Service - Elektronikzündungen für Klassiker

Service - Elektronikzündungen für Klassiker Zündende Alternativen

Inhalt von

Viele Eigner eines Klassikers oder Young­timers spielen mit dem Gedanken, die ­wartungsintensive Kontakt­zündung gegen eine elektronische zu tauschen. Wir ­zeigen, welche unterschiedlichen Nachrüstlösungen, Ausbaustufen und Techniken der Zubehörmarkt bei­ ­Elektronikzündungen bietet.

Zündende Alternativen Fred Siemer

Eine konventionelle kontaktgesteuerte Zünd­anlage bietet viele Fehlerquellen, wie wir in der letzten Classic-Ausgabe gezeigt haben. Aber auch viele Möglichkeiten, um deren Funktion und Zuverlässigkeit zu verbessern. Zu den größten Schwachpunkten einer Kontaktzündung gehören die Unterbrecherkontakte. „Wenn man diese von den hohen Schaltströmen entlastet, ist bereits viel gewonnen“, erklärt Zweiradmechaniker-Meister Wolfgang Schelbert aus Seeshaupt (www.wolfis-garage.de). „Das verringert die Abnutzung der Kontakte, außerdem bleibt die korrekte Einstellung lange erhalten und HF-Störungen, also Radio-Störungen, sind kein Thema mehr.“ Angenehmer Nebeneffekt: Ohne ­hohe Schaltströme gibt es keine Abrissfunken an den Kontakten, weshalb man ohne Kondensatoren auskommt. Diese Vorteile ermöglicht ein kontaktgesteuerter Thyristor beziehungsweise Transistor, der zwischen Zündspule und den Unterbrecherkontakten angeschlossen wird.

Kompletten Artikel kaufen
Service - Elektronikzündungen für Klassiker Zündende Alternativen
Sie erhalten den kompletten Artikel (6 Seiten) als PDF

Simpel: Einbau einer Thyristorzündung

Im Handel findet man solche Zündanlagen meist unter der Bezeichnung „elektronische kontakt­gesteuerte Zündung“. Der sogenannte kontakt­gesteuerte Thyristor oder Transistor steuert dabei den ­Impuls für den Zündfunken. Da der Thyristor (beziehungsweise Transistor) jedoch nicht „weiß“, wann er schalten soll, benötigt er noch den Impuls des Unterbrecherkontakts. Hierfür genügt ein schwacher Schaltstrom aus dem Bordnetz (50 bis 60 mA), der an den Unterbrecherkontakten als niedriger Steuerstrom anliegt. Solche Zündungen werden von verschiedenen Nachrüst-Anbietern zu Preisen von 50 bis 100 Euro angeboten (siehe Seite 129). 

Dabei handelt es sich quasi um die erste Stufe von elektronischen Nachrüst-Zündanlagen. Solche Thyristorzündungen bieten neben der Verschleißreduzierung an den Unterbrecherkontakten dank der hohen Schaltgeschwindigkeit des elektronischen Schalters auch den Vorteil einer deutlichen Er­höhung der Spannung in der Zündspule. Das hat ­einen stärkeren und damit zuverlässigeren Zündfunken zur Folge, der wiederum den Kaltstart erleichtert und für einen runderen Motorlauf sorgt.

Etwas aufwendiger gebaute Thyristor-Zünd­anlagen bestimmen den Schließwinkel automatisch. Dieser hängt dann nicht mehr vom Abstand des Unterbrecherkontakts ab, sondern wird von der Elektronik geregelt. Vorteil: Ändert sich der Kontaktabstand des Unterbrechers durch Verschleiß, bleibt das ohne Einfluss auf den Schließwinkel. ­Einzig der Zündzeitpunkt verändert sich leicht. Weil der Kontaktabstand nicht mehr entscheidend ist für die Aufladezeit der Zündspulen, erfordern solche Thyristorzündungen nur noch eine korrekte Einstellung des Zündzeitpunkts. Dank des stark ­reduzierten Verschleißes an den Unterbrecherkontakten versprechen die Anbieter der elektronisch gesteuerten Kontaktzündungen bis zu 50 000 Kilometer Laufleistung ohne Kontrolle der Kontakte. 

Die Umrüstung auf eine Thyristorzündung ist zudem ohne tiefgreifende Änderungen am vorhandenen Zündsystem möglich, da die vorhandene Zündspule und die Unterbrecherkontakte samt ­mechanischer Zündzeitpunktverstellung weiterverwendet werden. Die Schaltboxen sind kaum größer als eine Schachtel Streichhölzer oder eine kleinere Zigarettenpackung. Beim Einbau jedoch darauf achten, dass die Schaltbox einen Platz findet, wo sie vor Spritzwasser geschützt ist, etwa unterm Tank oder im Rahmendreieck. Die Box wird entweder verschraubt oder mit Kabelbindern am Motorrad befestigt. „Selbst im Fall eines Defekts der Elektronikschaltung haben Thyristor-Zündanlagen noch einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Nachrüstsystemen“, ergänzt Wolfgang. „Belässt man näm­lich die abgeklemmten Kondensatoren am Motorrad, lässt sich bei einer Störung ganz einfach durch Umstecken der Leitungen innerhalb weniger Minuten die Kontaktzündung wieder reaktivieren.“ 

Diese simplen Nachrüstzündungen haben allerdings den Nachteil, dass sie nach wie vor die mechanische Zündzeitpunktverstellung benötigen –  die Elektronik steuert ja nur den Impuls des Zündfunkens. „Da die über Federn gesteuerte Zünd­verstellung mit zunehmendem Verschleiß immer ungenauer arbeitet, leidet darunter letztlich auch bei einer elektronisch kontaktgesteuerten Zündung der exakte Zündfunke“, weiß Wolfgang. Besser sind Nachrüst-Varianten mit einer elektronischen Zündzeitpunktverstellung (dazu weiter unten).

Besser mit elektronischen Kontakten

Um die Nachteile mechanischer Unterbrecherkontakte zu eliminieren, werden sie bei vielen Nachrüstzündungen durch elektronische Kontakte ersetzt. Hierbei gibt es zwei Varianten: „Entweder kommen Licht-, Laser- oder Infrarot-Sensoren (IR-Sensoren) zum Einsatz. Oder alternativ sogenannten Hallgeber“, erklärt der erfahrene Zweiradmechaniker die unterschiedlichen Nachrüstlösungen. Die bessere als Ersatz für den Unterbrecherkontakt ist ohne Zweifel jene mit Hallgeber, da dieser unempfindlich gegen Schmutz ist. Probleme bereiten Infrarot-Sensoren beispielsweise beim Einstellen. Das ist bei Tageslicht nicht möglich, da die Zündung durch Sonnenlicht gestört werden kann! 

Unabhängig von der Verwendung des Sensortyps ist ein Umbau des Nockens zur Betätigung des Unterbrecherkontakts nötig. Anstatt des Nockens kommt bei Lichtsensoren meist eine Scheibe mit Schlitzen oder Nasen zum Einsatz, bei Hallgebern eine mit umlaufenden Magneten beziehungsweise Nasen. Wie bei der ersten Ausbaustufe der elektronischen Zündung mit Unterbrecherkontakt-Steuerung sorgt auch bei jenen mit elektronischen Schaltern ein Steuergerät für den korrekten Zündzeitpunkt. Bei einigen kostengünstigeren elektronischen Zündungen bleibt weiterhin die mechanische Zündverstellung der originalen Zündung in Funktion. ­Diese Art der elektronischen Zündung kann man daher auch als zweite Ausbaustufe bezeichnen. „Solche Ausführungen haben die gleichen Nach­teile wie die Nachrüst-Zündanlagen der ersten Ausbaustufe“, sagt Wolfgang. „Obwohl die Unterbrecherkontakte durch elektronische Teile ersetzt werden, bringt das kaum eine weitere Verbesserung der Zuverlässigkeit, da immer noch der mechanische Zündzeitpunktversteller benötigt wird.“

Empfehlenswerter erscheint daher die Nachrüstung mit einer Zündanlage, bei der auch noch die Zündzeitpunktverstellung elektronisch geregelt wird. Erst diese vollelektronischen Nachrüstzündungen sind völlig wartungsfrei. Hier berechnet ein Microcomputer für jeden Betriebszustand den korrekten Zündzeitpunkt. Solche Elektronikzündungen funktionieren erfahrungsgemäß besser als jene mit einer mechanischen Ansteuerung über Verteiler oder Zündzeitpunktversteller. Die von der Elektronik vorgegebene Zündverstellung sollte jedoch der originalen entsprechen. „Ein Abgleich des Zündverlaufs zwischen Standgas und maximaler Frühzündung ist Pflicht beim Einbau einer vollelektronischen Zündung“, sagt Wolfgang. „Weicht er ab, weil die maximale Frühzündung zu früh oder zu spät erreicht wird, kann das viel Motorleistung kosten.“ Die Montage der meist zwischen 150 und 450 Euro kostenden Nachrüst-Zündanlagen birgt selbst für Laien keine Probleme, sofern eine ausführliche, gut verständliche Anleitung beiliegt. Das ist bei Produkten aus dem Ausland aber häufig nicht der Fall.  

Erster Schritt beim Einbau einiger dieser Nachrüstzündungen ist – speziell bei Bosch-Lichtmaschinen – die Überprüfung der magnetischen Polung. Der Pickup des dort anzubringenden Hallgebers ­arbeitet nämlich nur dann störungsfrei, wenn der magnetische Nordpol an den Schleifringen des Lima-Rotors anliegt. „Die Überprüfung erfolgt bei eingeschalteter Zündung mit einem Kompass“, erklärt Wolfgang. „Bei korrekter Polung wird der Südpol des Kompasses vom Nordpol des Lima-Rotors angezogen.“ Ist das nicht der Fall, müsste theoretisch der Rotor gewechselt werden. In der Praxis werden meist aber nur die Anschlüsse der Kohlehalter (DF+ und D) getauscht. Trotzdem kann es nach dem Umbau mitunter zu Aussetzern im Teillastbereich kommen. Die Ursache ist meist ein nicht entstörter Kontakt-Lima-Regler. Zur Fehlerdiagnose die Lima elektrisch stilllegen, indem man das Kabel „DF+“ abzieht. Sind die Zündaussetzer nun weg? Dann einfach eine Freilaufdiode zwischen die Kontakte der Kohlen löten. Das sorgt für Ruhe! 

Top: die vollelektronische Zündung

Am Beispiel einer Bosch-Lima einer Moto Guzzi V65 erklärt Wolfgang die Montage einer vollelektronischen Nachrüstzündung der Preisklasse ab 400 Euro. „Die Montage der Zündung beginnt mit dem Pickup des Hallgebers, der an die Bosch-Lima geschraubt wird. Als Aufnahme dient in unserem Fall die originale Schraubbefestigung des U-V-W-Steckers.“ Anschließend befestigt man den Zündrotor mit der Originalschraube (ohne Federring) möglichst plan direkt auf dem Lima-Rotor. „Der Abstand des Zündrotors zum Hall-Pickup darf an allen Stellen höchstens 0,2 bis 0,4 Millimeter betragen“, ergänzt der Profi. Anschließend die Zündbox, geschützt vor Spritzwasser, mit Kabelbindern oder Gummis am Rahmen befestigen. Es gibt Nachrüst-Zündanlagen, bei denen die Zündspulen ebenfalls gewechselt werden müssen, da der Schließwinkel auf die entsprechende Zündenergie der Spulen abgestimmt ist. Bei der Montage weiterhin darauf achten, dass Pickup-Leitung und Zündbox so angebracht werden, dass sie mindestens zehn Zenti­meter Abstand zu den Zündspulen und Zündkabeln haben, um Funkstörungen der Elektronik zu vermeiden. „Wichtig ist darüber hinaus eine gute ­Masseverbindung der Zündbox zum Motorgehäuse und zur Batterie“, mahnt Wolfgang. Abschließend erfolgt die Verkabelung der Zündspulen und der Zündbox. „Hierfür ist ein guter Schaltplan unabdingbar“, sagt Wolfgang. „Vertauscht man aus Versehen Plus und Minus, kann die empfindliche Elektronik unwiederbringlich zerstört werden.“ Bei ­einigen Nachrüst-Zündanlagen verlangt der Hersteller überdies den Austausch der serienmäßigen Zündkerzen gegen Iridium-Kerzen, damit die elektronische Nachrüstzündung ihre volle Leistung entwickeln kann. 

Nach der Montage ist die Grundeinstellung vorzunehmen. Hierzu genügt in der Regel eine statische Einstellung der Zündung (meist zwischen 4 Grad und 8 Grad vor OT). Dies geschieht bei einigen Zündungen durch Referenzmarkierungen, bei anderen  durch eine Prüflampe. In beiden Fällen sollte abschließend ein dynamisches Abblitzen der Zündung erfolgen. Hierzu den Motor starten und die Zündung mit einer Stroboskoplampe bei ungefähr 1200/min abblitzen. „Obwohl elektronische Nachrüst-Zündanlagen als wartungsfrei gelten, sollte man immer wieder mal ihre Einstellung kontrollieren“, empfiehlt Wolfgang. „Durch Vibrationen und Wärme können sich nämlich auch die elektronischen Unterbrecher verstellen.“ Wer die Zündung einmal jährlich abblitzt, ist auf der sicheren Seite. 

Hinsichtlich der  Zuverlässigkeit sollte man wissen, dass im Falle einer Störung eine Fehlersuche oder Reparatur von elektronischen Nachrüstzündungen mit einfachen Mitteln meist nicht möglich ist. Die Vielzahl der möglichen Fehlerursachen macht spezielle Messgeräte erforderlich. Hinzu kommt, dass Ersatzteile modellspezifisch sind und damit nur beim jeweiligen Zündanlagen-Hersteller bezogen werden können. „Auf dem Markt finden sich auch elektronische Nachrüst-Zündanlagen, die über ein Laptop oder kleine Wählschalter innerhalb der Zündbox frei programmierbar sind“, erzählt Wolfgang. „Damit lässt sich der Verlauf der Zündkurve verstellen.“ Wolfgang weiß aber sehr genau, dass solche frei programmierbaren Zündungen bei den meisten klassischen Bikes keinen Sinn machen, da man hierzu profunde Kenntnisse über die Motor­abstimmung benötigt oder zumindest genau wissen muss, wie die originale Zündkurve verläuft. Hat man diese nicht, führt eine falsche Abstimmung rasch zu einem kapitalen Motorschaden. 

Empfehlenswert sind daher aus Wolfgangs Sicht Zubehör-Varianten, deren Zündverlauf dem originalen entspricht. „Die Hersteller geben hierzu gerne Auskunft“, weiß Wolfgang. „Stimmt der Zündverlauf einer Nachrüstzündung nicht mit dem originalen überein, weil er zum Beispiel im Zuge der Modellpflege verändert wurde, können die Hersteller jenen speziell programmieren oder voreinstellen.“ Nachfragen lohnt sich daher immer!

Prinzipiell gibt es heute nämlich für jedes Motor­rad eine Nachrüstmöglichkeit. Fehlt ein spezieller Motorradtyp in den Listen eines Herstellers von Elektronikzündungen, sollte man diesen kontaktieren. Viele Anlagen, wie zum Beispiel die der ersten Ausbaustufe (sogenannte Thyristor- oder Transistorzündungen), lassen sich nämlich bei fast jedem Motorrad nachrüsten. „Allerdings kann es sein, dass man dabei die eine oder andere Befestigung selbst konstruieren muss“, weiß Wolfgang aus seiner langjährigen Praxis. „Etwas Schraubergeschick sollte man daher schon haben.“ 

Die Umrüstung lohnt sich für viele Oldies, das Startverhalten, der Leerlauf und die Laufruhe sind anschließend um ein Vielfaches besser als mit der serienmäßigen Unterbrecherzündung! Von der ­exakteren Zündkurve profitiert zudem der Durchzug spürbar. Einziger Wermutstropfen: die mitunter hohen Preise für eine Nachrüst-Zündanlage.

Zur Startseite