Wer in die Zukunft blicken möchte, ist meistens auf Handlesen oder Sterndeuten angewiesen mehr ist nicht drin. Der neue Moto-Guzzi-Chef hat es da leichter. Er braucht sich nur in der Szene umzuschauen, um kreative Lösungen rund um den V2 zu finden.
Da wäre zum Beispiel die 1100 Supertwin von Ghezzi & Brian. Der gelungene Versuch, das Motorrad zu minimieren. Ein Maschine zum Angucken, Reinkriechen, Drunterliegen - stundenlang. Dabei ist auf den ersten Blick klar: Hier hat der Handwerker das Sagen. Funktion hat Vorrang, aber die Funktion hat auch Formen. Klar und gerade. Wie der Rahmen, der sich aufs Notwendigste reduziert, den Motor zur Stabilisierung nutzt, mit kurzen geraden Stahlrohren und Vierkantprofilen, die gleichzeitig als Luftfilterkasten dienen. Einfach klasse gemacht.
Und dann diese Bremsen. Sorgen für Menschenaufläufe an jeder Tanke. Innen umfassende Bremszangen so die technisch korrekt Bezeichnung der italienischen Braking-Anlage. Im echten Leben vom staunenden Publikum aber eher als der pure Wahnsinn betitelt. Und das Schönste daran: Sie funktioniert tatsächlich. Extrafein zu dosieren und satt in der Wirkung. Kein Wunder, bei 420 Millimeter Außendurchmesser der an der Felge schwimmend gelagerten Riesenscheiben haben die Vierkolbenzangen leichtes Spiel.
Auch in anderen Belangen funktioniert die Ghezzi & Brian Guzzi fast perfekt. Sie schlüpft tadellos um die engsten Haarnadelkehren, kurvt messerscharf durch schnelle Bögen und hat für alle Lenkbefehle ein offenes Ohr. Auch wenn die Guzzi oberhalb des landstraßenkonformen Tempolimits durch die spürbar zunehmende Steifigkeit nach kraftvoll eingebrachten Lenkimpulsen verlangt, sind verzwickte Wechselkurven ihr ureigenstes Revier.
Vorn im gängigen 120er-Format, hinten mit einem schlanken 160er-Dunlop D 207 bereift, beugt sich die Rote widerstandslos in akrobatische Schräglagen und bleibt stabil in der Bahn. Selbst hochgradig zerschundenen Asphalt bügeln die Paioli-Gabel und das via Umlenkhebel beaufschlagte Bitubo-Federbein weitestgehent glatt, müssten allerdings für Gesellen, die sich ans Jagen japanischer Plastikbomber wagen, zwei Stufen härter ausgelegt sein.
Bei aller Sportlichkeit verwöhnt die Ghezzi & Brian ihren Reiter mit einer gertenschlanken und komfortablen Tank-Sitzbank-Kombination, dazu greifen die Hände passend gekröpfte Lenkerhälften. Spontan geht der Motor ans Gas, kein Rucken, kein Zucken. Dafür bollernder Schub aus zwei Bierkrug großen Pötten, was jedoch nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass bei dem Testexemplar statt der versprochenen 94 nur gemessene 83 PS zur Stelle sind. Ausgerechnet im mittleren Drehzahlbereich, dort wo sich das Leben auf Landstraßen abspielt, breitet sich eine gewisse Müdigkeit aus, die erst in den oberen Drehzahlen einer immer noch sehr unterhaltsamen Drehfreudigkeit weicht.
Und so passiert es, dass einen beim vergnüglichen Ausdrehen des 1100 cm3 großen Triebwerks die schiere Kraft der längs zur Fahrtrichtung laufenden Schwungmasse nach jedem Schaltvorgang ins Kreuz tritt, die Guzzi für einen kurzen Augenblick aus der Bahn geworfen wird. Trotzdem tut man es immer wieder gerne. Weil dieser massige V2-Motor seit seiner sportlichen Premiere Anfang der siebziger Jahre in der Moto Guzzi V7 Sport bis ins Computerzeitalter nichts an Faszination und Eigenwilligkeit verloren hat.
Szenenwechsel: Dynotec V11 Sport. Besitzer: Jens Hoffmann. In Guzzi-Kreisen ein guter Name. Weil er einer ist, dem beim Anblick eines Mandello-V2 das Herz bis zum Hals schlägt und der trotzdem nicht vor Ehrfurcht erstarrt, sondern seit Jahren selbst Hand anlegt. Die Maxime bei seiner persönlichen V11-Version: kleine Schwächen ausmerzen, den Charakter bewahren.
Als erstes nahm er sich die Zylinderköpfe vor. Selbst gefertigte Nockenwellen, kohlenstoffbeschichtete Ventile, neue Ventilfedern, dazu Ventilsitze und Brennraum bearbeitet. Kombiniert mit Doppelzündung, BMC-Luftfilter, geänderter Einspritzanlage, konischen Krümmern und BOS-Schalldämpfer mit ABE: Fertig sind satte 106 PS bei 7600/min.
Über die Art und Weise, wie der V2 nach dieser Kur zu Werke geht, sagt dieser Wert freilich nichts aus, weil Prüfstände eine sehr nüchterne Angelegenheit sind. Die Dynotec V11 hingegen wird schon auf den ersten Metern zur Herzenssache. Bollert los, als gäbe es kein Morgen, überträgt den satten Zweizylinderschlag umgehend in die Magengrube des Piloten, stürmt aus den Tiefen des Drehzahlkellers geradewegs ohne Dellen in den Umdrehungszenit, um dann im nächsten Gang akuraten Anschluss zu finden. Mit der synthetischen Kraftentfaltung eines Reihenvierers hat das nichts zu tun. Im Gegenteil: Die extrovertierte Leistungsentfaltung sorgt in Kombination mit den stets präsenten mechanischen Geräuschen für allerhöchsten Fahr- und Hörgenuss.
Unter der Maßgabe »Handlichkeit erhalten, Stabilität erhöhen« nahm sich Hoffmann des Fahrwerks an, reduzierte den Gabelbrückenversatz, um den bekanntermaßen kränkelnden Geradeauslauf zu stabilisieren. Damit das nicht auf Kosten des guten Handlings geht, drehen sich in der V11 nun superleichte PVM-Schmiedefelgen. Verzögert wird mit einer Sechskolbenbremsanlage desselben Herstellers. Die Dämpfungsarbeit im Heck übernimmt ein Öhlins-Federbein mit breiterem Einstellbereich, das sich besser auf die eher soft ausgelegte, serienmäßige Bitubo-Gabel abstimmen lässt. Komplettiert werden die Änderungen von einem Öhlins-Lenkungsdämpfer, MR-Lenkerhälften und einem längeren Hebel für die Bremsmomentabstützung, die den Lastwechselreaktionen ihre Schärfe nehmen.
So umgerüstet bleibt die Dynotec V11 eine V11, gibt sich aber ausgewogener. Biegt federleicht ins Eck, bollert kraftvoll heraus, um sich begierig ins nächste zu stürzen, liegt satt in Schräglage und lässt sich auch von groben Fahrbahnunebenheiten nicht aus der Ruhe bringen. Nach wie vor aber gilt: Diese Dynamik erschließt sich in ihrer ganzen Breite nur jenen, die sich voll und ganz auf Guzzi einlassen. Sich mit den nach wie vor vorhandenen Eigenmächtigkeiten bei Lastwechseln arrangieren und sich vom Wankelmut des Rahmens bei hohen Tempi nicht irritieren lassen. Daher wünscht sich Jens Hoffmann für die nächste Moto-Guzzi-Generation vor allem zwei Dinge: einen steiferen Rahmen und ein kürzeres Getriebe. Letzteres würde die Verwendung einer längeren Schwinge erlauben. Und die würde sportlichen Guzzis das Leben deutlich leichter machen.
Dem Cruiser-Modell der Italiener nahm sich Hans Peter Länge, Chef der Firma Moto Spezial im schwäbischen Gomadingen . Um das Herz der California schuf er mit der Sportiva 1100 i ein neue Guzzi pardon, Moto Spezial wie sie klassischer nicht sein kann. Doch Länge wäre nicht Länge, wenn er seiner Sportiva trotz des konservativen Auftritts nicht außergewöhnliche technische Lösungen spendiert hätte. Das Prunkstück: eine Einspritzung, die sich zwar der serienmäßigen Kraftstoffpumpe, Sensoren und Einspritzdüsen bedient, aber frei programmierbar ist und deren Schaltzentrale im ebenfalls von Moto Spezial selbst gefertigten Kombi-Element untergebracht ist.
Neben dem vorbildlichen Ansprechverhalten unter allen Lastzuständen brachte die schwäbische Kur ordentliche 80 PS, G-Kat-gereinigte Abgase und eine oberschwäbische Tugend mit sich: 2,6 Liter Spritverbrauch bei konstant 100 km/h und nur 5,5 Liter bei Tempo 160 gehen selbst auf der Alb als sparsam durch. An der Ausstattung der Sportiva wurde hingegen nicht geknausert. Alles edel, alles gediegen. Upside-down-Gabel mit Wälz- statt Gleitlagern, Luft-Federbeine, feine Speichenräder, kunststoffbeschichteter Rahmen, gefräste Fußrastenhalterungen, kurz: zum Fahren eigentlich zu schade.
Wer es dennoch tut, erlebt eine angenehme Überraschung: Die Sportiva fährt so gut wie sie aussieht. Oder besser so herrschaftlich. Schwingt würdevoll, elegant und präzise um Biegungen aller Art, während der Fahrer mit einer sanften Bewegung der Gashand bestimmt, in welchem Tempo die Ländereien an ihm vorbeiziehen Sportiva 1100 i das ist Guzzi-Feeling auf eine ganz unaufdringliche, gleichwohl aber sehr pointierte Art.
Paolo Gattuso hat damit wenig am Hut. Bei seiner Guzzi zählt nur eins: schnell sein. Darum tat sich der Italiener mit zwei weiteren Guzzi-Maniacs zusammen und konstruierte kurzerhand komplett neue, wassergekühlte Köpfe und Zylinder. Dort führen nun die Einlasskanäle strömungsgünstig auf geradem Wege von oben in die Zylinderköpfe, wo zwei obenliegende Nockenwellen vier Ventile steuern. Die Gemischaufbereitung übernimmt wiederum die von Länge unter Federführung von Peter Großhans entwickelte Einspritzung. So gerüstet sollen bereits auf Le Mans III-Basis 110 PS am Hinterrad möglich sein.
Rund um diesen wild zerklüfteten Motor bauten die Italiener ein eigenes Fahrwerk mit Alu-Zentralrohrrahmen, selbst gefertigter Schwinge und Paioli-Renngabel. Allein: So recht erfolgreich war die Gattuso-Guzzi noch nicht. Zu häufig ging der Motor entzwei. Ein Problem, dem Ivano Beggio sicher Herr werden würde. Wenn sein Traum-V2 vier Ventile und Wasserkühlung hätte.
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