Verzögerung aus hohen Geschwindigkeiten

Verzögerung aus hohen Geschwindigkeiten Ready for break off

Im Gegensatz zu Flugzeugen heben selbst 300 km/h schnelle Bikes nicht ab. Umso wichtiger ist deshalb eine effektive Verzögerung.

Sonntag früh um sieben: Die leere Autobahn von Singen nach Stuttgart animiert zu zügiger Gangart, und deshalb steht die Tachonadel der Kawasaki ZX-12 R jenseits des letzten Skalenstrichs. Der markiert die Schallmauer: 300 km/h. Nur ein einsamer Omnibus zieht knapp 300 Meter voraus seine Bahn. Kein Grund also, mit der rechten Hand zu zucken. Doch urplötzlich zieht der Touristencontainer nach links, um ein für den Motorradfahrer bis dato verdecktes holländisches Wohnwagengespann zu überholen. Jetzt nur auf die Bremse und deren Dosierung konzentrieren, schießt es dem Fahrer durch den Kopf. In knapp acht Sekunden zoomt sich das Heck des Omnibus vom kleinen Punkt bis zur Originalgröße in die Optik des Motorradfahrers, um sich endlich nach 450 Metern Bremsweg bei 100 km/h formatfüllend vor der Kawa zu stabilisieren.
Dabei erscheint der Bremsweg geradezu unendlich. Nicht von ungefähr, denn mit steigender Geschwindigkeit verlängern sich die Anhaltewege quadratisch. Aus 300 km/h ist der Bremsweg bei gleicher Verzögerung demnach neun, aus 200 km/h vier mal länger als aus 100 km/h. Ein kleiner Trost: Schützenhilfe leistet die Luft, die den Fahrer mit steigender Geschwindigkeit überproportional abbremst. Bei 300 km/h verzögert der Luftwiderstand bei geschlossenem Gasgriff und gezogener Kupplung das Motorrad mit 6,2 m/s², einem Wert, den der Normalfahrer bei geringen Geschwindigkeiten gerade mal als Maximum erreicht. Doch die Windbremse lässt schnell nach. Bei 200 km/h sind es nur noch 2,9 m/s², bei 100 km/h inklusive Rollwiderstand eben mal 1,2 m/s². Der Luftwiderstand unterstützt also die Bremsung, indem er sich zur eigenen Verzögerung addiert.
Bei der Probe aufs Exempel schafft Testfahrer Carsten Schwers bei einer Vollbremsung aus 250 km/h denn auch eine Verzögerung von knapp 15 m/s² während aus 100 km/h nur noch knapp 10 m/s² anstehen. Viel besser kann es auch Moto GP-Pilot Sete Gibernau nicht. Mit der Werks-Suzuki bremst er die Start-Ziel-Gerade in Katalunya aus 300 km/h mit beachtlichen 20,8 m/s² an, bei 250 km/h liegt er dann knapp über dem Niveau der ZX-12 R.
Werte, die in etwa auch gute Sportwagen erzielen. Einzig Formel 1-Renner können in der Verzögerung noch gewaltig zulegen. Ebenfalls auf der Rennstrecke von Catalunya schafft Nick Heidfeld im Sauber Petronas beim Anbremsen auf der Start-Zielgeraden bei 300 km/h sensationelle 41 m/s², ein Wert, welcher die vierfache Erdanziehungskraft übersteigt. Dabei hilft nicht nur der dank katastrophaler Aerodynamik extreme Luftwiderstand des Monoposto, sondern mehr noch der enorme Abtrieb, bei dem der Rennwagen durch aerodynamische Hilfsmittel bei 300 km/h mit rund dem dreifachen seines eigenen Gewichts auf den Asphalt gepresst wird und dementsprechend hohe Verzögerungen realisieren kann.
Doch eines gilt für Zwei- und Vierradpiloten gleichermaßen: Trotz der luftigen Unterstützung ist es Ratsam bei hohen Geschwindigkeiten zwischen sich und dem Vordermann immer ein ausreichendes Luftpolster zu lassen.

Bremsung aus 300 km/h

Die Formel 1 bremst bei hohen Geschwindigkeiten alles auf zwei und vier Rädern aus und ist selbst hochkarätigen Sportwagen haushoch überlegen. Weit weniger dominant gibt sich ein Moto GP-Bike gegenüber supersportlichen Zweirädern (links). Der geringere Geschwindigkeitsabbau der Kawasaki ZX 12- R gegenüber dem Grand-Prix-Bike zwischen 220 und 150 km/h (unten) resultiert aus dem höheren Schlupf am Vorderrad, der in unregelmäßigen Abständen immer wieder stark ansteigt. Allein der Luftwiderstand trägt bei hohen Geschwindigkeiten kräftig zur Verzögerung bei (links) und unterstützt den Fahrer beim Bremsen. Bei niedrigen Geschwindigkeiten ist dann nur noch der Rollwiderstand wirksam.

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