Fahrbericht Yamaha XVS 650 Drag Star

Fahrbericht Yamaha XVS 650 Drag Star

Nach der dicken Royal Star erscheint nun die kleine Drag Star am Chopper-Firmament. Ein XV 535-Abkömmling, der es auf Hondas VT 600 und Kawasakis VN 800 Classic abgesehen hat.

Die erste Nachricht, daß Yamaha einen neuen, kleinen Chopper baut, wurde in der Redaktion gelassen aufgenommen. Keiner schien überrascht. Schließlich ist die XV 535 längst in die Jahre gekommen und mittlerweile so oft verkauft worden, daß - überspitzt ausgedrückt - bald jeder Motorradfahrerhaushalt eine kleine Virago haben müßte.Die zweite Nachricht indes verblüffte. Die XV 535 bleibe selbstverständlich im Programm, schließlich sei das Interesse bei den Neu- und Wiedereinsteigern, die ein preisgünstiges Motorrad suchten, ungebrochen. Die Neue, die XVS 650 Drag Star, sei ein völlig anderes Motorrad und für eine ganz andere Käuferschicht gedacht. Stilecht und ganz nach amerikanischem Vorbild: wuchtiger Tank, weit auseinanderstehende, massive Gabelstandrohre, massive Gabelbrücken, schmales Vorderrad, dafür eine um so fettere Hinterradwalze, ein entenschwanzförmiger hinterer Kotflügel. Mittendrin der V-Twin. Ein Motor, der schon in der XV 535 durch ein paar Blechattrappen hier und da und feinverrippte Zylinder und Köpfe den Schein eines hubraumstarken Gebildes zu erwecken versuchte. Die Drag Star setzt den Etikettenschwindel gar noch gezielter fort. Die Deckel am Motorblock und anderswo sind größer, der Chrom ist noch üppiger verteilt. Dazu setzen sich nostalgische Stilelemente gekonnt in Szene. Etwa der Rahmen, ein Doppelschleifengebilde, dessen Rohre nach hinten fließend in die Dreiecksschwinge übergehen, als sei der Rahmen starr und direkt mit der Hinterradachse gekoppelt. Dann der Winkeltrieb, ein Bauteil, das aussieht, als stamme es aus den dreißiger Jahren, dazu eine offen laufende Kardanwelle.Die Einladung zu einer Probefahrt nach Japan könnte also doch noch ganz interessant werden. Sollte es auch Yamaha gelungen sein, einen Chopper auf die dicken Räder zu stellen, so schön wie eine Honda VT 600 C oder so perfekt auf Harley getrimmt wie eine Kawasaki VN 800 Classic?Einzig die Informationen über den Antrieb der Neuen irritierten zunächst. Der 70-Grad-V-Zweizylinder aus der XV 535 ist eigentlich gar nicht chopperlike. Das 44 PS starke Triebwerk spielt in der kleinen Virago durch seine Drehfreudigkeit und gleichmäßige Leistungscharakteristik eher die Rolle des sanften Tourers statt die des rüden Choppers.Doch diese ließ sich anscheinend leicht umbesetzen. Mit einer geänderten Kurbelwelle mit längerem Hub, neuen Pleuel und Zylindern mit größerer Bohrung bringt es die Drag Star 649 cm³ Hubraum. Mehr war nicht möglich. Die Kapazitäten, die das XV 535-Triebwerk bietet, sind ausgeschöpft. Geänderte Nockenprofile, eine modifizierte Brennraumform und kleinere 28 Millimeter Vergaser mit Sensoren zur Erfassung der Drosselklappenstellung für die Kennfeldsteuerung beeinflussen zusätzlich den anderen Charakter, den die Drag Star vorgibt. So steht das maximale Drehmoment bereits bei 3000 und nicht erst bei 6000 Touren wie bei der XV 535 an. Mehr Leistung im unteren und mittleren Drehzahlbereich sind das Resultat aus der Summe der Maßnahmen. Exakte Angaben wollte Yamaha jedoch noch genausowenig machen wie zu der Spitzenleistung der Drag Star. Allerdings, so gab man zu verstehen, könnte es durchaus sein, daß der Motor zugunsten einer fülligeren Leistungskurve in der Spitze etwas eingebüßt hat.Bei Choppern jedoch ohnehin eher nebensächlich. Hauptsache, der Durchzug stimmt. Und so war MOTORRAD bei der ersten Probefahrt gespannt, wie gut der Drag Star-Motor seine Rolle als kraftvoller, aber gleichwohl kleiner Chopper-Antrieb spielt.Von den ersten Metern an stehen die Zeichen gut. Begleitet von einem rauhen, etwas unrunden Motorlauf, gleitet die Drag Star aus niedrigsten Drehzahlen tuckernd auf und davon. Die fünf Gänge durchschalten - das überarbeitete Getriebe läßt sich präziser betätigen als das teigige XV-Pendant -, schon kann man ab etwa 40 km/h die Schaltbox für den Rest der Fahrt unangetastet lassen. Von nun an nur noch das Gas aufziehen, und die Drag Star beschleunigt so kraftvoll und sanft vibrierend, als habe sie noch ein-, zweihundert Kubikzentmeter Hubraum in Reserve. Mit steigender Drehzahl werden auch die Vibrationen kräftiger. Und die Leistungskurve flacht im oberen Drehzahldrittel deutlich ab. Nur zäh läßt sich der Motor höher drehen und zu weiterer Beschleunigung ermuntern. Aber zum Rasen taugt die Drag Star ohnehin nicht. Das verbietet allein schon die Haltung. Bei ausladendem Lenker und durch den breiten, 16 Liter fassenden Kraftstofftank weit gespreizten Beinen ist der Fahrer Wind und Wetter ausgesetzt. Auf der Drag Star noch mehr als auf jedem anderen Chopper. Denn zusätzlich sind die Fußrasten sehr weit vorn positioniert, so daß die Knie kaum angewinkelt sind. Eine durchaus relaxte und entspannte Sitzposition und obendrein noch praktisch. Ohne störende Rasten läßt sich die 227 Kilogramm schwere XVS 650 mit den Füßen vorwärts wie rückwärts und im Kreis herum rangieren.Leicht fällt der Umgang mit der Drag Star aufgrund ihrer Sitzhöhe von nur 695 Millimetern. In der Japan-Variante ist sie sogar noch vier Zentimeter niedriger - das Sitzkissen ist weniger gepolstert. Doch bei Yamaha ist man davon überzeugt, daß die Deutschen mehr Kilometer als üblich herunterspulen und deshalb mehr Sitzkomfort erwarten. Den bekommen sie und obendrein eine Telegabel, die feinfühlig Bodenwellen schluckt. Auch das Zentralfederbein kommt auf schlechten Straßen seiner Aufgabe gut nach, zeigt sich aber bei kurzen, harten Stößen eher von seiner harten Seite.Allzu große Handlichkeit darf man dagegen bei 1600 Millimeter Radstand und 153 Millimeter Nachlauf nicht erwarten. Dafür läuft die Drag Star recht zielgenau und spurstabil um jede Ecke. Nur mit flotten Fahrweise hat sie so ihre Probleme. Nicht aufgrund der Bremsen, die verzögern angemessen gut und lassen sich vorn wie hinten prima dosieren. Doch die Fußrasten berühren allzu früh den Boden, schrappen unter häßlichem Geräusch über den rauhen Asphalt.Nicht früher als bei den anderen auch, meint Yamaha zu der Kritik und macht keinen Hehl daraus, daß der Vergleich zu Hondas VT 600 C und Kawasakis VN 800 Classic gezogen wird. Damit dürfte klar sein, daß die XV 535 weiterhin konkurrenzlos preisgünstig bleiben wird. Bleibt zu hoffen, daß die Drag Star an der Untergrenze der beiden Konkurrenten zu finden sein wird. Auf der IFMA in Köln werden wir es wissen.

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