Gleich sieben MOTORRAD-Tester plagten im Rahmen eines aufwendigen Vergleichstests verschiedene Bremsbeläge für die BMW R 1200 GS/Adventure.
Gleich sieben MOTORRAD-Tester plagten im Rahmen eines aufwendigen Vergleichstests verschiedene Bremsbeläge für die BMW R 1200 GS/Adventure.
Rund 4500 Kilometer liegen hinter jedem der sieben zum Test eingeladenen Bremsbeläge für die vordere Doppelscheibenbremse der BMW R 1200 GS/Adventure. Den größten Teil davon, nämlich 4300 Kilometer, legten die Kandidaten im Rahmen eines aufwendigen Langstreckentests zurück, der eine Beurteilung des Verschleißverhaltens der einzelnen Beläge sowie der zugehörigen Bremsscheiben ermöglichte (siehe Kasten rechts). Den Rest absolvierten die Probanden bei den Funktionstests, die nach bewährtem Muster mit frisch ein-gefahrenen, neuen Belägen stattfanden.
Zu den Teilnehmern gehörten ausschließlich Sintermetall-Bremsbeläge. Sechs Zubehör-Modelle der Marken Braking, Brembo, Carbone Lorraine, EBC, Ferodo und Lucas stellten sich einem Vergleich mit den BMW-Serienstoppern. Nachfolgend die einzelnen Kriterien samt Kurzbeschreibung.
Ansprechverhalten (10 Punkte): Bereits auf leichtes Zupfen am Bremshebel sollte möglichst ohne Zeitverzögerung eine spürbare Bremswirkung erfolgen.
Druckpunkt (10 Punkte): Ergibt sich bei Zug am Bremshebel ein klar definierter Widerstand oder wirkt das Ganze eher weich und matschig? Allerdings können selbst die besten Zubehörbeläge mit der eher zäh wirkenden Bremsanlage der BMW R 1200 GS keine Wunder vollbringen.
Dosierbarkeit (10 Punkte): Ideal, wenn die Bremswirkung proportional zur Handkraft zunimmt. Das ist bei den meisten Testkandidaten der Fall. Beläge mit prog-ressivem Bremskraftverlauf wie die von Braking oder EBC, bei denen die Bremswirkung überproportional ansteigt, sind von weniger geübten Fahrern und bei Schreckbremsungen nur schwer zu dosieren.
Handkraft (10 Punkte): Je geringer die Bedienkräfte ausfallen, desto ermüdungsfreier lässt es sich fahren und bremsen. Genügt bereits ein Finger für vehemente Verzögerungswerte wie bei Braking, Brembo oder Lucas, freut sich auf längeren Touren die Hand- und Unterarmmuskulatur.
Wirkung kalt (15 Punkte): Wenn die komplett abgekühlten Beläge auch bei der ersten Bremsung nach einer Rast zuverlässig und ohne Zeitverzögerung wirkungsvoll zubeißen, bringt das wertvolle Punkte. Besonders erwähnenswert: die abrupt zupackenden Braking.
Wirkung warm (15 Punkte): Wie hoch ist die maximal realisierbare Verzögerung mit warm gefahrener Bremsanlage?
Fading (15 Punkte): Auch nach vielen kurz hintereinander ausgeführten Bremsmanövern sollte die volle Bremswirkung erhalten bleiben. Weder sollten die benötigten Handkräfte zunehmen noch der Druckpunkt merklich wandern. Vor allem die Serienbeläge schwächeln bei dieser Prüfung. Braking, EBC und Lucas zeigen sich auch nach vier schnell aufeinander folgenden Vollbremsungen aus gut 100 km/h unbeeindruckt.
Bremsbelagverschleiß (10 Punkte): Beläge, die schnell verschleißen, müssen früher gegen neue getauscht werden. Geringer Verschleiß schont also das Budget.
Bremsscheibenverschleiß (5 Punkte): Wie stark setzen die verwendeten Beläge den Bremsscheiben der BMW zu?
BMW
Typ: 34 11 7 683 064
Anbieter: BMW Motorrad, Telefon 0180/5001972, www.bmw-motorrad.de
Preis: 144,70 Euro
Plus
Akzeptables Ansprechverhalten; exakt zu do-sieren; noch akzeptable Handkräfte (mindestens zwei Finger); ausreichende Bremswirkung in warmem Zustand; sehr geringer Bremsscheibenverschleiß
Minus
Matschiger Druckpunkt; nur mäßige Bremswirkung in kaltem Zu-stand; deutlich spürbares Fading bereits ab der zweiten Vollbremsung in Folge; vergleichsweise hoher Bremsbelagverschleiß
Fazit
Die von BMW offerierten, teuren Serienbeläge fallen gegenüber den wesentlich preisgünstigeren Zubehörangeboten deutlich ab. Mit den Bremsscheiben gehen die Stopper zwar sehr zu-rückhaltend um, dafür verschlissen die in kaltem und heißem Zustand wenig überzeugenden Beläge im Rahmen des Langstreckentests vergleichsweise schnell.
Braking
Typ: 892 CM 55
Anbieter: Uwe Keszler GmbH, Telefon 04334/ 18760, www.braking.de
Preis: 86,90 Euro
Plus
Sprechen spontan an; mäßig fester Druckpunkt; sehr geringe Bedienkräfte (ein Finger genügt); in kaltem und warmem Zustand hervorragende Bremswirkung; auch nach vier Vollbremsungen in Folge absolut fadingfrei im Test; sehr geringer Bremsscheibenverschleiß
Minus
Durch starke Progression mit zunehmender Handkraft nur schwer zu dosieren; vergleichsweise hoher Bremsbelagverschleiß
Fazit
Schon beim Einfahren beißen die Beläge aggressiv in die Scheiben. Für sportlich ambitionierte GS-Treiber, die mit dem progressiven Bremskraftverlauf (mit zunehmender Handkraft stark zunehmende Verzögerung) klarkommen, sind die bei jeder Temperatur vehement zupackenden Braking eine sehr gute Wahl.
Brembo
Typ: 07 BB 26 SA
Anbieter: Brune, Telefon 02504/73440, www.brunegmbh.de
Preis: 80,50 Euro
Plus
Sprechen spontan an; mäßig fester Druckpunkt; sehr exakt zu dosieren; sehr geringe Bedienkräfte (ein Finger genügt); in kaltem und warmem Zustand sehr gute Bremswirkung; erst nach der vierten Vollbremsung in Folge ganz geringes Fading spürbar; geringer Bremsbelagverschleiß; sehr geringer Bremsscheibenverschleiß
Minus keine Negativpunkte zu verzeichnen
Fazit
Ein tadelloses Ergebnis ohne echte Schwachpunkte bringt die knallig rot lackierten Brembos zusammen mit den Lucas-Belägen auf Platz eins. Besonders überzeugend: die hervorragende Dosierbarkeit und die geringen Handkräfte.
Carbone Lorraine
Typ: 1101 SBK 5
Anbieter: Kfz GmbH, Telefon 0731/9709050, www.carbone-lorraine.de
Preis: 91,40 Euro
Plus
Akzeptables Ansprechverhalten; mäßig fester Druckpunkt; exakt zu dosieren; geringe Bedienkräfte (ein bis zwei Finger genügen); in kaltem Zustand noch akzeptable, in warmem Zustand gute Bremswirkung; erst nach der vierten Vollbremsung in Folge ganz geringes Fading spürbar
Minus
Klar messbarer Bremsbelagverschleiß; höchster Bremsscheibenverschleiß im Vergleich
Fazit
Die SBK 5 sind den Serienbelägen in fast allen Funktions-Kriterien überlegen und somit für BMW-GS-Besitzer durchaus eine Empfehlung wert. Kaufpreis und Bremsscheibenverschleiß fallen im Vergleich mit den anderen Zubehörstoppern jedoch deutlich zu hoch aus.
EBC
Typ: FA 335 HH
Anbieter: EBC Brakes Germany, Telefon 0421/8725544, www.ebc-brakes.de
Preis: 83,20 Euro
Plus
Noch akzeptable Handkräfte (mindestens zwei Finger); in warmem Zustand gute Bremswirkung; auch nach vier Vollbremsungen in Folge absolut fadingfrei im Test; sehr geringer Bremsbelag- und Bremsscheibenverschleiß
Minus
Leicht verzögertes Ansprechverhalten; matschiger Druckpunkt; durch starke Progression mit zunehmender Handkraft nur schwer zu dosieren; nur mäßige Bremswirkung in kaltem Zustand
Fazit
Trotz ordentlichem Gesamtergebnis sind die EBC für die GS-Klientel nicht uneingeschränkt zu empfehlen. Langstreckenfahrer freuen sich zwar über sehr geringen Verschleiß, werden jedoch durch nur mäßiges Kaltbremsverhalten abgeschreckt. Das tadellose Fadingverhalten spricht die Sportfraktion an. Sie kommt auch mit dem progressiven Bremskraftverlauf klar.
Ferodo
Typ: FDB 21 25 ST
Anbieter: Paaschburg und Wunderlich, Telefon 040/2482770, www.pwhamburg.de
Preis: 84 Euro
Plus
Akzeptables Ansprechverhalten; mäßig fester Druckpunkt; exakt zu dosieren; geringe Bedienkräfte (ein bis zwei Finger genügen); in kaltem Zustand gute, in warmem Zustand akzeptable Bremswirkung; auch nach vier Vollbremsungen in Folge nahezu fadingfrei im Test; sehr geringer Bremsbelag- und noch akzeptabler Bremsscheibenverschleiß
Minus
Keine Negativpunkte zu verzeichnen
Fazit
Die Ferodo schlängeln sich ohne echte Schwäche durch den Testparcours und sammeln fleißig Punkte, ohne jedoch in den einzelnen Kriterien ganz an die Spitze zu gelangen. Einzige Ausnahme: der bemerkenswert geringe Bremsbelagverschleiß. Insgesamt sind die aus Norditalien stammenden Beläge für GS-Fahrer eine Empfehlung wert.
Lucas
Typ: MCB 748 SV
Anbieter: TRW Kfz-Ausrüstung, Telefon 02631/9120, www.lucas-bikersworld.com
Preis: 71,90 Euro
Plus
Sprechen spontan an; mäßig fester Druckpunkt; sehr exakt zu dosieren; sehr geringe Bedienkräfte (ein Finger genügt); in kaltem und warmem Zustand sehr gute Bremswirkung; auch nach vier Vollbremsungen in Folge absolut fadingfrei im Test; sehr geringer Bremsscheibenverschleiß
Minus
Klar messbarer Bremsbelagverschleiß
Fazit
Bis auf den nur durchschnittlichen Bremsbelagverschleiß zeigen die Beläge von Lucas, dass sie bestens zur GS-BMW passen. Die perfekte Dosierbarkeit, die geringen Handkräfte und das exzellente Fadingverhalten sichern den Stoppern zusammen mit den Brembo einen wohlverdienten Platz eins in diesem Vergleichstest.
Den Reifenverschleißtest mit sieben BMW R 1200 GS Adventure über 4300 Kilometer nutzte MOTORRAD, um parallel die sieben Bremsbeläge auf ihre Lebenserwartung hin zu untersuchen. Vor und nach der Testfahrt wurden alle Beläge und die zugehörigen Bremsscheiben jeweils an mehreren Stellen mit einer Mikrometerschraube vermessen. Aus acht Messstellen pro Kandidat berechnete MOTORRAD den durchschnittlichen Verschleiß an Belägen und Scheiben über die gesamte Testdistanz.
Bewertungsskala Belagverschleiß (maximal 10 Punkte):
Dass sich je nach verwendeten Bremsbelägen unterschiedliche Bremswege realisieren lassen, dürfte den meisten Motorradfahrern bekannt sein wenn sie es nicht gar schon selbst erfahren konnten. Wenigstens ebenso interessant ist der Einfluss unterschiedlicher Reifen auf den Bremsweg. MOTORRAD hat im Rahmen des Reifentests mit der BMW R 1200 GS (Ausgabe 11/2008) für sieben verschiedene Reifenpaarungen die Bremswege aufgezeichnet, die ausnahmslos mit Serienbremsbelägen ermittelt wurden. Bei trockener Fahrbahn sind die Unterschiede noch relativ gering bei nasser Fahrbahn ganz immens. Bei Regenfahrten gilt darum: Entscheidend für eine hohe Verzögerung bei nasser Fahrbahn sind nicht die verwendeten Bremsbeläge, sondern die Reifen.
Hersteller-Angaben zum Umgang mit neuen Bremsbelägen sind sehr unterschiedlich und oft wenig hilfreich. Da heißt es etwa: Auf den ersten 160 Kilometern vorsichtig einfahren. Die Einfahrzeit an der Kilometerleistung festzumachen hat aber wenig Sinn, schließlich fordern hunderte Autobahnkilometer die Bremsbeläge weit weniger als eine Handvoll Kilometer in den Alpen. Deshalb sollte man neue Beläge ganz bewusst einfahren, wozu man sich am besten eine wenig frequentierte Landstraße sucht. Langsam gesteigerten Bremsverzögerungen, zwischen denen die Beläge ausreichend Zeit zum Abkühlen bekommen sollten, folgen einige Vollbremsungen aus rund 100 km/h ebenfalls mit reichlich Abkühlzeit. Wer wissen möchte, ob die Beläge ausreichend eingefahren sind, baut sie wieder aus und schaut, ob die Stopper bereits komplett an den Scheiben anliegen (deutlich sichtbar an der Belagoberfläche). Erst dann sind maximale Verzögerungen möglich.
In diesem Vergleich verstecken sich keine wirklich schlechten Bremsbeläge. Einen klaren Verlierer gibts dennoch: die BMW-Serienstopper. Im Vergleich mit den Zubehör-Be-lägen sind sie extrem teuer und von den Funktionswerten her nicht gerade berauschend. Für den Alltagseinsatz reichts zwar allemal, doch wer zur Abwechslung die Testsieger von Brembo oder Lucas oder die sportlich-aggressiven Braking ausprobiert, merkt schnell, wieviel höher diese Kandidaten die Messlatte legen. Dabei kosten beispielsweise die Beläge von Lucas nicht einmal halb so viel wie die von BMW.