Zwergenaufstand in der Kurzbeinerabteilung: Harley präsentiert die besonders niedrige Sportster SuperLow. Das erste US-Niederwild, das auch Normalwüchsigen Spaß machen kann.
Zwergenaufstand in der Kurzbeinerabteilung: Harley präsentiert die besonders niedrige Sportster SuperLow. Das erste US-Niederwild, das auch Normalwüchsigen Spaß machen kann.
Nein, die Sportster ist kein typisches Frauenmotorrad. Zumindest theoretisch. Immerhin startete Harleys kleinste Baureihe vor gerade mal 53 Jahren als Gegenpol zu englischen Sportmaschinen und als dynamische Alternative zu den hauseigenen Tourern. Im Grunde genommen ist eine Sportster also durchaus etwas für die ganz harten Jungs. Die dürfen seit über zwanzig Jahren auch das Format eines Napoleon, Stallone oder Sarkozy haben, denn die Amis haben seit den Tagen der 883 Hugger ein großes Herz für klein geratene Menschen. Spätere Flacheisen trugen den Zusatz "Low" in der Modellbezeichnung, doch allen tierfergelegten Sportstern war gemein, dass sie mit recht überschaubaren technischen Mitteln zwergentauglich gemacht worden waren. Konkret: Man beschränkte sich auf eine radikale Kürzung der Federwege, was die Form - vorsichtig formuliert - etwas verwachsen und das Fahrverhalten etwas durchwachsen machte.
Mit der neuen SuperLow geht Harley-Davidson nun andere Wege. Die 883er ist weit mehr als nur die Überarbeitung des beliebten Vorgängermodells. Das fällt bereits auf den ersten Blick auf, denn von der gedrungenen Linie ihrer Vorgängerinnen ist diese Sporty meilenweit entfernt. Die Flachmacher beschränkten sich diesmal nämlich nicht nur auf das Montieren möglichst kurzer Federelemente, sie spendierten der ganzen Fuhre eine neue Rahmengeometrie, verbauten neue Räder und Reifen, änderten Sitz und Lenker und packten zum Schluss den großen 17-Liter-Tank an Stelle des 12,5-Liter-Töpfchens. Die ganze Fuhre wirkt nun viel gefälliger und erwachsener.
Erste Erkenntnisse der Sitzprobe: Da sackt am Heck auch unter 90 Kilogramm nichts dramatisch ein, der Einzelsitz bietet ausreichend Platz fürs Variieren der Sitzposition, und die Fußrasten sind genau dort montiert, wo sie bei serienmäßigen Sportstern immer montiert sind - an der denkbar dämlichsten Stelle, die einfach niemandem passt. Die Handhebel sind wie bisher natürlich nicht verstellbar, die Griffe erfreulicherweise nicht ganz so wurstig wie bei den Big Twins, und die Kupplungshandkraft erstaunlich gering. Die Kurve an sich, und damit ist bereits ein locker durchwedelter Kreisverkehr gemeint, ist der natürliche Feind der SuperLow. Zumindest dann, wenn der Sporty-Eigner gesteigerten Wert auf die Unversehrtheit von Fußrasten, Stiefeln und Auspuffschellen legt, denn selbst Anfänger sind schon nach wenigen Eingewöhnungs-Kurven mit der XL 883L span-abhebend tätig. Das war bei den Vorgängerinnen auch nicht anders, doch damit hat es sich auch schon mit den fahrdynamischen Gemeinsamkeiten.
Wenn der Fahrbahnbelag mies oder sogar mies und nass wird, zeigt die SuperLow, wofür die Radikalkur gut war: Das Heck bleibt sauber in der Spur, da schlägt nichts durch, und es geht erstaunlich lang erfreulich komfortabel zu. Die Gabel macht ebenfalls einen ordentlichen Job, kommt bei richtig fiesen Verwerfungen aber etwas früher an die Grenzen als die Federbeine. Die vordere Bremse benötigt eine kräftig zupackende Hand, lässt sich dann aber ordentlich dosieren und packt kräftig zu. Während die Sportster früher besonders gern bei Nässe zum abrupten Überbremsen neigte, sind diese Zeiten bei der SuperLow gottlob vorbei - Michelin statt Dunlop ist das Beste, was der Sporty passieren konnte! Motor? Richtig, da war noch was: 883 cm? aus zwei Zylindern sind nicht gleichbedeutend mit "Kraft aus dem Keller". Der V-Twin braucht Drehzahlen, das Getriebe braucht klare Schaltfuß-Ansagen, und der Fahrer benötigt irgendwann ein faires Angebot seines Dealers für die Umrüstung auf 1200 Kubik. Doch das war bei der 883er eigentlich schon immer so, fällt unter Tradition und ändert nichts daran, dass die SuperLow die beste Kleine-Menschen-Sportster aller Zeiten ist.
Motor:
Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-45-Grad-V-Motor, vier untenliegende, zahnradgetriebene Nockenwellen, zwei Ventile pro Zylinder, Hydrostößel, Stoßstangen, Kipphebel, Trockensumpfschmierung, Einspritzung, Ø 45 mm, ungeregelter Katalysator, Lichtmaschine 405 W, Batterie 12 V/12 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, Zahnriemen.
Bohrung x Hub 76,2 x 96,8 mm
Hubraum 883 cm³
Nennleistung 39 kW (53 PS) bei 5900/min
Max. Drehmoment 70 Nm bei 3750/min
Fahrwerk:
Doppelschleifenrahmen aus Stahlrohr, Telegabel, Ø 39 mm, Zweiarmschwinge aus Stahlprofilen, zwei Federbeine, verstellbare Federbasis, Scheibenbremse vorn, Ø 292 mm, Doppelkolben-Schwimmsattel, Scheibenbremse hinten, Ø 260 mm, Einkolbensattel.
Alu-Gussräder 3.50 x 18; 4.50 x 17
Reifen 120/70 ZR 18; 150/60 ZR 17
Maße und Gewichte:
Radstand 1500 mm, Lenkkopfwinkel 59 Grad, Nachlauf 145 mm, Federweg v/h 108/54 mm, Sitzhöhe 695 mm, Gewicht vollgetankt 260 kg, Zuladung 194 kg, Tankinhalt/Reserve 17/3 Liter.
Service-Intervalle 8000 km
Farben Schwarz, Blau, Rot/Schwarz, Weiß/Orange
Gewährleistung zwei Jahre
Preis zzgl. Nebenkosten ab 8295 Euro
Die Harley-Davidson-Neuheiten 2011 sind recht überschaubar, die einzige echte Novität ist die XL 883L SuperLow. Anstelle spektakulärer Neuheiten gibt es dafür einige Modellpflege. So sind zum Beispiel alle Touring-Modelle mit dem Twin Cam 103-Motor ausgerüstet (1690 statt 1584 cm³, 84 statt 82 PS), und alle Softails mit Ausnahme der Crossbones (wegen Springergabel) haben serienmäßig ABS an Bord. Zwei weitere Modelle werden von Harley-Davidson ebenfalls als "Neuheiten" geführt, doch eigentlich handelt es sich dabei um Comebacks.
Softail Deluxe (FLSTN): 2009 und 2010 war der unverkleidete Klassiker nicht mehr im Programm vertreten, jetzt ist die nostalgische Wuchtbrumme wieder zu haben. Für Vortrieb sorgt der Twin Cam 96B-Motor mit Sechsganggetriebe. Die 96 steht für den Hubraum in Cubic Inch (1584 cm³), das B für "Balancer", die beiden kettengetriebenen Ausgleichswellen, die etwas Leistung kosten. So treffen 76 PS auf 330 Kilogramm Leergewicht. Für dynamische Alpenüberquerungen - wie bei der Präsentation der 2011er-Modelle geschehen - taugt das nur bedingt, denn das sehr softe Softail-Fahrwerk vermittel in flotten Kurvenkombinationen das Gefühl, einen Pudding zu reiten. Fürs entspannende Cruisen ist das Schätzchen aber wie gemacht und mit Trittbrettern, Weißwandreifen und Tombstone-Rücklicht stilecht ausgestattet. ABS ist serienmäßig. Ab 19790 Euro.
Electra Glide Classic (FLHTC): Der leer immerhin 413 Kilogramm wiegende Reisedampfer war von 2006 bis 2010 nicht in Harleys Europa-Programm zu finden. Ihr Comeback feiert der Inbegriff der typischen E-Glide erstarkt, nämlich mit dem besagten Twin Cam 103-Motor. Tempomat, ein Harman/Kardon-Audiosystem, Wegfahrsperre mit Alarmanlage und ABS gehören unter anderem zur üppigen Serienausstattung. Im direkten Vergleich lässt sich die dicke Dame erstaunlicherweise deutlich flotter als die Softails bewegen. Ab 23785 Euro.