (19 Punkte)
Antrieb ****
Einzige Kritikpunkte an der 675 sind die fehlende Anti-Hüpf-Kupplung und das knochig zu schaltende Getriebe. Ansonsten ein toller Motor.
Fahrwerk *****
Diese unglaubliche Präzision, ihr gieriges Einlenkverhalten und die Kurvenstabilität machen sie zu einem Traum in Schräglage.
Ergonomie *****
Die Triumph ist ein echter Racer. Sie bringt ihren Fahrer sehr versammelt und sportlich unter, dieser hat ein sehr gutes Gefühl fürs Vorderrad.
Fahrspaß *****
Anderssein kann gut oder schlecht sein. Im Falle der 675 ist es gut, denn Dreizylinder und messerscharfes Handling gibt es nur aus England.
Urteil
Wieder ist der Champion die Triumph. Ihre maßvolle Überarbeitung wurde an den richtigen Stellen durchgeführt, hat sehr Gutes noch besser gemacht.
Yamaha YZF-R6: Platz 2 (18 Punkte)
Antrieb ****
Der R6-Vierer ist sehr spitz und hat untenrum keinen Bums; darauf kann man sich einstellen. Nervig war die harte Gasannahme des Test-Bikes.
Fahrwerk ****
Die Yam fährt übers Vorderrad wie ein Champion. Leider stören am Kurveneingang die etwas zu konservativ zupackenden Bremsen.
Ergonomie *****
Welche Spielwiese ist doch diese Yamaha: Sie bietet viel Platz zum Turnen und offeriert dem Piloten immer einen sehr sportlichen Arbeitsplatz.
Fahrspaß *****
Wenn im R6-Puzzle alle Teile passen, gibt es kein Halten mehr. Kein Vierer brüllt lauter und dreht wilder, keine Japanerin legt schneller um als sie.
Urteil
Auf der Renne ist die Yam eine Macht. Leider konnten ihre Bremsen und die harte Gasannahme nicht mit der Siegerin mithalten.
Kawasaki Ninja ZX-6R |
Triumph Daytona 675 |
Yamaha YZF-R6 |
Bridgestone spendierte für den Vergleichstest drei Satz BT 003 in Type 4 (soft) für vorn und Type 3 (medium) für hinten. Für vorn und hinten sind insgesamt jeweils 3 Mischungen erhältlich, Type 2 ist die härteste.
In Calafat überzeugten die Gummis vor allem durch feisten Grip auf sehr hohem Niveau, der über den gesamten Tag kaum nachließ. Lediglich Arne Tode bemerkte, dass der BT 003 nach ein paar sehr zügigen Runden etwas abbaut, dann aber konstant sein Haftungsniveau behält.
Nachhaltig beeindruckte der BT 003 durch seine Standfestigkeit: Auf der Yamaha YZF-R6 steckte er 63 Runden weg, ohne aufzugeben oder aufzureißen. Respekt!